Olympia kompakt: "Olympia 2022, aber mit ganz vielen Goldmedaillen drin"

Von Chris Lugert / Christian Guinin
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Am fünften Wettkampftag der Olympischen Winterspiele 2022 haut Team Deutschland so richtig einen raus. Drei Medaillen werden aufs Konto gepackt, zwei davon glänzen sogar golden. Verantwortlich dafür sind - wie sollte es auch anders sein - die Rodler und Kombinierer. Außerdem: Zwei alpine Pechvögel, ein legendärer WhatsApp-Gruppenname und besiegte Dämonen der Vergangenheit.

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Es gibt Dinge, die sind so sicher wie das Amen in der Kirche: Der Gefrierpunkt von Wasser bei null Grad, das jährliche Bundesliga-Meisterschafts-Abo des FC Bayern und - mittlerweile darf man das getrost so sagen - das Abräumen von Goldmedaillen deutscher Athleten im Rodeln und der Nordischen Kombination bei Olympischen Winterspielen.

Von den letzten elf Olympia-Wettbewerben dieser beiden Disziplinen bestritt Deutschland zehn siegreich.

Lediglich im Rodel-Einsitzer der Männer 2018 war der Österreicher David Gleirscher schneller als einer unserer Jungs. Der kürzlich zum Olympiasieger aufgestiegene Johannes Ludwig belegte damals nur den dritten Platz. Fast schon blamabel!

Rodel-Held Ludwig im exklusiven SPOX-Interview: "Ohne Corona hätten das schöne Spiele sein können"

Auch bei den Spielen in Peking scheint diese Serie vorerst nicht zu reißen. Vier von sieben Disziplinen sind schon ausgetragen, in allen standen deutsche Athleten ganz oben auf dem Podest.

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Kombi-Triumphator Vinzenz Geiger zweifelte dennoch bis kurz vor Zielankunft noch an der Aufrechterhaltung dieser Serie. "Unglaublich, ich weiß nicht, wie das funktioniert hat", sagte der Oberstdorfer, nachdem er praktisch direkt aus der Corona-Isolation mit einem Endspurt für die Ewigkeit zu Gold gestürmt war. Da kannte wohl jemand die Statistiken nicht.

Deutlich entspannter, jedoch nicht minder schön, bejubelten die Rodel-Doppelsitzer ihre Medaillen. "Es ist ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Wir können es nicht glauben, das ist noch nicht im Kopf angekommen", freute sich Tobias Arlt über sein drittes Edelmetall bei Olympischen Spielen.

"Ich weiß auch nicht, wie wir das immer hinkriegen", befand Partner Tobias Wendl nach der Fahrt zur bislang "schwierigsten" seiner olympischen Goldmedaillen: "Zum Höhepunkt alle vier Jahre kann man mit uns rechnen, und so war es jetzt wieder." Eben, sag ich doch!

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Olympia: Die Entscheidungen des Tages

WettbewerbErgebnis
Ski-Freestyle: Big Air HerrenNorweger Ruud gewinnt Olympia-Premiere
Ski Alpin: Slalom DamenDürr undankbare Vierte - Vlhova mit Aufholjagd zu Gold
Snowboard: Cross DamenDämonen von 2006 besiegt: Jacobellis holt Gold
Nordische Kombination: Einzel/Normalschanze HerrenUnfassbares Finish! Geiger holt Gold von der Normalschanze
Shorttrack: 1500 Meter HerrenErstes Gold für Südkorea
Rodeln: Doppelsitzer HerrenGold und Silber für Team D im Doppelsitzer

Was sonst noch wichtig war

Eishockey: Auch wenn sich das deutsche Eishockey-Team bei diesen Winterspielen sportlich noch nicht beweisen konnte - der erste Schritt in Richtung (Gold-)Medaille ist gemacht. Und zwar mit dem Erstellen einer WhatsApp-Gruppe: Anstatt "Mission Gold", wie die Gruppe bei den Spielen 2018 in Pyeongchang hieß, wählte das Team dieses Mal einen Namen, der leichter kaum von der Zunge gehen könnte: "Olympia 2022, aber mit ganz vielen Goldmedaillen drin". Überragend!

Das Auftaktspiel gegen Kanada wird dann am Donnertag steigen. Große Parallelen zu 2018, als man überraschend die Silbermedaille holte, will im Team niemand ziehen, dennoch ist der Anspruch ein anderer. "Die Erwartungshaltung außerhalb ist auf jeden Fall ein Sieg", sagte Kapitän Moritz Müller vor dem Auftakt. "Und das ist auch die, die wir haben." Klasse! Dann steht den "ganz vielen Goldmedaillen" ja nichts mehr im Weg.

Lena Dürr ist Vierte im Slalom-Weltcup.
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Lena Dürr ist Vierte im Slalom-Weltcup.

Drama des Tages: Lena Dürr

Es sah so gut aus für die beste deutsche Slalom-Fahrerin. Im ersten Durchgang zauberte Lena Dürr einen Lauf in den Hang, der sehr nahe an der Perfektion war. Doch im Finale teilte sie das Schicksal mit den drei vor ihr gestarteten Konkurrentinnen. Alle rutschten sie raus aus den Medaillenrängen, doch bei Dürr war es besonders bitter.

Mit nur 0,19 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit kam sie ins Ziel, was den undankbaren vierten Platz bedeutete. "Wäre es ein Weltcup-Rennen, wäre es okay. Aber jetzt tut es einfach nur weh. Es ist so bitter, weil es auch so knapp war und gar nicht weit weg", sagte Dürr im ZDF und konnte ihre Tränen kaum verbergen.

Tränen des Tages: Mikaela Shiffrin

Mikaela Shiffrin war ratlos und sichtlich getroffen nach ihrem erneuten frühen Aus. Statt Wiedergutmachung für den Riesenslalom zu leisten, musste der Superstar aus den USA nach dem Slalom erklären, warum es erneut ein Kurzauftritt war.

Eine Antwort fand Shiffrin, immerhin Olympiasiegerin von 2014 im Ritt durch die Stangen, nicht. "Es fühlt sich an wie viel Arbeit für nichts", sagte Shiffrin unter Tränen. Es sei zwar "nicht das Ende der Welt und so dumm, sich so sehr darüber zu ärgern. Aber ich habe das Gefühl, dass ich jetzt vieles in Frage stellen muss." Zudem vermisse sie ihren 2020 verstorbenen Vater. So gerne würde sie ihn anrufen, aber das kann sie nicht. "Ich bin ziemlich sauer auf ihn", sagte sie und weinte.

Gefundener Friede des Tages: Lindsey Jacobellis

Die Dämonen der Vergangenheit haben Lindsey Jacobellis lange verfolgt. 16 Jahre lang, um genau zu sein. In Turin 2006 war die US-Amerikanerin auf dem Weg zu Gold im Snowboardcross und war sich so sicher, dass sie meinte, kurz vor dem Ziel einen völlig überflüssigen Trick zeigen zu müssen.

Es folgte ein Sturz, Silber statt Gold und jede Menge Häme. Nie wieder fand sie zu ihrer alten Form, bis heute. Völlig überraschend erfüllte sie sich doch noch ihren Gold-Traum, im zarten Alter von inzwischen 36 Jahren. Jetzt dürfte sie ihren Frieden gefunden haben.

Mysterium des Tages: Russisches Eiskunstlauf-Team

Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Unmittelbar nach dem Gewinn der Goldmedaille im Eiskunstlauf-Mannschafs-Wettbewerb kommen erneut Gerüchte über Unregelmäßigkeiten bei Doping-Tests einiger russischer Athleten auf.

Was war passiert? Eigentlich hatte sich die ROC-Mannschaft am Montag im Mannschafts-Wettbewerb deutlich vor den USA und Japan durchgesetzt. Im Anschluss wurde aber die Verleihung der Medaillen kurzerhand abgesagt. Der Grund: Ein "Juristisches Problem", wie es der Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees, Mark Adams, formulierte.

Wie das Fachportal Inside the Games berichtete, soll eine "Angelegenheit, in die das Russische Olympische Komitee (ROC) und die internationalen Doping-Autoritäten verwickelt sind" der wahre Grund für die Aussetzung der Preisverleihung sein.

Noch viel wilder wird die Sache, weil vier der sechs Gold-Athleten am Mittwoch nicht zum Training erschienen. Zufall? Absolut! ... behauptet zumindest die russische Ex-Eiskunstläuferin und heutige Verbandsberaterin Tatjana Tarassowa: "Das kann nicht sein. Sie können mit dem Finger auf uns zeigen, wie sie wollen, aber wir sind alle sauber", wird sie von der Nachrichtenagentur TASS zitiert.

Sprüche des Tages

"Das tut weh, aber in 24 Stunden interessiert das keinen mehr. Okay, vielleicht dauert es ein klein bisschen länger ..." (US-Skistar Mikaela Shiffrin nach ihrem bitteren Aus im Slalom)

"Ich habe 239 WhatsApp-Nachrichten bekommen - da sind ganz sicher die zwei auch dabei." (Kombinations-Olympiasieger Vinzenz Geiger gegenüber dem SID auf die Frage, ob Eric Frenzel und Terence Weber schon aus der Corona-Quarantäne gratuliert haben).

"Um 00:00:00 Uhr darf ich endlich zu jemandem aufs Zimmer gehen. Ein Bierchen wird auf jeden Fall drin sein." (Geiger zum Ablauf seiner Isolation um Mitternacht)

"Das ist fast ein bisschen kitschig, gell?" (Rodel-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger gegenüber dem SID über die letzten Jahre mit der Geburt ihres Sohnes, dem Sieg im Gesamtweltcup und dem Triumph in Peking)

Zahlen des Tages

0,07: Sekunden fehlten Lena Dürr auf die Bronzemedaillen-Gewinnerin Wendy Holdener im Slalom der Frauen.

5: Goldmedaillen hat Team Deutschland nach dem fünften Tag bereits gesammelt. Mehr als jede andere Nation.

1: Lautet deshalb unsere Platzierung im Medaillenspiegel nach 37 von 109 Entscheidungen.

16: Jahre wartete Lindsey Jacobellis, um sich ihren Traum von der Goldmedaille zu erfüllen.

99: Tausendstel trennten die beiden siegreichen deutschen Rodel-Duos Wendl/Arlt und Eggert/Benecken im Ziel.

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