"Wird mit Geld um sich geschmissen"

Stefan Bradl ist seit 2012 in der MotoGP unterwegs
© getty

Die Motorrad-WM 2014 ist vorbei. Für Stefan Bradl endet damit ein weitestgehend enttäuschendes Jahr. Im Interview spricht der MotoGP-Pilot über die eigenen Ansprüche, Weltmeister Marc Marquez und zieht einen Vergleich mit der Formel 1.

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SPOX: Stefan, die Saison 2014 ist seit dem Wochenende beendet. Sie haben die WM als Neunter abgeschlossen, im Jahr davor wurden Sie Siebter, 2012 sprang Platz acht heraus. Passt das Wort Stagnation?

Stefan Bradl: Nein, jede einzelne Saison verlief unterschiedlich. 2013 hatte ich gute Aussichten auf Platz fünf, bin aber dann verletzungsbedingt zwei Rennen nicht gefahren und daher zurückgefallen. Der neunte Rang in diesem Jahr ist natürlich schon enttäuschend. Man muss klar sagen, dass ich mit der Entwicklung absolut nicht zufrieden bin. Vor allem die vielen Ausfälle waren bitter. Das entspricht nicht meinen Ansprüchen.

SPOX: Sie wechselten 2011 mit dem WM-Titel in der Moto2 in die Königsklasse. Haben Sie die MotoGP unterschätzt?

Bradl: Die MotoGP hat sich in den vergangenen drei Jahren sehr verändert. Das Feld ist viel enger zusammengerückt, unter anderem durch die Regeländerungen. Das ist gut für den Sport, aber ein einzelner Athlet tut sich schwer, weil das Mittelfeld deutlich stärker ist. Die MotoGP ist kein Kindergeburtstag, aber das wusste ich auch vorher.

SPOX: Ihr größter Erfolg in der MotoGP war bislang die Pole und der zweite Platz beim Rennen in Laguna Seca im Jahr 2013. War der erste Podestplatz eine Erlösung für Sie?

Bradl: Das lag damals schon länger in der Luft, aber zuvor hatte immer ein bisschen gefehlt. Das war dann eine echte Erlösung, ganz klar. Leider habe ich mir kurz danach den Knöchel gebrochen, diese Serie setzte sich ein bisschen fort. Es ging bei mir in den drei Jahren schon häufig von weit oben nach ganz unten - eine klassische Berg- und Talfahrt.

SPOX: Sie sprechen Ihre Verletzungen an. In diesem Jahr hatten Sie schon Ihre zweite Unterarm-OP. Wissen Sie eigentlich noch, wie viele Operationen es insgesamt waren?

Bradl: Da müsste ich wirklich mal nachzählen (lacht). Sechs bis sieben waren es bestimmt schon, dazu kam dann noch die gleiche Anzahl, um eingesetzte Metall-Teile wieder zu entfernen. Der Körper wird ganz schön beansprucht. Stürze wegzustecken ist definitiv nicht einfach. Eine gewisse Grundgefahr besteht immer, auch wenn die Rennen durch Auslaufzonen und Airbags sicherer geworden sind. Ich versuche, mich damit nicht zu beschäftigen, aber wenn etwas passiert, dann muss man gleich wieder aufs Motorrad steigen und weiterfahren.

SPOX: So scheint auch der alles überragende Fahrer in dieser Saison, Marc Marquez, zu handeln. Jener Marquez, den Sie 2011 in der Moto2 noch bezwingen konnten. Wie lautet sein Geheimnis?

Bradl: Er hat die MotoGP auf ein anderes Level gehoben und mit seinem Fahrstil neue Grenzen abgesteckt. Das Paket mit Honda passt wie die Faust aufs Auge, mit seinem Talent hat er die Etablierten wie Dani Pedrosa und Valentino Rossi auf Anhieb in den Schatten gestellt. Solche Fahrer gibt es nicht alle Tage. Er ist das neue Wunderkind der MotoGP.

Marc Marquez im Porträt: Der mit dem Hinterrad jongliert

SPOX: Sie haben früher ebenfalls das Ziel ausgegeben, MotoGP-Weltmeister zu werden. Sind Sie davon inzwischen abgerückt?

Bradl: Es war sehr unrealistisch, in diesem Jahr den Titel zu holen. Und das wird auch in der nächsten Saison der Fall sein. Man muss für ein Werksteam fahren, ansonsten hat man keine Chance. Ich habe bis heute keine Möglichkeit bei Honda oder Yamaha bekommen, aber ich habe mich auch nicht wirklich empfohlen, insbesondere die Ergebnisse in diesem Jahr waren einfach nicht ausreichend.

SPOX: Zur kommenden Saison beginnt für Sie hoffentlich eine erfolgreichere Ära. Ihr Weg führt sie von LCR zu Forward Yamaha. Ist das neue Team ein Fortschritt oder ein Rückschritt?

Bradl: Weder noch. Es geht eher in eine andere Richtung. Forward startet in der Open-Klasse und genießt gegenüber den Werksteams die Vorteile der weicheren Reifen, des größeren Tankinhalts und der zusätzlichen Motoren. Aber das Ziel wird das gleiche bleiben: Ich sehe die Chance, wie in diesem Jahr wieder unter die Top Ten zu kommen. Nur der Weg dorthin wird ein wenig anders sein.

SPOX: Es hieß, LCR-Teamchef Lucio Cecchinello hätte Sie gerne im Team behalten und hatte auch einen Sponsor gefunden. Warum kam es trotzdem zur Trennung?

Bradl: Zu dem Zeitpunkt, als Cechinello das gesagt hat, war noch nicht klar, wie ich mich entscheiden würde. Der britische Hauptsponsor, der bei LCR eingestiegen war, wollte Cal Crutchlow verpflichten und das Interesse an Jack Miller war auch schon früh ersichtlich. Da habe ich gemerkt, dass ich bei LCR nicht mehr erste Wahl bin, und mich nach Alternativen umgeschaut. Nach drei Jahren ist es vielleicht auch gar nicht schlecht, mal etwas Neues auszuprobieren.

SPOX: War ein Grund für den Wechsel auch, dass Sie sich bei Yamaha größere Aufstiegschancen auf eine Werksmaschine erhoffen? Es gibt ja schon länger Gerüchte, dass Jorge Lorenzo zu Ducati wechseln könnte.

Bradl: Das kann man so nicht sagen. Das Spekulieren geht bei uns schon immer sehr früh in der Saison los. Wenn ich sehe, dass Sebastian Vettel immer noch nicht offiziell bekannt gegeben hat, dass er zu Ferrari wechselt - das wäre bei uns nicht denkbar. Ich schaue einfach, wie ich mit dem neuen Motorrad zurechtkomme. Dann kann ich mir über die nächsten Schritte Gedanken machen.

SPOX: Lassen Sie uns noch mal auf die neuen Regelungen der Open-Klasse im Kampf gegen die Werksteams und deren Elektronik zu sprechen kommen. Ist das nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Bradl: Nein, man hat es ja bei Ducati gesehen. Die sind Schritt für Schritt näher herangekommen. Über die Saison gleichen sich die Vor- und Nachteile aus. Aleix Espargaro hat auf der Forward Yamaha auch Pole-Positions geholt, so schlecht kann das Paket also nicht sein.

SPOX: Hat der Sport nicht ein grundlegendes Problem, wenn durch Regeln eingegriffen werden muss, damit die Open-Teams überhaupt halbwegs konkurrenzfähig sind?

Bradl: Ich glaube, es führt kein Weg daran vorbei. Der Unterschied zwischen Honda und Yamaha, die auf Werksunterstützung zurückgreifen können, und den anderen Teams ist einfach viel zu groß. Die Werksteams sind für die Sponsoren am interessantesten und locken natürlich auch die besten Fahrer an. Die Satelliten-Teams können nicht mithalten. Das ist in der Formel 1 genauso.

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