"Thrilla in Manila": Es war Krieg

Muhammad Ali (l.) und Joe Frazier lieferten sich eine epische Schlacht
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Als sich am Mittwoch, den 1. Oktober 1975, der Nebel der Nacht über Manila noch nicht gelegt hatte, die Sonne die Stadt allerdings schon zum Kochen brachte, bevölkerten bereits über 28.000 Zuschauer das Araneta Coliseum. An Fortbewegung war ab einem gewissen Zeitpunkt nicht einmal auf den Gängen zu denken. Selbst auf Teilen der Dachkonstruktion hatten sich Fans einen Platz ergattert.

Um dem TV-Markt in den Staaten aufgrund der Zeitverschiebung gerecht zu werden, fand das Duell morgens statt. Eine Entscheidung, die von beiden Boxern ihren Tribut fordern sollte.

Bereits nach kurzer Zeit quittierten die völlig überlasteten Klimaanlagen ihren Dienst und durch die Sonneneinstrahlung erhitzte das Aluminiumdach das Innere immer weiter. Zusammen mit den Scheinwerfern ergab sich ein menschenfeindliches Umfeld von weit mehr als 40 Grad, das gekoppelt mit einer erdrückenden Luftfeuchtigkeit sogar den Zuschauern jede Bewegung erschwerte.

"Wir mussten gegeneinander kämpfen - und gegen die Hitze", blickte Frazier Jahrzehnte später zurück. Dennoch war Ali noch zu Spielchen aufgelegt, als er etwa die Siegestrophäe aus der Mitte des Rings mit in seine Ecke nahm. Frazier, der inzwischen auch das Publikum auf seiner Seite hatte, hingegen schien das alles nicht zu interessieren. Er hatte nur ein Ziel: Er wollte Ali auseinandernehmen, ihm wehtun. "Viele sprachen von einem Kampf, dabei war es ein Krieg", brachte er selbst auf den Punkt.

Genug geredet

Mit dem ersten Gong änderten sich die Gesichtszüge Alis allerdings schlagartig. Aus dem spielerischen Selbstdarsteller wurde der Boxer, der nicht umsonst den Titel als The Greatest trägt. Sein Trainer Angelo Dundee sagte später, dass er seinen Schützling "noch nie so aggressiv" erlebt habe wie in diesem Moment. Auch BBC-Moderator Harry Carpenter stimmte zu. Der legendäre Shuffle blieb aus, stattdessen war Ali auf Krawall gebürstet.

Bereits nach wenigen Sekunden schlugen die ersten Kombinationen ein. Neben den Jabs brachte Frazier vor allem die Rechte aus der Balance. "Ist das alles, was du drauf hast", erinnerte sich der 41-jährige Ringrichter Carlos Padilla an den Trash-Talk des Champions noch während der ersten Runden: "Du hässlicher Gorilla, schlag mich." Alis Plan, seinen Rivalen zu provozieren und dann auszuknocken, schien aufzugehen.

Er hatte die Rechnung ohne seinen Kontrahenten gemacht. Jeder Treffer schien Frazier nur noch zusätzlich zu motivieren. Der Außenseiter marschierte nach vorne, setzte Ali mit harten Schlägen auf dessen Körper sowie krachenden Haken in Richtung Kopf ein ums andere Mal zu. Die Spielchen, die dieser in den ersten drei Runden sehr zur Freude des Publikums betrieben hatte, waren beendet. Das Blatt schien sich zu wenden.

Ein schmerzhafter Irrglaube

Der Plan von einem schnellen Knockout war dahin. Stattdessen setzte Ali nun auf die im Foreman-Kampf gezeigte "Rope-a-Dope"-Taktik. Mit dem Rücken an den Seilen verschanzt bot er dem Gegner Raum, seine Wut zu entladen und setzte auf Konter. Die Schläge prasselten im Vergleich zu denen von Foreman jedoch nicht ziellos auf ihn ein, stattdessen hatte es der Herausforderer auf seinen Körper abgesehen.

Getreu dem Motto: "Wenn du den Körper tötest, dann stirbt auch der Kopf", zielte Frazier auf Niere, Leber sowie Hüftpartie seines Gegners, um so dessen Bewegungsfähigkeit einzuschränken und ihn gleichzeitig zu zermürben. Doch wieder gab es Trash-Talk: "Sie haben mir gesagt, Joe Frazier sei fertig", stichelte Ali. "Da haben sie gelogen", lautete die trockene Antwort Fraziers, die von seinen Fäusten nur Sekunden später eindrucksvoll untermauert wurde.

Sechs Runden lang bestrafte Frazier seinen Gegner für all das, was geschehen war. Für all die diskreditierenden Aussagen, Beschimpfungen und Verhöhnungen. Er war überall mit seinen Fäusten, ein Schlag härter als der andere. Wieder und wieder. Am Ende des Kampfes waren es 440, brechen konnten sie Ali nicht.

"Ich habe ihn mit Schlägen getroffen, die eine Stadtmauer zum Einsturz gebracht hätten", verstand Frazier beim Ansehen der TV-Aufzeichnung die Welt auch Jahre später nicht. Als die Unruhe in der Ecke des Champions mit jedem Treffer zunahm, erreichte das Geschehen im Ring eine andere Ebene. Vom Schlagabtausch gezeichnet war es von nun an eine schiere Frage des Willens beider Kontrahenten.

Der Anfang vom Ende

Während Alis Beweglichkeit durch die Körpertreffer eingeschränkt war, hatte Frazier mit einem größeren Problem zu kämpfen. Sein rechtes Auge schwoll an, ein Cut kam erschwerend hinzu. Da das linke bereits vor Jahren in Mitleidenschaft gezogen worden und die Sehfähigkeit deutlich vermindert war, schloss sich für ihn nicht nur ein Auge, sondern auch ein Zeitfenster.

Nach zwölf Runden sagte Frazier Futch, der als einziger von dem Problem mit dem linken Auge wusste, dass er kaum mehr in der Lage sei, etwas zu sehen. Vor allem Alis Haken, die nun nahezu immer ins Ziel fanden, kamen für Frazier völlig aus dem Nichts. Versuche, seinen Körper anders zu positionieren, machten ihn nur noch anfälliger für die gezielten Schläge seines Gegenübers.

In der drittletzten Runde wurde Frazier sogar so hart getroffen, dass sein Mundschutz bis auf die Pressetribüne flog. Er blieb zwar stehen, in seiner Ecke schrillten jedoch spätestens jetzt sämtliche Alarmsirenen. Der ehemalige Olympiasieger war nahezu blind, blutete zudem aus dem Mund und verkam langsam aber sicher zum Punching Bag seines Gegners.

Dennoch war er weiter im Vorwärtsgang, getrieben von Herz und Instinkt. "Ich gab ihm noch diese eine Runde", erinnerte sich Futch: "Ali musste doch irgendwann nachlassen, er musste einfach ein wenig langsamer werden." Er sollte irren.

Dem Tod so nah

"Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so nah dran war, einen anderen zu töten", ließ Pacheco, der Arzt in Ecke des Champions, die 14. Runde für HBO Revue passieren. Selbst einige Reporter am Ring konnten kaum mehr hinsehen. Unter die Faszination mischte sich eine erschreckende Kälte. Es waren Kombinationen Alis, die Frazier ein ums andere Mal durchschüttelten und wohl jeden anderen Kampf beendet hätten.

"Frazier weiß nicht mehr, wo er ist, oder was er tut", schallte es bei den amerikanischen Zuschauern aus dem TV, während Padilla einen gezeichneten Frazier mehr oder weniger in dessen Ecke führte. Doch auch Ali war am Ende seiner Kräfte, hatte seinem Körper in der bedingungslosen Offensive der letzten Runden alles abverlangt und in den vergangenen 14 Runden fünf Kilo an Flüssigkeit verloren.

Als er auf seinen Stuhl sank, forderte er seine Ecke auf, dass "man ihm seine Handschuhe aufschneiden solle", erinnerte sich Pacheco. "Es war wie das, was dem Sterben am nächsten kommt", sagte er selbst nach dem Kampf. Während Ali haderte, spielte sich in der gegenüberliegende Ecke ein Drama ab. "Ich wollte nicht, dass ihm etwas zustößt", blickte Futch, der selbst acht Kämpfer im Ring hatte sterben sehen, zurück: "Er war an einem Punkt, an dem ein Schlag den Tod hätte bedeuten können."

Deshalb drückte er den sich erhebenden Frazier zurück auf dessen Stuhl. "Setz dich", sagte er mit Tränen in den Augen: "Niemand wird jemals vergessen, was du heute geleistet hast". Dann signalisierte er Padilla, dass sein Schützling zur 15. nicht mehr antreten werde.

"Es war wie der Tod", flüsterte ein erschöpfter Ali, dessen Kreislauf noch im Ring kollabiert war, Stunden nach der Schlacht. Er hatte Recht. Es war der Tag, als das Feuer in Frazier erlosch, ein Teil des wohl größten Kämpferherzens seiner Generation starb. Beide standen nach dem "Thrilla in Manila" wieder im Ring, die selben waren sie allerdings nie wieder.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 1. Oktober 2015 auf SPOX. Anlass war der 40. Jahrestag des "Thrilla in Manila".

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