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NBA - Phoenix Suns in der Krise: Ist der Zug für die einstigen "Bright Future Suns" schon abgefahren?

Von Philipp Jakob
Chris Paul und Deandre Ayton müssen einen Weg aus der derzeitigen Krise finden.
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Vor ein paar Jahren gehörte die Zukunft noch den Phoenix Suns. In der Gegenwart hat das Team von Devin Booker und Chris Paul aktuell jedoch nichts mit einem Titelanwärter gemein. Es gibt eine leichte Ausrede für die Krise, doch die Wahrheit ist komplexer. Droht nun sogar der große Knall?

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"Bright Future Suns" - das war einmal. Diesen Spitznamen erarbeitete sich das Team einst mit einem perfekten Bubble-Run (8-0 in Disney World zum Ende der regulären Saison 2020). Sie bestätigten ihn mit einem Trip in die NBA Finals im Jahr darauf, in der ersten Saison mit Chris Paul. Sie schienen angekommen in der glänzenden Gegenwart, als sie die reguläre Spielzeit 2021/22 mit 64 Siegen dominierten.

Nicht mal neun Monate ist das nun her, gefühlt sind aber Jahre vergangen, in denen gleich mehrere Stürme durch die Wüste Arizonas fegten. Angefangen mit dem Game-7-Debakel in der zweiten Playoff-Runde gegen die Mavs, als Phoenix mit -33 unterging. Dann das Offseason-Drama um die Vertragsverlängerung von Deandre Ayton, ein Rassismus- und Sexismus-Skandal um Teambesitzer Robert Sarver, eine bis heute unerfüllte Trade-Forderung und der Boykott von Vorjahres-Starter Jae Crowder. Und Verletzungen.

All das führt uns zur ersten Hälfte der Saison 2022/23, in der Phoenix eigentlich erneut nach dem ersten Titel der Franchise-Geschichte und damit der Krönung der "glänzenden Zukunft" greifen wollte. Die Realität sieht Mitte Januar düster aus.

Zwölf Niederlagen aus den vergangenen 14 Spielen stehen zu Buche, eine Saisonbilanz von 21-24, gerade so ein Play-In-Platz. Eine durchschnittliche Offense (114,3, Platz 15 laut Cleaning the Glass), eine leicht unterdurchschnittliche Defense (114,7, Platz 19) und damit Platz 20 im Net-Rating (-0,4). Eine 30-Punkte-Klatsche gegen Memphis, eine Pleite mit 29 Zählern gegen Denver. Von einem Titelanwärter sind die Suns aktuell so weit entfernt wie Phoenix vom Ozean. Aber warum ist das so? Und können die Suns die Wende noch schaffen?

Devin Booker ist schon seit Wochen zum Zuschauen gezwungen - auch das ist ein Grund für die Suns-Krise.
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Phoenix Suns: Ohne Devin Booker auf einmal zweitklassig

In Anbetracht der aktuellen Lage vergisst man leicht, dass es vor nicht allzu langer Zeit noch deutlich rosiger aussah. Anfang Dezember, nach einem 16-7-Start, grüßten die Suns von der Spitze der Western Conference. Dann jedoch begann der freie Fall und man kommt nicht umhin, das Verletzungspech als einen Teil der Wahrheit anzuerkennen.

Franchise-Star Devin Booker hat aufgrund anhaltender Leistenprobleme 16 der 45 Partien verpasst und wird noch eine Weile fehlen. Chris Paul (Hüfte) steht bei 19 verpassten Partien, Backup-Guard Cameron Payne bei 17 - das ist jeweils mehr als ein Drittel der bisherigen Saison. Cameron Johnson verletzte sich sogar schon nach acht Spielen am Meniskus, musste unters Messer und fiel entsprechend lange aus. Dabei sollte der Dreierspezialist eigentlich Crowder in der Starting Five ersetzen, der bis zu einem Trade als verschenkter Kaderplatz nur auf dem Papier Teil des Teams ist.

Vor allem Booker wird nun aber schmerzlich vermisst. Ohne den dreimaligen All-Star ist Phoenix aufgeschmissen. Mit einem komplett gesunden Booker stehen die Suns bei 18-10 und in seinen 1002 gespielten Minuten bei +120. Die genau gegensätzliche Bilanz ohne ihn: 3-14 und -101 in 1173 Minuten.

Immerhin gibt es etwas Hoffnung beim Blick ins Lazarett. Johnson könnte bereits in der Nacht auf Freitag gegen die Nets sein Comeback feiern, Booker und Payne (Fußverletzung) sollen am Ende des Monat neu untersucht werden. Laut Duane Rankin (Arizona Republic) hoffen die Suns, noch vor der Trade Deadline am 9. Februar wieder komplett zu sein. Bis dahin stehen allerdings noch zehn Spiele aus. Phoenix darf im Playoff-Rennen nicht zu sehr an Boden verlieren - und auch mit der Rückkehr der Rotationsspieler sind beileibe nicht alle Probleme gelöst.

Deandre Ayton spielt eine enttäuschende Saison, die vakante Rolle der Nummer eins kann er nicht ausfüllen.
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"Dieses Team ist kaputt": Warum die Suns Sorgen machen

"Wir haben ein hartes Los bekommen", stellte Head Coach Monty Williams mit Blick auf die vielen Verletzten fest. "Aber alles, was du erreichen willst, liegt auf der anderen Seite von hart. Man muss einfach weitermachen, bis man die Schwierigkeiten überwunden hat." Dieses Mantra predigt Williams schon seit vier Jahren, seit er in Phoenix anheuerte. Aber dringt er damit noch zu den Spielern durch?

Vor allem das Verhältnis zu Ayton ist belastet, das ist spätestens nach dessen Benching während Spiel 7 gegen die Mavs und den Aussagen im Sommer deutlich geworden. Doch auch die anderen Spieler übermitteln manchen Beobachtern das Gefühl, dass etwas im Argen ist. "Mein Team ist kaputt. Ich glaube nicht, dass sie sich mögen. Wenn man einmal dieses Vertrauen untereinander verliert, kann man das nicht mehr zurückbekommen", meinte zum Beispiel TNT-Experte und Suns-Legende Charles Barkley am Dienstag.

Dabei sollte insbesondere Ayton eine tragende Rolle ein- und Verantwortung übernehmen, wenn mit Booker oder zuletzt CP3 die anderen Leistungsträger fehlen. Nur ist davon wenig zu sehen. Der 24-Jährige hat es bislang nicht geschafft, die durch die Verletzungen entstandenen Lücken auszufüllen und einen Schritt in Richtung eines dominanten Big Man zu gehen. Stattdessen ist oftmals er derjenige, der von gegnerischen Centern überpowert wird.

Das ist einerseits sicherlich eine Einstellungssache - als Rookie gab er mal an, dass die Unterschrift unter einem zweiten NBA-Vertrag für ihn der wichtigste Erfolg sei. Die Umstände der Verlängerung und das Verhältnis zur Franchise trägt nun sicherlich nicht zu einer großen Motivation in seiner Rolle als Suns-Center bei. Andererseits ist Ayton aber auch nicht der Spielertyp, der in der Zone die Ellenbogen auspackt, sich durch die Gegner wühlt und Offense für sich selbst kreiert.

Auch in den Vorjahren hat er enorm von der Brillanz eines Chris Paul im Pick'n'Roll oder den Playmaking-Qualitäten eines Devin Booker profitiert. Ohne die beiden Guards fehlt es im Supporting Cast an Shot-Creatern und Playmakern, die auch mal ihren Big in Szene setzen können. Das ist auch nicht die Stärke des ansonsten ordentlichen Mikal Bridges. Statt eines weiteren Entwicklungsschritts legt Ayton quasi die gleichen Zahlen wie im Vorjahr bei deutlich schlechteren Effizienzwerten auf (58,4 Prozent zu 63,4 Prozent FG). Eine Erweiterung des Skill-Sets ist kaum zu erkennen.

Holt Gevatter Zeit Chris Paul in dessen 18. Saison in der NBA endgültig ein?
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Suns-Guard Chris Paul: Point God gegen Gevatter Zeit

Fast noch besorgniserregender ist jedoch die Personalie Paul. Zusätzlich zu den Verletzungssorgen ist weder der Blick auf die Statistiken, noch der Eye-Test besonders vielversprechend. Gevatter Zeit scheint den Point God langsam aber sicher einzuholen, der 37 Jahre alte Paul sieht mittlerweile öfters aus wie eben ein 37-jähriger NBA-Spieler aussieht, der nicht LeBron James heißt.

Bei den Counting-Stats (13,1 PPG - der niedrigste Wert seiner Karriere), der Effizienz (55,6 Prozent True Shooting - der schlechteste Wert seit seiner Sophomore-Saison) und selbst bei den Clutch-Zahlen ist ein deutlicher statistischer Rückgang zu den bärenstarken Vorjahren auf All-NBA-Niveau zu erkennen. Auffällig ist: Auch eine der sonst größten Stärken des Guards ist bislang nicht zu sehen.

Laut Cleaning the Glass trifft Paul in der aktuellen Spielzeit 43 Prozent bei seinen Mitteldistanzwürfen. Zum Vergleich: In den vergangenen beiden Jahren in Phoenix lag dieser Wert bei 53 beziehungsweise 55 Prozent. Dieser Einbruch ist auch deshalb dramatisch, weil er über die Hälfte seiner Abschlüsse in der Midrange nimmt. Das ist ein generelles Problem des Teams.

Seit der Ankunft von Paul in Phoenix sieht die Wurfverteilung Jahr für Jahr ziemlich ähnlich aus: wenig Abschlüsse am Ring, dadurch wenig Trips an die Freiwurflinie (20,6 FTA in dieser Saison, ligaweit Platz 28), aber tonnenweise Midranger und wenig Dreier (davon immerhin viele aus der Ecke). Aus Analytics-Sicht ist dieses Wurfprofil im Jahr 2023 mit Ausnahme der Eckendreier verheerend. Die Suns hatten dennoch Erfolg, da sie mit Booker und Paul zwei der Midrange-Könige der Association in ihren Reihen hatten.

Nun aber fehlt Booker seit geraumer Zeit und Paul ist nicht mehr der Alte. Bei der Quote aus der Mitteldistanz belegt Phoenix mit 41,5 Prozent nur Platz 20, vergangene Saison war es noch ein ligaweiter Bestwert von 48,1 Prozent. Bei diesem Volumen ist das ein herber Unterschied.

NBA: Die Wurfverteilung der Phoenix Suns in den vergangenen drei Jahren

SaisonAnteil der Würfe am Ring (Platz ligaweit)MitteldistanzEckendreierAlle anderen Dreier
2020/2127,2 Prozent (30.)36,1 Prozent (6.)10,6 Prozent (3.)26,1 Prozent (21.)
2021/2225,3 Prozent (30.)41,7 Prozent (1.)9,3 Prozent (13.)23,7 Prozent (28.)
2022/2327,1 Prozent (29.)37,9 Prozent (2.)10,7 Prozent (3.)24,3 Prozent (23.)

Booker sollte davon bei seiner Rückkehr einiges auffangen können. In den ersten Saisonmonaten wurde er im erweiterten MVP-Kandidatenkreis gehandelt, inklusive Career-High bei Punkten (27,1) und eines starken True-Shooting-Werts von 58,5 Prozent. Aus der Mitteldistanz trifft er übrigens leicht besser als im Vorjahr (47 Prozent). So überrascht es wenig, dass die Suns-Offense mit Booker auf dem Court überragend agiert (122,0 Offensiv-Rating), ohne ihn aber die schlechteste der Liga ist (107,4). Unter allen Rotationsspielern ist die On/Off-Differenz in der jeweiligen Offense nur bei Nikola Jokic größer (+17,1 zu Bookers +14,6).

"Wir haben nicht mehr den Luxus, etwas zu versauen", erkannte Ayton deshalb richtigerweise. Ohne die Nummer eins im Team fehlt es der Offense an allen Ecken und Enden. Aber reicht es da einfach nur, auf Bookers Rückkehr zu warten und zu hoffen? Die Antwort dürfte "Nein" lauten und das wissen auch die Verantwortlichen um Teampräsident James Jones.

Chris Paul und Deandre Ayton müssen einen Weg aus der derzeitigen Krise finden.
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Phoenix Suns: Wird selbst ein Ayton-Trade zur Option?

Vor der Trade Deadline muss in Phoenix noch etwas passieren, allein um die Crowder-Situation zu lösen. Die Suns wären gut beraten, dessen verschenkten Kaderplatz mit einem brauchbaren Rotationsspieler aufzufüllen. Und aufgrund der enttäuschenden Saison von Ayton scheint selbst ein größerer Move nicht mehr komplett ausgeschlossen.

Ayton darf seit dem 15. Januar getradet werden (allerdings hat er ein Veto-Recht), zuvor hatte seine Vertragsverlängerung aus dem Sommer dies unterbunden. Von Yahoo Sports wurden bereits die Toronto Raptors als Interessent ins Spiel gebracht, dennoch gilt ein Ayton-Trade Stand jetzt als unwahrscheinlich.

Das hat auch mit der verworrenen Besitzer-Situation zu tun. Der Verkauf der Franchise an Mat Ishbia ist von der Liga noch nicht offiziell abgesegnet. Solange dies nicht der Fall ist - dieser Prozess dauert normalerweise bis zu zwei Monate und könnte sich daher bis Mitte/Ende Februar ziehen - muss laut ESPN Noch-Besitzer Sarver alle Deals absegnen, in denen ein Spieler involviert ist, der mehr als das Durchschnittsgehalt von 10,8 Millionen Dollar verdient, oder in denen die Luxussteuerrechnung der Suns erhöht werden würde.

Es bleibt also kompliziert in Phoenix. Die Hoffnungen auf Besserungen beruhen vor allem auf die Gesundheit Bookers, mit ihm gehörte diese Mannschaft immerhin zu den Top-Teams des Westens. In diese Riege können sie auch noch zurückkehren. Gut für die Suns ist, dass es in der Tabelle weiterhin extrem eng zugeht. Der Rückstand auf einen sicheren Playoff-Platz beträgt gerade einmal ein Spiel, doch ob es für die Suns ohne CP3 in Topform dann auch für einen tiefen Postseason-Run reicht, darf angezweifelt werden. Jetzt geht es erst einmal darum, sich in der Zeit ohne Booker über Wasser zu halten - das Zappeln wird jedoch immer nervöser.

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