NBA

Wie lange ist das Fenster noch offen?

Reicht es für Kevin Durant, Russell Westbrook und Serge Ibaka dieses Mal zum Titel?
© getty

Mit Kevin Durant, Russell Westbrook und Serge Ibaka haben die Oklahoma City Thunder seit Jahren das Gerüst für einen Titel im Kader. Zum großen Wurf hat es bisher allerdings nicht gereicht, und auch in der neuen Saison scheint alles am MVP hängenzubleiben. Das Front Office und Coach Scott Brooks stehen derweil gewaltig unter Druck - denn niemand weiß, wieviel Zeit noch bleibt.

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Ob Kevin Durant sich wohl manchmal "Was wäre wenn..."-Fragen stellt?

Was wäre, wenn Russell Westbrook in den Playoffs 2013 nicht mit Patrick Beverley zusammengestoßen und sich einen Meniskusriss zugezogen hätte? Was wäre, wenn sich Serge Ibaka nicht im letzten Spiel der Serie gegen die Los Angeles Clippers an der Wade verletzt hätte? Oder wenn man James Harden vor zwei Jahren nicht für ein paar Ersatzteile an die Houston Rockets verscherbelt hätte.

KD ist Vollprofi genug, um der Vergangenheit nicht nachzuweinen oder sich in Gedankenspielchen zu ergehen - dafür sind schließlich die Medien da. Aber auch er wird wissen: Andere Umstände hier, etwas weniger Verletzungspech da, dann hätte er vielleicht schon den einen oder anderen Championship-Ring am Finger. Mit Ibaka im Lineup hatte man schließlich zwei von vier Partien gegen die San Antonio Spurs gewonnen.

So wird 750 Kilometer südlich am Alamo zum fünften Mal in 15 Jahren gefeiert, während man in Oklahoma wieder einmal in sich gehen musste. Nach einer weitgehend ereignislosen Offseason muss man konstatieren: Das Front Office um GM Sam Presti behält den eingeschlagenen Kurs bei. Doch wieviel Zeit bleibt noch?

Die Bank: Pflaster statt Zaster

Die Sommer-Aktivitäten der Thunder hat man schnell rekapituliert: Altmeister Derek Fisher hat sich wohl zum letzten Mal vom aktiven Dienst verabschiedet und coacht mittlerweile die New York Knicks - ob das auf dem Parkett ein großer Verlust ist, sei mal dahingestellt, im Locker Room müssen nun andere seinen Platz einnehmen. Schmerzlicher sind da wohl die Abgänge von Caron Butler und Thabo Sefolosha zu verkraften, auch wenn Letzterer nicht gerade die Playoffs seines Lebens hingelegt hatte.

Auf der Habenseite stehen dafür die Wandergesellen Anthony Morrow und Sebastian Telfair. Die Namen kennt man: Morrow ist ein hervorragender Schütze von außen, Telfair könnte einen leidlichen Backup für Russell Westbrook abgeben. Aber Vorsicht: Zusammen haben die beiden Guards schon 15 NBA-Stationen auf dem Buckel. Zumeist eher ein schlechtes Zeichen.

Dazu kommen die Draft Picks: Mitch McGary, der bereits in die D-League abgeschobene Forward Josh Huestis, und Semaj Christon, ein Point Guard aus Xavier, dem der Jumper noch abgeht. Power Forward Grant Jerrett hat den Sprung aus der D-League in den Kader geschafft, und für Sefolosha gab es von den Atlanta Hawks die Rechte an Sofoklis "Baby Shaq" Schortsanitis und eine Trade Exception, mit der man wohl auch keine großen Sprünge machen kann. Gerüchte um eine Verpflichtung von Lance Thomas, der in der Summer League für die Chicago Bulls spielte, machen ebenfalls die Runde.

Immer noch zu jung für den Titel?

Alles in allem hat man damit auf dem Papier vor allem das Ende der Bank verstärkt. Vielleicht die eine oder andere Minute in der Garbage Time, der eine oder andere offene Wurf, wenn sich der Gegner auf die Superstars konzentriert - und natürlich erhofft man sich in der Chefetage ein paar Leistungsexplosionen. Trotzdem: Ein richtig guter zweiter Anzug sieht wohl anders aus. Und dabei war die Bank nach der Postseason im Mai und Juni als Schwachstelle ausgemacht worden.

An den hochkarätigen Free Agents wie Pau Gasol oder Ray Allen biss man sich die Zähne aus. Neben der Starting Five sollen es also die üblichen Verdächtigen richten: Steven Adams, Nick Collison, Perry Jones, Jeremy Lamb. Der aktuelle 17-Mann-Kader ist im Schnitt 24,5 Jahre alt, nur Collison jenseits der 30. Ein gutes Rezept für die zermürbende Regular Season - aber wann hat ein junges Team zuletzt den Titel geholt? Erfahrene Veteranen machen in der Postseason zumeist die bessere Figur.

Hochkaräter gegen hochkarätige Konkurrenz

Reicht das, um im Westen die ewigen Spurs in die Schranken zu weisen? Ein Clipper-Team, welches von seinem neuen Besitzer einen Schub bekommen könnte? Was ist mit den Warriors, den Rockets, den Mavs? Vom Osten ganz zu schweigen.

Wenn das nach Schwarzmalerei klingt, dann verrät das weniger über die Stärke der Thunder als über ihre gewachsenen Ansprüche. Denn das Trio KD-Westbrook-Ibaka sucht in der gesamten Liga immer noch ihresgleichen und kann ganze Serien im Alleingang entscheiden. Heimvorteil in der ersten Playoff-Runde ist quasi garantiert, höchstwahrscheinlich auch in den Conference Semifinals. Durant wird, man kann es nur staunend betonen, Ende September 26 Jahre alt. Wo die Grenzen des MVPs liegen, das weiß wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Und bei Russ (25) und Ibaka (24) verhält es sich ähnlich.

Aber nach sieben Jahren in der Liga zählen für Durant nur noch Championships. Und das setzt die Lenker und Denker in Oklahoma City unter Druck.

Vorbild LeBron?

Da wäre zum einen die Besitzer-Gruppe um Clay Bennett. Dass ihr Superstar nicht gerade begeistert von den Abgängen seiner Freunde Harden und zuvor Jeff Green gewesen ist, ist kein Geheimnis. Dass man sich trotz der explodierenden Preise von NBA-Franchises und ausgewiesenen Gewinnen bisher weigerte, die Luxury Tax zu zahlen, ebenfalls nicht. Klar, man kann auch ohne Luxury Tax den Titel holen. Nur: Das war zum letzten Mal 2005/2006 der Fall. Wer weiß, ob KD nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre in den Spiegel schaut und sagt: Meinen Bossen ist der Titel nicht so wichtig wie mir - ich muss etwas ändern.

An diesem Punkt könnten die Spekulationen um ein "Homecoming" des Forwards neu hochkochen. Der Mann, der "Maryland" auf seinem Rücken tätowiert hat, könnte es LeBron James gleichtun und ebenfalls nach Hause zurückkehren - schließlich macht er aus seiner Liebe für D.C. Und Umgebung kein Geheimnis. Und die Washington Wizards sind im Kommen, also... ist in einem oder zwei Jahren Schluss mit OKC?

Das sind wie gesagt nur Spekulationen, getragen von sensationslüsternen Medien und hoffnungsvollen Wizards-Fans. Aber die Stimme im Hinterkopf ist da: Was passiert, wenn OKC nicht in den nächsten zwei Jahren den Titel holt und KDs Vertrag ausläuft?

Presti muss sparen

Von Bennett geht es weiter zum Front Office und Presti. Der muss mit den Pfründen haushalten, die ihm sein Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Das bedeutet: Verzicht auf teure Free Agents - der Beweis dafür, dass man ebensolche überhaupt nach Oklahoma locken kann, steht noch aus -, dafür eine langsame und stetige Entwicklung des eigenen Kaders, vor allem von X-Faktoren wie Reggie Jackson oder Steven Adams.

Man darf nicht vergessen: Nicht mehr lange, dann stehen die nächsten Vertragsverlängerungen des Star-Trios an. Und dafür muss sich Presti genügend Cap Room offenhalten, denn sonst steht ein "Harden-Trade 2.0" an - und die Fans gehen auf die Barrikaden. Es wird schon so schwer genug. Mit Jackson muss Presti etwa bis Ende Oktober eine Extension aushandeln, ansonsten wird der zum Restricted Free Agent im Sommer 2015. Und wahrscheinlich zu teuer für OKC.

Brooks als Bauernopfer?

Am Ende der Befehlskette steht Head Coach Scott Brooks - und auf Brooks dürfte der Druck noch nie größer gewesen sein. Ob es sich beim 49-Jährigen um einen Übungsleiter mit Championship-Qualifikation handelt, um einen Taktik-Fuchs, der in einer Playoff-Serie die entscheidenen Kniffe anwenden kann, der Nachweis steht noch aus. Ob er die ihm zur Verfügung stehenden Rollenspieler zu den passenden Puzzle-Teilchen für einen NBA-Titel formen kann, ebenfalls. Sonst wäre er womöglich das erste Opfer.

Trotzdem könnte es erst einmal so weitergehen, mit einem First oder Second Seed, ein oder zwei Playoff-Runden zum Warmmachen und dann dem Kampf der Giganten mit hoffentlich gesunden Stars. Wenn, ja wenn Durant selbst nicht zuletzt klargemacht hätte, dass er so eben nicht weitermachen kann.

Durant muss es richten

Denn seit seiner Absage an das Team USA vor einigen Tagen ist klar: Auch Kevin Durant ist nur ein Mensch. Und der ist platt, ausgelaugt, müde. In den letzten vier Jahren hat niemand so viele Minuten gespielt wie er, der 2012 noch getönt hatte, dass er werfen könne, "bis ihm die Arme abfallen". Dazu kommen Vertragsverhandlungen mit Nike und Under Armour, wie Jerry Colangelo bestätigte. Nicht gerade hilfreich, um den Kopf frei zu bekommen.

Vielleicht ist Durants erste Sommerpause seit Jahren der entscheidende Schritt zum Titel. Aber Brooks hat es nun schwarz auf weiß, dass er ein Auge auf die Spielzeit seines Superstars haben muss. Dass eine anständige Rotation um ihn her muss, eine fähige Bank.

Ein Blick auf die NBA-Landschaft verrät schließlich: Die Gelegenheit könnte nie günstiger sein: Die Spurs haben womöglich ihr letztes Meisterstück vollbracht. LeBron muss sich mit seinem neuen Team erst finden, ebenso Derrick Rose, der mehr oder weniger wieder bei Null anfängt. Das Titelfenster scheint offen. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

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