"Als würde man Wimbledon verlegen"

Steve Davis konnte sich in seiner Karriere insgesamt sechs Mal den WM-Titel sichern
© getty

Am grünen Filztisch ist er eine lebende Legende: Gleich sechs Mal wurde Steve Davis in den 80er Jahren Weltmeister - und hatte damit entscheidenden Anteil am Snooker-Boom in Großbritannien. SPOX traf den 56-Jährigen am Rande eines Schaukampfes in München: Ein Gespräch über seine Anfänge, fehlende Persönlichkeiten im Snooker, und die Unterschiede zwischen deutschen und englischen Fans.

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SPOX: Mister Davis, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Spiel hier in Deutschland?

Steve Davis: Ja, das waren ein paar Trick Shots im Rahmen einer Fernsehsendung. Wir haben in Hamburg gespielt, in einem Klub namens Greens. Das war irgendwann in den 80ern, ist also schon lange her und war noch vor der neuen Snooker-Welle. Wir versuchten, den Deutschen Snooker näherzubringen. Das hat nicht ganz geklappt.

SPOX: Aber es gab auch damals schon Fans?

Davis: Ja. 2004 fing Dragonstars mit dem Turnier in Fürth an. Und dann gab es plötzlich eine wachsende Gemeinde deutscher Snooker-Fans, die von weit her zu diesem dreitägigen Event angereist sind. Da war klar, dass es möglich war, das Ganze noch größer aufzuziehen. Und so kamen Snooker-Stars immer öfter für Showveranstaltungen hierher. Und natürlich hat Eurosport alles verändert, als man entschied, den Sport komplett zu übertragen.

SPOX: Gibt es einen Unterschied zwischen dem deutschen und dem englischen Publikum?

Davis: Ich würde sagen, dass deutsche Fans die Spieler noch mehr zu schätzen wissen. Natürlich haben auch sie ihre Lieblinge, aber alle bekommen die gleiche Chance - und wenn ein Spieler das Publikum beeindruckt, dann gibt es Beifall. Als relativ neues Publikum sind sie dankbarer und urteilen anders über die Spieler.

SPOX: Und wie ist es im UK?

Davis: Dort wird Snooker schon seit 30, 35 Jahren gezeigt, die Zuschauer sind damit aufgewachsen. Vielleicht ist es für die Zuschauer deshalb schon ein kleines bisschen fad. Vielleicht haben sie schon mehr gesehen, als für sie gut ist. Das könnte in Deutschland irgendwann auch passieren, aber derzeit ist der Respekt vor uns noch sehr groß.

SPOX: Stichwort Fernsehen: Sie waren der erste Profi, dem live ein Maximum Break gelang.

Davis: Das stimmt. Mittlerweile sind wir etwas weiter: Mark Selby hat im Dezember die 100 voll gemacht. An viel kann ich mich nicht mehr erinnern, das war 1982. Aber das Preisgeld, das hat sich über die Jahre auch ganz schön verändert: Bevor die erste 147 geschafft wurde, lobten die Turniere immer größere Prämien aus, bis es irgendwann soweit war, dass man bei der WM für ein Maximum 147.000 Pfund bekam. Das haben zwei oder drei Spieler geschafft, glaube ich. Aber dann wurde den Veranstaltern klar, dass es einfach zu viele werden. Deshalb gingen die Summen herunter, und jetzt ist es ein bisschen wie im Lotto: Je seltener die 147, desto größer das Preisgeld.

SPOX: Was haben Sie damals bekommen?

Davis: Es war natürlich sehr schön, es als Erster zu schaffen, aber unglücklicherweise wurde das Turnier von einem russischen Autohersteller gesponsert - und deshalb bekam ich einen Lada.

SPOX: Und? Haben Sie ihn behalten?

Davis (lacht): Nein, ich habe ihn meinen Eltern gegeben. Ich fuhr damals einen Porsche, da ist mir die Entscheidung natürlich sehr schwer gefallen.

SPOX: Beim Snooker verbringt man die Hälfte der Zeit auf seinem Stuhl...

Davis: Hoffentlich weniger.

SPOX: Richtig. Aber ganz ehrlich: Was macht man in der Zeit? Einkaufslisten erstellen? Meditieren?

Davis: Man spielt die Stöße des Gegners im Geist mit. Man denkt immer darüber nach, welcher Stoß möglich ist, wo man auf ein Problem treffen könnte. Man schaltet also nicht einfach komplett ab - wobei man das schon kann. Manch einer macht das auch und schaut sich den Tisch nicht an. Aber normalerweise geht man die Stöße mental mit und hofft auf einen Fehler oder eine falsche Stellung des Gegners. Es gibt aber auch Situationen, da weiß man, dass der Frame entschieden ist und konzentriert sich schon auf den nächsten.

SPOX: Man merkt Ihnen an, dass Sie an Showmatches wie hier in München Spaß haben...

Davis: Ja. Ich baue für das Publikum auch mal Clown-Elemente in mein Spiel ein. Solche Veranstaltungen sind schließlich eine tolle Sache.

SPOX: Dabei hatten Sie in Ihren Anfängen noch einen ganz anderen Ruf - und einen ganz besonderen Spitznamen.

Davis: Das stimmt.

SPOX: Wie kam es zu Steve "Interesting" Davis?

Davis: Ich gewann damals fast alle Turniere und zeigte in meinem Spiel kaum Emotionen - was übrigens auch heute noch so ist: Im Turnier mache ich keine Faxen, meine lustigen Seiten zeige ich dann bei Showmatches. Ich hatte also schnell diesen Ruf weg, der mir dann vorauseilte: langweilig, humorlos und so weiter. Aber wenn ich die Chance bekomme, dann zeige ich auch gern meine anderen Seiten.

Seite 1: Davis über Snooker in Deutschland und sein erstes Maximum

Seite 2: Davis über Ronnie O'Sullivan und den Snookerboom in China