Kommentar zum US-Open-Sieg von Rafael Nadal: Sandplatzspezialist? Quiet, please!

Rafael Nadal ist zum vierten Mal der König von Flushing Meadows.
© getty

Mit seinem Fünfsatzsieg über Daniil Medvedev hat Rafael Nadal zum vierten Mal bei den US Open triumphiert und seinen insgesamt 19. Grand-Slam-Titel gewonnen. Der 33 Jahre alte Spanier ist ein Unikat, ein unfassbarer Kämpfer, fairer Sportsmann und vielleicht der beste Spieler aller Zeiten. Eines ist er aber ganz sicher nicht: ein Sandplatzspezialist. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Stefan Petri.

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Vor genau einem Jahr endeten die US Open für Nadal in bitteren Tränen. Im Halbfinale gegen Juan Martin Del Potro musste der Mallorquiner nach zwei verlorenen Sätzen das Handtuch werfen, höllische Knieschmerzen bedeuteten das Ende. Eben diese Emotionen kamen am späten Sonntagabend in New York City erneut über ihn, doch diesmal waren es Freudentränen. In fünf Sätzen und fast fünf Stunden Spielzeit hatte Nadal seinen widerspenstigen Herausforderer niedergerungen.

Als er anschließend erschöpft auf seiner Bank saß, wurden im Arthur Ashe Highlights seiner Grand-Slam-Titel eingespielt. Nadal starrte wie gebannt auf die Videoleinwand, Begleitet von Standing Ovations und lautem Jubel, bevor er seinen Blick abwendete - und anfing zu schluchzen.

19 Triumphe bei den wichtigsten Turnieren des Jahres bekamen Rafa und die 23.771 Zuschauer zu sehen. Unglaubliche zwölf davon bei den French Open, eine einzigartige Dominanz in der Geschichte des (Tennis-)Sports. Aber eben auch einmal Australien, zwei Wimbledon-Erfolge und mittlerweile viermal Flushing Meadows.

Das macht insgesamt sieben Grand-Slam-Titel auf Rasen und Hartplatz, und führt zu einer unumstößlichen Erkenntnis: Rafa Nadal herrscht zwar über die rote Asche - aber er ist ganz sicher kein Sandplatzspezialist.

Rafael Nadal: Auf Rasen und Hartplatz besser als Becker und McEnroe

Das mag zugegebenermaßen trivial klingen, doch beim Namen Nadal denkt man eben unwillkürlich zunächst an seine Übermacht im Stade Roland Garros. Was dazu führen kann, seine Leistungen bei den übrigen drei Slams nicht angemessen zu würdigen. Dabei ist er auch auf schnellen Belägen längst einer der besten Spieler aller Zeiten.

Zum Vergleich: Nadal hat so viele Majortitel auf Rasen- und Hartplatz gewonnen wie John McEnroe, Jimmy Connors und Andre Agassi - und einen mehr als ausgewiesene Spezialisten wie Stefan Edberg oder auch Boris Becker.

Gerade im Big Apple fühlt sich Nadal unheimlich wohl. Sein zerstörerisches Sandplatztennis hat er längst an den schnelleren Untergrund angepasst, mit flacheren Grundschlägen und einem verbesserten Service. Gegen Medvedev kam er 66 Mal ans Netz, 20 Mal per Serve-and-Volley, und machte zu 78 Prozent den Punkt.

Das Resultat: Im abgelaufenen Jahrzehnt war bei den US Open niemand so erfolgreich wie Nadal. Seit 2010 gewann er gleich viermal. Novak Djokovic kommt im gleichen Zeitraum auf drei Titel, Roger Federer auf keinen einzigen. Sandplatzspezialist? Quiet, please!

Die Sieger der letzten Grand-Slam-Turniere bei den Herren

JahrAustralian OpenFrench OpenWimbledonUS Open
2015Novak DjokovicStan WawrinkaNovak DjokovicNovak Djokovic
2016Novak DjokovicNovak DjokovicAndy MurrayStan Wawrinka
2017Roger FedererRafael NadalRoger FedererRafael Nadal
2018Roger FedererRafael NadalNovak DjokovicNovak Djokovic
2019Novak DjokovicRafael NadalNovak DjokovicRafael Nadal

Die GOAT-Diskussion: Pole Position für Nadal?

In der "Greatest Of All Time"-Diskussion sammelt Nadal so fleißig Argumente. Die Sehnenprobleme im Knie, die ihn wohl für den Rest seiner Karriere verfolgen werden, hatte er in den vergangenen zwölf Monaten im Griff, er scheint das richtige Mittel aus Pausen und Turnierphasen gefunden zu haben. Bezeichnend, dass Djokovic und Federer im Turnierverlauf auch an ihren lädierten Körpern scheiterten, während Nadal im fünften Satz des Endspiels stärker war als sein 23 Jahre alter Gegner.

Ein Slam fehlt ihm noch zu den 20 von Federer, so nah dran am Schweizer war er noch nie. Vielleicht kassiert er ihn Down Under, wo er 2019 das Finale gegen Djokovic verlor. Womöglich legt der Serbe bei seinem Lieblingsturnier wieder nach, und auch Federer sollte man niemals abschreiben, wie er in Wimbledon eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Vorhersagen sind deshalb sinnlos: Die Diskussion um die Vormachtstellung unter diesen drei Legenden, sie scheint von Turnier zu Turnier zu kippen. Im Januar schien Djokovic auf dem Weg zum erneuten "Nole Slam", in Paris war Nadal obenauf. Es folgte ein episches Wimbledon-Finale - und nun liegt wohl Nadal im Rennen um den 21. Grand Slam auf der Pole Position. Wer weiß schon, was in zwölf Monaten sein wird?

Fest steht nur: Die Ära der Big Three, sie geht erst einmal weiter. Die letzten zwölf Slams teilten sich die Großen Drei fast brüderlich auf (Nadal: 5, Djokovic: 4, Federer: 3), auch in Melbourne werden sie den Favoritenstatus innehaben. Fortsetzung folgt ...

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