Fed-Cup-Kapitän Rainer Schüttler im Interview: "Zverev ist viel zu gut, um kein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen"

Rainer Schüttler hat als Trainer von Angie Kerber gearbeitet.
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Rainer Schüttler feiert am kommenden Freitag und Samstag beim Auswärtsspiel in Florianopolis in Brasilien sein Debüt als deutscher Fed-Cup-Kapitän. Im Interview mit SPOX spricht der Australian-Open-Finalist von 2003 über Alexander Zverevs starke Leistung in Melbourne, seine Zeit an der Seite von Angelique Kerber und das Wirrwarr um die Fed-Cup-Teilnahme von Julia Görges.

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Außerdem erklärt der 43-Jährige, was ihn an Novak Djokovic am meisten fasziniert.

Herr Schüttler, Sie sitzen in dieser Woche bei der Partie in Brasilien zum ersten Mal als Fed-Cup-Teamchef auf der Bank. Was hat Sie gereizt, diese Aufgabe zu übernehmen?

Rainer Schüttler: Zu allererst: Ich liebe einfach den Tennissport. Ich dachte eine Zeit lang, dass ich nach der aktiven Karriere lieber etwas anderes machen will, aber ich bin nie so richtig vom Tennis losgekommen. Ich bin beim Turnier in Düsseldorf, das wir jetzt in Genf austragen, als Veranstalter eingestiegen. Ich habe auf der Herren-Tour einige Spieler betreut und dann natürlich zuletzt auch Angie Kerber. Als der DTB auf mich zugekommen ist, ob ich mir die Aufgabe vorstellen kann, wusste ich zunächst nicht, ob ich wirklich der Richtige dafür bin. Aber wir hatten in der Folge sehr gute Gespräche, die mich bewogen haben, den Job zu übernehmen. Vor allem auch deshalb, weil mich der Team-Wettbewerb sehr reizt. Ich habe selbst die Erfahrung machen dürfen, Davis Cup zu spielen und weiß, wie besonders das ist. Mich reizt es, eine Mannschaft zu formen, in der jeder an einem Strang zieht, mit ihr durch die Welt zu reisen und gemeinsam etwas zu erreichen. Darauf habe ich große Lust.

Sie haben Ihre Arbeit mit Angelique Kerber angesprochen. Wie reflektieren Sie im Nachhinein diese Zeit?

Schüttler: Für mich war die Zeit mit Angie eine sehr wichtige Erfahrung. Man hört immer viel von anderen Coaches, wie groß der Unterschied zwischen der Arbeit auf der Damen- und auf der Herren-Tour ist, aber es selbst zu erfahren, ist nochmal eine andere Geschichte.

Rainer Schüttler arbeitete zuvor als Trainer von Angelique Kerber.
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Rainer Schüttler arbeitete zuvor als Trainer von Angelique Kerber.

Rainer Schüttler: "Männer haben drei Gedanken im Kopf, Frauen tausende"

Was ist denn der größte Unterschied?

Schüttler: Man weiß es ja eigentlich, aber es ist wirklich so: Männer haben drei Gedanken im Kopf, Frauen tausende. Das kann hilfreich sein, aber manchmal auch kontraproduktiv, weil Gedanken dabei sind, die dich in der Situation einfach nicht weiterbringen. Ich habe auch das Gefühl, dass man bei Frauen vorsichtiger sein muss mit der Wortwahl, weil sie emotionaler sind als wir Männer. Ich muss insgesamt sagen, dass ich begeistert war von Angie. Ich war begeistert, wie sie gerade in der Vorbereitung gearbeitet hat. Wie sie sich immer wieder an und über die Schmerzgrenze hinaus gepusht hat - das war extrem beeindruckend.

Nach dem frühen Aus in Wimbledon wurde die Zusammenarbeit aber beendet.

Schüttler: Die Art und Weise, wie sie in Wimbledon gegen Lauren Davis verloren hat, war damals für niemanden schön. Sie ist sich selbst im Wege gestanden, da war vielleicht auch der Druck als Titelverteidigerin zu groß und da ist vieles zusammengekommen. Als ehemalige Nummer eins der Welt ist der Erwartungsdruck und der Standard extrem hoch. Wir haben versucht, dem gerecht zu werden, aber als wir gesehen haben, dass wir in einigen Vorstellungen auseinanderdriften und es nicht mehr passt, haben wir uns zusammengesetzt und es beendet. Aber wir sind heute noch befreundet und für mich war es eine sehr interessante Zeit, die mir viel gebracht hat. Angie hätte auch sehr gerne jetzt Fed Cup gespielt. Wir haben direkt nach ihrer Niederlage in Melbourne gesprochen, aber sie fühlt sich nicht fit und hat immer noch Probleme mit dem Oberschenkel, deshalb kann sie leider nicht dabei sein.

Rainer Schüttler: "Ich habe keine Ahnung, warum es jetzt zu den Diskussionen gekommen ist"

Neben Angelique Kerber fehlt auch Julia Görges, was während der Australian Open zu ein paar Irritationen geführt hat. Ein Missverständnis?

Schüttler: Für mich war die Sache eigentlich relativ einfach. Als im November feststand, dass ich den Posten antrete, habe ich mit allen Spielerinnen gesprochen. Jule hat damals von vornherein gesagt, dass sie die erste Partie in Brasilien nicht spielen wird, weil sie nicht in ihre Turnierplanung passt nach Australien und sie sich ganz auf ihre Saison konzentrieren will. Das war zwar schade für uns, aber auch total verständlich und deshalb auch gar kein Problem. Wir haben abgemacht, dass wir nicht unnötig Schlagzeilen produzieren müssen und es einfach dann kommunizieren, wenn wir gefragt werden. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum es jetzt zu den Diskussionen gekommen ist, vielleicht war Jule im Moment nach dem Ausscheiden einfach enttäuscht, ich weiß es nicht. Dass sie gesagt hat, ich wäre nicht in ihrer Box gesessen, stimmt, Barbara Rittner und ich saßen vier Reihen dahinter. (lacht) Wir sollten es dabei belassen. Wichtiger ist, dass Jule, Angie und auch Andrea Petkovic signalisiert haben, beim Finalturnier in Ungarn gerne dabei sein zu wollen, das freut mich natürlich. Petko wäre sogar jetzt schon liebend gerne dabei gewesen, aber da sie drei Monate lang kein Match mehr gespielt hat, kam mir das jetzt noch zu früh.

In Brasilien führt jetzt Laura Siegemund das Team an. Und von der Papierform her muss Deutschland das Duell klar gewinnen, zumal die brasilianische Nummer eins, Beatriz Hadda Maia wegen eines positiven Dopingtests aktuell gesperrt ist.

Schüttler: Das ist natürlich immer einfach zu sagen, dass man es klar gewinnen müsste. In Brasilien zu spielen, ist immer eine Herausforderung. Ich erinnere mich, dass ich 2003 in Costa do Sauipe im Halbfinale 7:5 im Dritten gegen Gustavo Kuerten gewonnen habe. Und obwohl ich gewonnen habe, war das kein schönes Erlebnis. Es ist grenzwertig, was die Fans in Brasilien machen. Sie werden ihre Mannschaft extrem anfeuern, darauf müssen wir uns einstellen. Auf dem Papier sind wir sicher der Favorit, aber wir dürfen die Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen und müssen Vollgas geben. Wir hatten in Australien ein sehr schönes Abendessen als Team, es hat sich alles sehr harmonisch angefühlt. Ich bin überzeugt davon, dass wir bereit sein werden.

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