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MLB: Tampa Bay Rays setzen auf den "Opener" - Revolution aus Notwendigkeit

Sergio Romo absolvierte gegen die Angels seine ersten Starts überhaupt in der MLB.
© getty

Die Tampa Bay Rays setzten am vergangenen Wochenende gegen die Los Angeles Angels zweimal hintereinander Relief Pitcher Sergio Romo als Starter ein. Eine absolute Seltenheit in der heutigen Zeit, die für Aufsehen bei Traditionalisten wie innovativen Köpfen zugleich sorgte. Doch ganz freiwillig leiteten die Rays diese Revolution nicht ein.

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Bereits seit Längerem ist klar, dass die Rays in dieser Saison auf eine ungewöhnliche Form einer Vier-Mann-Pitching-Rotation setzen würden. Nicht etwa simpel mit vier Startern, sondern mit vier Startern und einem Bullpen-Tag, an dem exklusiv Reliever auf den Mound kämen. Der Kenner kennt dies als "Johnny Wholestaff".

Doch an diesem Wochenende gegen die Angels gingen die Rays noch einen Schritt weiter. Hatten sie bisher auf Rookies wie Ryan Yarbrough oder Andrew Kittredge gesetzt, um besagte Bullpen-Tage zu begehen, schickte Manager Kevin Cash am Samstag mit Sergio Romo einen einstigen Star-Reliever auf den Mound - Romo war etwa der Closer der Giants, die 2012 die World Series gewannen.

Romo startete also erstmals überhaupt in der MLB und sammelte drei Strikeouts in einem perfekten Inning, ehe Long Man Yarbrough übernahm und über 6 1/3 Innings nur einen Run zuließ. Der Clou: Cash nutzte die eigentliche Stärke des Gegners zu seinem Vorteil: Die ersten drei Hitter der Angels - Zack Cosart, Mike Trout und Justin Upton - sind Rechtshänder und gegen solche erlaubt Romo in diesem Jahr einen .196 Batting Average - Linkshänder Yarbrough ist gegen Righties zwar auch nicht schlecht (.205), doch durch diese Maßnahme kam der Rookie sicher leichter ein weiteres Mal durchs Lineup, als wenn er es mit Leuten wie Superstar Trout noch einmal mehr hätte aufnehmen müssen.

Die Maßnahme ging voll auf und die Rays schlugen die Angels mithilfe von fünf Pitchern mit 5:3. Überaschenderweise ging es dann bereits am Sonntag so weiter. Erneut durfte Romo von Beginn an ran und kam erneut auf drei Strikeouts. Es wäre sogar mehr drin gewesen, doch ein paar Kontrollprobleme hielten ihn bei 1 1/3 Innings und zwei Walks. Anschließend gab Matt Andriese über zwei Innings zwei unearned Runs ab und letztlich siegten die Angels mit 5:2.

Pitcher, die 2018 für die Rays starteten

NameWurfarmOriginal-RolleAnzahl Starts
Chris ArcherRechtsStarting Pitcher10
Blake SnellRSP10
Jacob FariaRSP9
Yonny ChirinosRSP5
Andrew KittredgeRRelief Pitcher3
Ryan YarbroughLinksRP3
Matt AndrieseLRP2
Sergio RomoRRP2
Anthony BandaLRP1

Der Punkt war jedoch dieser: Die Rays setzten erneut auf Romo und haben damit vielleicht sogar ein tragfähiges Modell gefunden, das in ihrer derzeitigen Situation durchaus Früchte tragen könnte.

Eben jene Situation ist auch der springende Punkt! Der ursprüngliche Plan, mit vier Startern ins Jahr zu gehen, ging nur solange auf, wie Nathan Eovaldi Teil dessen war. Doch der Rechtshänder verletzte sich am Ellenbogen und reduzierte die Zahl brauchbarer Starter bei den Rays auf drei. Dann überraschte Rookie Yonny Chirinos alle mit seinem tollen Karrierestart. Also waren es schnell wieder vier Starter.

Doch auch Chirinos währte nicht lang und verletzte sich am Unterarm. Damit dürfte er locker bis Anfang Juni raus sein. Und da sich Supertalent Brent Honeywell bereits vor der Saison mit einer Ellenbogenverletzung abgemeldet hatte, drängt sich kein wirklicher Ersatz aus dem Farmsystem mehr auf.

Die Rays haben eine Payroll von rund 76,3 Millionen Dollar, für sie die zweithöchste überhaupt seit Teamgründung - lediglich 2014 lag man mit 76,8 Millionen noch leicht drüber. Was also tun, wenn man auch nicht gerade in der Lage ist, auf dem Free-Agent-Markt, der durchaus noch Alternativen böte, zuzuschlagen? Kreativ werden zum Beispiel!

MLB: Opening Day Payrolls 2018 (ein Auszug)

PlatzTeamPayroll (US-Dollar)
1.Boston Red Sox233.505.429
2.San Francisco Giants200.505.278
3.Los Angeles Angels186.220.715
4.Chicago Cubs183.156.139
5.Washington Nationals180.849.056
26.Milwaukee Brewers90.964.571
27.Pittsburgh Pirates86.340.001
28.Tampa Bay Rays76.007.496
29.Chicago White Sox71.217.000
30.Oakland Athletics65.985.833

Der Weg, den sie mit Romo nun Not gedrungen gewählt haben, lässt wiederum Brian Kenny vom MLB Network aufhorchen. Der nämlich hatte bereits 2016 in seinem Buch "Ahead of the Curve" von diesem Konzept berichtet und nannte einen solchen Reliever "The Opener" im Gegensatz zum Closer, der das letzte Inning pitcht.

Spontan kam die Idee den Rays nun aber auch nicht. "Wir haben darüber seit einer Weile aktiv diskutiert, einfach einen flexibleren Pitching Staff und potenziell einen besseren Weg zu haben, diesen zu organisieren", verriet General Manager Erik Neander gegenüber The Athletic: "Ich bin mir immer noch nicht sicher, dass das funktioniert, aber wir mögen es, darüber zu reden."

Geht es nach Kenny, dann sollte es indes gar keine vorgefertigten Rollen für Pitcher - Starter oder jegliche Unterteilung des Jobs des Relievers - mehr geben. Stattdessen wäre es ihm lieber, dass Pitcher grundsätzlich variabel einsetzbar wären.

Allerdings gilt Kenny, der führende Sabermetrician beim MLB Network - wenn man so will - als großer Theoretiker. Neander wiederum räumte ein: "Es gibt einiges, dass in der Theorie Sinn ergeben kann. Aber wenn du es in der Praxis anwendest, dann hast du es mit Menschen zu tun und diese reagieren auf Belastung und Spielpläne, die sich von dem unterscheiden, was sie gewöhnt sind, anders als sonst. Das sind die Herausforderungen, die damit einhergehen. Und du weißt wirklich nicht, wie diese aussehen, bis du es ausprobierst und Erfahrungen damit sammelst."

Rays Manager Kevin Cash: Spieler in Position bringen

Der Versuchsleiter für dieses Experiment, Cash, zeigte sich danach ein wenig zurückhaltend: "Als Manager war das ziemlich nervenaufreibend", verriet Cash gegenüber Reportern am Sonntagmorgen, also vor Take 2. "Unser Ziel ist es, Spieler in eine Position zu bringen, in der sie Erfolg haben können. Sergio bitten wir, etwas zu tun, wozu er noch nie zuvor die Möglichkeit bekommen hatte. Das muss für ihn mental eine Herausforderung gewesen sein, doch ich hätte nicht beeindruckter sein können, wie gut er die Sache angenommen hat."

Cash wollte das für den Moment geglückte Experiment aber auch nicht zu hoch hängen: "Ich bin froh, dass Samstagabend funktioniert hat. Fairerweise muss man sagen, dass das auch ganz leicht hätte daneben gehen können. Aber das Besondere an dieser Organisation ist, dass wir keine starken Meinungen aus kleinen Stichproben bilden. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Konzept sehr viel öfter in diesem Jahr sehen werden."

Kenny thematisierte den dann noch bevorstehenden Start von Romo am Freitag in seiner Show "MLB Now" und kam unter anderem zum Schluss, dass der Prozess, der zu der Entscheidung führte, wichtiger sei, als jegliche Resultate. Sein Kollege, Network-Experte Tim Flannery, reagierte auf diese Aussagen via Twitter. Die Quintessenz seines Kommentars war, dass es leicht sei, kreativ zu werden, wenn man schlecht ist.

Das wiederum ist auch ein besonderer Aspekt dieser Rays: Sie sind mitnichten schlecht! Sie haben eine Bilanz von 22-23. Das mag zwar negativ sein, doch damit liegen sie in der AL East vor den Blue Jays (22-25) und Orioles (15-32) auf Platz 3. Mehr noch: Bis zur zweiten AL Wildcard (Seattle: 27-19) sind es für Tampa Bay aktuell nur viereinhalb Spiele.

Rays: GM hätte nichts gegen fünf Top-Starter

Neander räumte jedoch ein, dass er durchaus nichts gegen eine herkömmlichere Herangehensweise an sein Pitching einzuwenden hätte: "Am Ende des Tages willst du, dass deine besten Pitcher so viel wie möglich pitchen, während du gleichzeitig verantwortlich mit deren Gesundheit umgehst."

Konkret heißt das: "Es gibt Leute, die 190 bis 220 Innings pitchen können und das sogar sehr gut. Es wäre eine schlechte Entscheidung, diesen Leuten Innings wegzunehmen. Aber gleichzeitig gibt es nicht so wahnsinnig viele Jungs, die das machen können. So blicken wir momentan auf unsere Pitcher-Gruppe. Nicht, dass wir sie als schlecht ansehen, aber wir nehmen ihnen ein wenig die Last und verlangen nicht ganz so viel von fünf Startern", fuhr der GM fort. Aber: "Wenn wir fünf Top-Pitcher hätten, dann würden wir dies natürlich sehr begrüßen."

Doch solche wachsen nicht auf Bäumen und sind für die Rays nicht zu finanzieren. Also setzen sie auf Experimente wie den doppelten Romo, den "Opener". Und wer weiß, vielleicht macht dieses Konzept Schule und den Opener auch anderweitig zu einer denkbaren Option für die Zukunft.

Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.

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