Olympische Spiele - Moritz Fürste im Interview: "Wir müssen jede Medaille in Tokio als unglaubliches Geschenk ansehen"

Moritz Fürste
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2016 folgte Rio, diesmal wurde es "nur" Bronze, aber es wurden vor allem die emotionalsten, weil auch die letzten Spiele, oder?

Fürste: Ja, da war ich sehr nah am Wasser gebaut. Ich hatte meine Tochter dabei, die gerade ein Jahr alt geworden war. Im Vorfeld der Spiele war es eine anstrengende Zeit und dann nahm das Turnier auch noch diesen irren Verlauf.

Wir denken an den Comeback-Sieg im Viertelfinale gegen Neuseeland mit dem Siegtreffer mit der Schlusssirene, zuvor mit einem Doppelschlag von Ihnen.

Fürste: Das war irre. Und dann kriegen wir im Halbfinale gegen Argentinien so eine Klatsche. 2:5. So hoch hatte ich bei Olympia nie verloren. Und dann retten wir aber Bronze im Shootout-Krimi gegen die Niederlande. Das war eine Achterbahnfahrt der Gefühle ohne Ende. Wissen Sie, was witzig ist?

Nein, erzählen Sie.

Fürste: Sie haben vorhin auch gesagt, nach zweimal Gold reichte es in Rio "nur" zu Bronze. Manchmal bin ich bei Events und werde eigentlich immer als "zweifacher Olympiasieger" vorgestellt. Ich denke mir dabei dann immer: "Und Bronze." (lacht) Nicht, weil ich will, dass man alle meine Erfolge aufzählt, das ist es nicht. Aber diese Bronzemedaille von Rio ist für mich im wahrsten Sinn des Wortes Gold wert. Sie bedeutet mir persönlich aufgrund der besonderen Geschichte genauso viel wie die beiden Goldmedaillen und ich finde es manchmal ein bisschen respektlos gegenüber meinen Teamkollegen von 2016, wenn diese Bronzemedaille so hinten runter fällt.

"Wann sitzt man mal neben Roger Federer bei McDonald's?"

Rio waren auch die Sommerspiele, bei denen Sie sich beschwerten, aus dem Deutschen Haus geschmissen worden zu sein.

Fürste: (lacht) Oh, nein, mein Tweet von damals.

Kurz vor 4 Uhr morgens Ortszeit twitterten Sie: "Das war ja mal GAR NICHTS. Ein Deutsches Haus, das seine Athleten rausschmeißt...Das muss uns einer erklären."

Fürste: Dabei war die Geschichte eigentlich gar nicht so aufregend oder spannend. Wir waren einfach erst um 1.30 Uhr im Deutschen Haus angekommen und wurden dann um 3.30 Uhr oder so rausgeworfen. Ich muss sagen, dass Alfons Hörmann schon mit Recht damals sagte, dass man um halb vier ja auch mal eine Party beenden kann, aber wir waren eben erst gerade zwei Stunden da gewesen. Na ja, diesen Tweet hätte ich rückblickend besser nicht verschickt, vor allem, weil ich danach mein Handy ausgeschaltet habe und erst am nächsten Tag um 17 Uhr gemerkt habe, dass die Medienwelt über mich hereingebrochen war. Ich hatte zwei Pressekonferenzen verpasst, der arme Tobi Hauke musste sich für meinen Tweet rechtfertigen, es tut mir leid. (lacht)

Moritz Fürste spricht im Interview über seine Erlebnisse bei Olympischen Spielen.
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Moritz Fürste spricht im Interview über seine Erlebnisse bei Olympischen Spielen.

Es war natürlich auch ein Thema, weil den Hockey-Herren ja von 2012 ein Ruf vorauseilte (Stichwort: MS Deutschland), aber dieses Kapitel wollen wir an dieser Stelle mal beerdigen. Was sind denn besondere Treffen mit anderen Sportlern, die Sie immer noch im Kopf haben?

Fürste: Da gibt es unzählige. In Rio mit jemandem wie Martin Kaymer mal eben entspannt Kaffee trinken gehen zu können, ist etwas ganz ganz Besonderes. Wann verabredet man sich einfach mal so mit einem Golf-Superstar zum Kaffee? Wann sitzt man mal neben Roger Federer bei McDonald's und unterhält sich über Gott und die Welt? Einmal saßen wir beim Frühstück mit einer amerikanischen Schwimmerin und ihrem Trainer zusammen. Als sie sich was zu essen holen ging, haben wir mit ihrem Trainer gequatscht und er erzählte, dass sie leider ein wichtiges Rennen verpasst hat. Wir hatten schon Mitleid, dann ergänzte er: Aber es ist halb so wild, sie hat schon zweimal Gold und zweimal Silber gewonnen. Da waren wir erstmal baff, aber du kannst ja auch nicht jede Athletin und jeden Athleten im Dorf kennen. Aber diese Treffen machen die Spiele natürlich aus.

Fürste: "Basketball mit Ronaldinho - als hätte ich Gott leibhaftig gesehen"

Sie haben Kaymer und Federer erwähnt, welcher Superstar ist noch heute im Kopf geblieben?

Fürste: In Peking haben wir neben Ronaldinho Basketball gespielt. Das war für mich, als hätte ich Gott leibhaftig gesehen. Ronaldinho war ja damals die ganz große Nummer und ich daddele neben ihm rum, das war Wahnsinn. Oder wir haben uns vor das französische Haus gesetzt morgens, um auf die Basketballer zu warten. Jeden Morgen haben wir im Spaß gesagt: So, wir gehen jetzt wieder mit Tony Parker frühstücken.

Diese Episoden beschreiben den Geist der Olympischen Spiele hervorragend. Auf der anderen Seite stehen die Machenschaften des IOC, auch jetzt steht ja bei der Durchführung einzig und allein der finanzielle Aspekt im Vordergrund. Sehen Sie die Gefahr, dass Olympia irgendwann kaputt gehen könnte?

Fürste: Gegenfrage: Was ist mit der FIFA? Mit der UEFA?

Natürlich genau das Gleiche, wir könnten noch viele Verbände durchgehen.

Fürste: Aber das ist doch für mich der Punkt. Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich sehe ich vieles kritisch, zum Beispiel würde ich mir viel härtere Strafen, nämlich lebenslange, im Anti-Doping-Kampf wünschen. Ich bin aber auch Realist und weiß, dass im Anti-Doping-Kampf bereits vieles richtig gemacht wird, wir aber nie verhindern werden, dass Menschen, also auch Sportler, bereit sind, zu betrügen. Wir können - oder zumindest nur sehr schwer - auch keine Kontrollen haben für unerlaubte Mittel, die Betrüger erst noch erfinden. Da sind wir leider immer in einer reaktiven Haltung. Der Kern der Olympischen Spiele ist aber für mich ein anderer.

Wie sieht der für Sie aus?

Fürste: Der Kern ist, dass Sportler bei Olympischen Spielen etwas erleben, was sie sonst nie erleben würden. Wenn du es nicht selbst mal erlebt und gespürt hast, dann kannst du das auch nicht nachempfinden. Die Olympischen Spiele sind - trotz allem - so großartig, dass man sie erfinden müsste, wenn es sie noch nicht geben würde. Ja, es braucht eine Erneuerung, wenn ich beispielsweise an die Wettbewerbe denke, die ein Teil der Spiele sind. Die Olympischen Spiele brauchen eine Optimierung, aber generell sind sie mit ihrem Völker verbindenden Element zeitgemäßer denn je. Die Aufgabe liegt in der Veränderung, nicht darin, über eine Abschaffung nachzudenken.