Boxen - Schwergewichts-Europameister Agit Kabayel im Interview: "Anthony Joshua war baff!"

Kabayel ist aktueller Europameister im Schwergewicht (EBU)
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Hatten Sie - abgesehen von Sylvester Stallone als "Rocky" - boxerische Vorbilder, denen Sie nachgeeifert haben?

Kabayel: Eigentlich nicht. Ich hatte nie so ein Vorbild, dem ich nachgeeifert habe oder dessen Stil ich imitiert habe. Aber natürlich hat man Muhammad Ali gefeiert, natürlich hat man Mike Tyson gefeiert. Und für mich einer der besten Schwergewichtler aller Zeiten, über den viel zu wenig geredet wird, ist Lennox Lewis.

Der auch neben Boxlegenden wie Max Schmeling und den Klitschko-Brüdern den EM-Gürtel hatte und anschließend Weltmeister wurde. Wie ist es, einen solchen prestigeträchtigen Titel zu gewinnen?

Kabayel: Man realisiert das erst einmal gar nicht. Bei meiner Titelverteidigung gegen Chisora habe ich mich riesig gefreut. Du fährst nach Monaco, boxt außerhalb und schlägst jemanden bei seiner eigenen Veranstaltung. Dann kommst du zurück und realisierst, wen du geschlagen hast. Als man ein kleines Kind war, hat man ihn im Fernsehen gesehen, wie er gegen Klitschko boxt. Und dann schlägst du diesen Mann, das kann dir keiner mehr nehmen.

Dennoch war die mediale Aufmerksamkeit danach in Deutschland nicht groß.

Kabayel: Das ist immer das Problem. Schlägst du einen guten Mann, sagen die Leute, er sei zu alt gewesen, er konnte nichts mehr, er war doch sowieso schlecht. Povetkin beispielsweise marschiert durch alle Leute, kämpft dann gegen Joshua, der knockt ihn aus, was sagen die Leute? Povetkin war zu alt. Ich bringe Rudenko erstmals auf den Boden und bin mir sicher, auch das wird schlechtgeredet. Die Leute haben immer was zu meckern.

Schwergewichts-Europameister Agit Kabayel im SPOX-Interview
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Schwergewichts-Europameister Agit Kabayel im SPOX-Interview

Kabayel über fehlenden Support der Box-Fans

In der Vergangenheit gab es immer wieder Boxer, die sich selbst einen deutschen Ringnamen gegeben haben, um mehr mediale Präsenz in Deutschland zu bekommen. Sie haben kritisiert, dass deutsche Fußballfans toleranter sind als Box-Fans, da deutsche Fußballer mit ausländischen Namen schneller akzeptiert werden. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, unter einem anderen Ringnamen zu boxen?

Kabayel: Nein, das ist keine Option für mich. Es ist so, der Boxsport in Deutschland ist nicht mehr in der schönsten Zeit. Ich boxe für Deutschland, ich bin in Deutschland geboren, meine Kinder werden hier aufwachsen. Das Problem ist mein Name, das ist so. Wollen die Leute lieber einen haben, der normalerweise Hakan heißt, sich aber in Hans umbenennt, obwohl er keinen deutschen Pass hat? Oder lieber einen, der einen deutschen Pass hat, aber keinen deutschen Namen? Es fehlt der Support der deutschen Box-Fans. Die Engländer machen uns das seit Jahren vor. Das beste Beispiel ist Anthony Joshua. Er ist der Sohn nigerianischer Einwanderer, sieht nicht wie ein Engländer aus und wird dort trotzdem unglaublich gepusht. Das ist krass. Aber das Leben geht weiter. Ich sage immer: Weiter Gas geben, weiter kämpfen und ganz oben anklopfen. Vielleicht werden sie mich irgendwann akzeptieren.

IBF: Das aktuelle Ranking im Schwergewicht

Weltmeister: Anthony JoshuaBilanz: 22-0-0 (w-l-d)
1. Kubrat Pulev26-1-0
2. NOT RATED
3. Agit Kabayel19-0-0
4. Adam Kownacki19-0-0
5. Otto Wallin20-0-0

Kabayel über die Chance auf einen WM-Kampf

Kann Agit Kabayel Anthony Joshua in einem WM-Kampf schlagen?

Kabayel: Zu 100 Prozent. Wenn du eine gute Deckung hast und dich sehr gut bewegst, kannst du ihn schlagen. Du machst ihn nur stark, wenn du in einer langen Distanz mit ihm boxt. Weil in dieser kurzen Distanz, wenn jeder denkt, er wäre so explosiv, so stark, das liegt ihm nicht. Er ist ein großer Mann und du kannst ihm sehr wehtun auf den Körper. Das hat Povetkin falsch gemacht. Er ist reingegangen, hat seine Situationen geschlagen und ist rausgegangen. In diesen Momenten hat ihn Joshua mit dem Jab getroffen oder mit der Rechten. Er hätte drinbleiben und seine Kombinationen schlagen müssen. Da kann nichts passieren. Wenn du ihn zermürbst, merkt man, wie er konditionell immer zusammenbricht. Nicht nur, weil ich mit ihm Sparring gemacht habe, traue ich mir schon zu, ihn zu boxen. Wenn ich das nicht machen würde, was mache ich dann hier? Warum boxe ich? Ich gebe mich nicht mit dem Europameister-Gürtel zufrieden. Ich will natürlich auch um die Weltmeisterschaft boxen und will auch Weltmeister werden.

Ihr Trainer sagt, Sie wollen jetzt die ganz großen Kämpfe.

Kabayel: Er meinte, dass wir jetzt jemanden aus den Top 10 boxen. Ich denke mir einfach: Wie lange willst du denn noch deine Bilanz aufbauen? Wie lange willst du noch Aufbaugegner boxen? Willst du auf 26:0 kommen und dann boxt du jemanden aus den Top 5, verlierst und stehst bei 26:1? Lieber weißt du schon vorher, dass du da oben nichts verloren hast, anstatt die ganze Zeit aufgebaut worden zu sein und nur für Müll Geld investiert worden ist. Mein nächster Gegner soll schon ein Guter sein. Ich bin jetzt auf Platz zwei in der IBF. Die müssen mir jetzt einen Kampf geben, dass ich gegen jemanden boxe und der Gewinner von uns gegen Joshua boxt. Die müssen mir den Kampf geben. Eventuell wird es Pulev sein. Die Tür steht sehr, sehr weit offen nach ganz oben.

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