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Moneyball-Pionier Billy Beane im Interview: "RB Leipzig ist eine faszinierende Geschichte"

Von Daniel Herzog
Billy Beane (l.) verfügt über ein breites Fußballwissen
© spox
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SPOX: Lassen Sie uns auf Ihren Moneyball-Ansatz zurückkommen. Im Baseball schaut man auf Faktoren wie On-Base Percentage ...

Beane: Lassen Sie uns doch lieber über Red Bull sprechen. (lacht)

SPOX: ... aber das ist nicht ganz leicht zu übertragen. Welche Art von statistischen Informationen wären denn am wichtigsten im Fußball?

Beane: Der Begriff "statistisch" passt hier eher nicht. Auf reine Fußball-Statistiken schauen solche Teams eher nicht. Dabei handelt es sich ja um Resultate. Wir wollen den "Prozess" messen, weil das für uns ein besserer Indikator ist.

SPOX: Haben Sie ein Beispiel?

Beane: Nehmen Sie zwei verschiedene Tore - und wir wissen alle, dass manche Tore schwieriger zu erzielen sind als andere. Wie bewertet man also solche Situationen? Nochmal: zwei Tore. Eins ist ein beeindruckendes Solo von Messi, der durchs Mittelfeld dribbelt, das andere ist nur ein Abstauber nach einer guten Vorlage. Beide Treffer sollten nicht unbedingt gleich gewichtet werden. Ich weiß nicht, ob ich auf Ihre Frage spezifisch antworten kann, aber am Ende des Tages kommt man darauf, dass die Tordifferenz eines Teams etwas bedeutet. Aber wie teilt man den Anteil auf, den ein jeder Spieler an dieser Tordifferenz hatte? Und wenn man das möglichst genau messen will, muss man auch etwas abziehen, wenn jemand einen Fehler macht. Dann ist man auf dem richtigen Weg.

SPOX: Ihr Vertrag bei den A's endet in zwei Jahren ...

Beane: Glücklicherweise habe ich aufgehört, darauf zu achten. (lacht)

SPOX: Ist es möglich, dass wir Sie in einer wichtigeren Rolle bei einem Fußballverein sehen? Gibt es schon Ideen?

Beane: Ich sage mal so viel: Für den Rest meines Arbeitslebens würde ich gerne irgendwo dazugehören. Ob das zu einer größeren Rolle führt oder nicht, muss man sehen. Der Vorteil im Fußball: Man reist durch die Welt. Du bist einen Tag in München, danach in Paris oder Italien. Dabei sammelt man tolle Erfahrungen, lernt neue Menschen kennen. Das sind die Dinge, die mich anziehen. Ich war vor kurzem bei einem Board Meeting in Spanien. Da gab es zum Beispiel eine ganz tolle Paella. Das gehört einfach zur Arbeit im Fußball dazu und diesen Part genieße ich sehr. Von daher: Ich werde immer irgendwo dazugehören. Was aber meine Karriere nach dem Baseball angeht, müssen wir schauen.

SPOX: Sie hatten vor ein paar Jahren eine längere Unterhaltung mit Arsene Wenger. Ging es um einen Job bei Arsenal?

Beane: Ich bin schon seit Jahren aus der Ferne ein großer Fan von Wenger. Wir haben uns durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt und ich habe mich ein paar Mal mit ihm unterhalten. Ich bin in erster Linie ein Bewunderer von ihm als Person - er hatte einen einzigartigen Hintergrund im Hinblick auf Sport und Sportmanagement. Er hat meines Wissens einen Abschluss in Wirtschaft, spricht mehrere Sprachen. Er hat also einen sehr intellektuellen Background, was ich faszinierend fand. Er ist außerdem sehr leidenschaftlich, sehr verbissen und arbeitet für einen Verein, der für mich zu den am besten geführten Unternehmen der Welt gehört. Wegen all dieser Dinge habe ich gerne Kontakt zu ihm. Ich würde uns nicht enge Freunde nennen, aber sicherlich Bekannte.

SPOX: Er hatte zuletzt bei Arsenal zu kämpfen. Lange war nicht klar, ob er dort weitermachen darf. Wie beurteilen Sie die Lage?

Beane: Wenn man so lange so gut ist, legt man damit auch die Messlatte höher. Manchmal muss man auf das Gesamtwerk schauen, denn das ist wirklich beeindruckend, wenn man darüber nachdenkt: Arsenal ist ein sehr erfolgreiches Business, was im Fußball nicht so einfach ist, denn es gibt einige Klubs, auf die das nicht zutrifft. Auf dem Rasen waren sie 20 Jahre am Stück in der Champions League, der beste und wohl auch am härtesten umkämpfte Wettbewerb der Welt. Und so steigen die Erwartungen der Fans. Man muss also in Ruhe darauf schauen, was er über eine sehr lange Zeitspanne geleistet hat. Aus meiner Sicht ist es sehr schwer, seine großartige Arbeit infrage zu stellen.

SPOX: Sie haben auch Bastian Schweinsteiger erwähnt. Der spielt nun bei Chicago Fire. Wenn Sie der Manager von Chicago wären, wäre Schweinsteiger dann ein Spieler, der ihrem Sabermetrics-Ansatz entspricht? Er ist zwar etwas älter, aber immer noch ein guter Spieler.

Beane: Das ist schwierig zu beantworten. Wir sprechen über einen Spieler, der vor kurzem noch in der deutschen Nationalmannschaft gespielt hat und natürlich bei Manchester United. Er ist einer der Größten in der Geschichte des deutschen Fußballs und es ist irgendwie schwer zu glauben, dass er nun einer der Älteren ist, in seinen 30ern. In manchen Fällen ist man in diesem Alter sogar noch besser am Ball, aber auch die Verletzungsgefahr steigt an. Wir sehen es auch im Baseball und im Football. Die älteren Spieler, gerade im Fußball, tragen öfter Verletzungen am Gewebe davon. Deshalb kann kann ich das nicht genau beantworten. Aber wenn ich in der MLS wäre, hätte ich nichts dagegen, ihn in meinem Team zu haben.

SPOX: Ihr Freund Jürgen Klinsmann hat einst versucht, neue Ansätze beim FC Bayern einzuführen und wurde schließlich entlassen. Muss man ihm nicht im Nachhinein Recht geben?

Beane: Schwierig. Ich war nicht eingeweiht in seine Arbeit, sondern habe Jürgen als Fan die Daumen gedrückt. In erster Linie bin ich Fan seiner Energie und Leidenschaft und seiner Karriere als Spieler. Was mir an Jürgen sofort gefallen hat, als ich ihn zum ersten Mal traf, war seine Offenheit. Er wollte Dinge anders machen als bisher und suchte nach neuen Wegen, mit dem deutschen Nationalteam zu arbeiten. Deswegen wurde ja zum Beispiel Fitnesstrainer Mark Verstegen geholt. Jürgen kam einmal zu uns ins Spring Training (die Saisonvorbereitung in der MLB, Anm. der Red.) und verbrachte einen ganzen Tag mit uns. Da habe ich ihn erstmals getroffen. Er stellte am laufenden Band Fragen und wollte immer dazulernen. Ob jemand Erfolg hat oder nicht, ist immer so eine Sache, aber wenn jemand ständig nach neuen Wegen sucht, dann bewundere ich das.

SPOX: Mal allgemein gefragt: Glauben Sie, dass es bei der Adaption von Moneyball auf andere Sportarten auch Grenzen gibt?

Beane: Es kommt darauf an, wie man es definiert. In erster Linie geht es derzeit um die Implementierung von Daten und Analytik. Wir nutzen Informationen, um Entscheidungen zu treffen. Ich denke, das funktioniert in allen Unternehmen, wie auch immer man sie nennen will. Informationen dazu zu nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen, ist immer etwas Gutes für jedes Business und jeden Sport - und sehr viel besser, als einfach nur zu raten.

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