DTM-Pilot Mike Rockenfeller im Interview: "Sim-Racing macht süchtig"

Von Andreas Reiners
Mike Rockenfeller gewann 2013 die Fahrerwertung in der DTM.
© imago images

Rennfahrer Mike Rockenfeller (36) gewann 2005 die GT2-Wertung der FIA-GT-Meisterschaft und 2008 die LMP1-Klasse der Le Mans Series. Seit 2007 geht er in der DTM an den Start, seit 2012 für Phoenix Racing. Ein Jahr später entschied er die Fahrerwertung der DTM für sich. Aufgrund der verlängerten Winterpause ist Rockenfeller auch intensiver ins Sim-Racing eingestiegen.

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Im Interview spricht er über das Sim-Racing als Ersatzdroge, seine Investitionen in einen Simulator und die Gründung einer eigenen Rennserie.

Außerdem blickt der 36-Jährige aus Neuwied auf seine Rennkarriere zurück, die auch von zwei schweren Unfällen geprägt ist sowie auf die Zukunft der DTM und Formel 1.

Mike Rockenfeller, seit Wochen bleibt Ihnen nur der eigene Simulator: Ist das eine geeignete "Ersatzdroge"?

Mike Rockenfeller: Ich habe im vergangenen Oktober damit angefangen. Meine Mechaniker haben immer davon erzählt und habe mir zusammen mit ihnen einen Simulator zusammengestellt. Man muss ganz klar sagen: Das macht süchtig, ich wurde vom Sim-Racing regelrecht infiziert. Denn die Strecken sind mega realistisch und du kannst Autos fahren, die es gar nicht mehr gibt oder die du nie fahren wirst. Und das gegen Leute, die überall auf der Welt verstreut sind.

Es gibt verschiedene Herangehensweisen an das Sim-Racing. Welche ist Ihre?

Rockenfeller: Es gibt da theoretisch keine Grenzen, sowohl was die Ausrüstung, als auch auf den Aufwand betrifft. Ich bin aber nicht derjenige, der von morgens bis abends im Simulator sitzt. Im Grunde geht es in erster Linie um Spaß, aber auch um Training. Aber es ist verrückt, und das habe ich unterschätzt: Ich bin mental im Thema drin, bin nervös, angespannt, Fehler werden bestraft, und da ist viel Adrenalin im Spiel. Es ist faszinierend, wie man seine Sinne schult.

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Wie viel haben Sie in Ihren Simulator investiert?

Rockenfeller: Ich habe knapp 6000 Euro dafür ausgegeben. Bei den Pedalen und beim Lenkrad habe ich viel investiert, weil sie sehr gut sein und auch einige Jahre halten sollen. Das ist viel Geld, aber es ist auch mein Beruf. Ein richtig teures Equipment jenseits der 10.000 Euro geht auch, macht dich aber nicht unbedingt schneller. Ich wollte für mich vor allem ein Gefühl wie in einem richtigen Rennwagen haben.

Sind die Emotionen beim Sim-Racing vergleichbar mit der Realität?

Rockenfeller: Es ist nicht so ausgeprägt, aber im Ansatz schon, es geht in die gleiche Richtung. Was klar ist: Das Fehlerpotenzial ist höher, ich bin noch nie so oft eingeschlagen in meinem Leben wie in den vergangenen Wochen. (lacht)

Rockenfeller: "Wenn das Setup nicht stimmt, hast du keine Chance"

Wie viel Ehrgeiz ist denn dabei?

Rockenfeller: Bei mir ist es weniger, weil ich zu wenig Zeit investiere. Das wäre falscher Ehrgeiz. Beim Sim-Racing ist es extrem: Wenn dein Setup nicht stimmt, und das ist wie im echten Leben auch, dann hast du keine Chance. Und dafür musst du extrem viel Zeit investieren, um das Thema zu verstehen. Dafür müsste ich mich noch mehr reinfuchsen.

Gibt es denn sportliche Ziele, die Sie sich setzen?

Rockenfeller: Nein, nicht wirklich. Wobei: In der VLN war ich hinterher schon das eine oder andere Mal enttäuscht und angefressen. Da hat sogar meine Frau zu mir gesagt: 'Dann lass es lieber sein, wenn du jetzt noch schlecht gelaunt bist, obwohl du vier Stunden in dem Ding gesessen hast.' (lacht) Wir hatten uns nicht weiterentwickelt, das Setup hat nicht gepasst, das Ergebnis war nicht gut oder ich habe einen Fehler gemacht. Insgesamt ist das alles aber relativ entspannt bei mir.

Sie haben sogar eine eigene Rennserie gegründet...

Rockenfeller: Ich bin ganz grundsätzlich von dem Thema sehr überzeugt. In der Coronakrise haben wir überlegt, etwas Positives zu gestalten und haben die #RaceHome-Serie für einen guten Zweck ins Leben gerufen. Gespielt wird auf der PlayStation 4, das Spiel Gran Turismo mit dem Audi e-Tron Vision. Mit dabei sind alle sechs DTM-Fahrer sowie Gaststarter, insgesamt 15 Fahrer. Man merkt, wie viele Leute Sim-Racing machen und wie viele Menschen man damit anspricht.

Welche Plattform macht in der virtuellen Welt am meisten Spaß?

Rockenfeller: Ich bin viel bei iRacing, ein wenig auf rFactor, bei RaceRoom auch. Jede Plattform hat ihre Eigenheiten, man darf sich da auch nicht verzetteln. iRacing finde ich cool, es hat aber auch ein paar Dinge, die nerven. Die Fahrphysik ist gut, grafisch ist es auch ordentlich. Was mir fehlt, ist die Autovielfalt, ich würde zum Beispiel gerne ältere Autos fahren. Trotzdem ist es faszinierend, wie sich das Ganze entwickelt hat, auch was die Strecken betrifft, jede Bodenwelle, jeder Kerb.

Gibt es dann noch Unterschiede zum Simulator bei Audi?

Rockenfeller: Das ist gar nicht mehr so weit weg. Im Prinzip ist es das gleiche Gerät, das ich zu Hause habe. Nur mit dem Unterschied, dass der Simulator bei Audi noch viel genauer an der Realität ist und man ein paar Kleinigkeiten mehr zur Verfügung hat wie einen Gurtstraffer zum Beispiel. Aber was das Feedback in der Lenkung angeht, steht mein Simulator dem großen in nichts mehr nach.

Rockenfeller über Sim-Racing: "Ist quasi wie in der Realität"

Haben Sie schon etwas mitnehmen können für das echte Leben?

Rockenfeller: Du schulst in Zweikämpfen und Überholmanövern permanent deinen Kopf. Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal in Austin gefahren, in der WEC für Corvette. Und da konnte ich mich in meinem Simulator auf die Strecke vorbereiten, die ich noch nicht kannte. Und das hat tatsächlich extrem geholfen.

Sie sind am Wochenende wieder in der Digitalen Langstreckenserie unterwegs. Wie nah kommt der Nürburgring virtuell dem echten Erlebnis?

Rockenfeller: Das ist quasi wie in der Realität, vor allem wenn du beim Fahren in deinem Tunnel bist. Das ist echt unglaublich und brutal nah dran.

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