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NBA-Kolumne Above the Break: Front Office vs. Coach? Warum die Mavericks ein Verlierer der Offseason sind

Luka Doncic und Head Coach Jason Kidd können mit dem Saisonstart der Mavs nicht zufrieden sein.
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Die Dallas Mavericks befinden sich in einer kleinen Krise - die Probleme gehen allerdings über ein paar schwache Ergebnisse hinaus. Die Offseason wirkt bisher wie ein Desaster. Kriegt Dallas noch die Kurve?

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Wie schnell die Stimmungen in der NBA hin- und herschwingen können, lässt sich an den beiden Teams, die kommende Nacht aufeinandertreffen, recht gut erkennen: Vor wenigen Wochen galten die Golden State Warriors noch als Enttäuschung und kriselten vor sich hin, nun haben sie acht von elf gewonnen und am Sonntag gegen Minnesota im ersten Viertel Basketball zelebriert wie zu besten Dynastie-Zeiten.

Der Gegner hingegen hat vier Spiele am Stück verloren, es ist die längste Niederlagenserie seit anderthalb Jahren. Und trotzdem sind es nicht nur die Ergebnisse, die bei den Dallas Mavericks für gedämpfte Stimmung sorgen - es hat auch nicht erst mit dieser Serie angefangen.

Die Mavs stehen bei 9-10, auf Rang elf im Westen und damit nicht mal im Play-In-Turnier. Das wird wahrscheinlich nicht so bleiben, und gleichzeitig präsentieren sich die Mavs nicht gerade in einer Verfassung, die von großen Sprüngen träumen lässt. Es liegt viel im Argen bei einem Team, das noch vor wenigen Monaten die Conference Finals erreichte.

Wo drückt der Schuh bei den Mavs?

Die Dallas Mavericks haben die richtige Kombination rund um Luka Doncic noch nicht gefunden.
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1. Die Luka-Usage und Clutch-Performances

Auch in der vergangenen Saison starteten die Mavs mäßig, zu einem großen Anteil aus dem Grund, dass Luka Doncic mäßig startete. Er kam übergewichtig und außer Form zum Team und brauchte Monate, um seine MVP-Dominanz zu erreichen. Zumindest dieses Problem gibt es in dieser Spielzeit nicht.

Doncic ist das offensive Workhorse schlechthin in der NBA. 33 Punkte, 9 Rebounds, 8 Assists verzeichnet der Slowene im Schnitt, er IST die Top-10-Offense und das unlösbare Problem für gegnerische Teams. Also, zumindest über einen Großteil des Spiels. Man beachte diese Entwicklung über den Spielverlauf:

ViertelPunkte DoncicFG% Doncic3FG% DoncicFreiwürfe DoncicMavs ORTG
111,652,132,73,2120,6
26,660,636,82,2116,7
39,75031,73,2103,4
44,936,822,22,3109,2

Die Mavs haben nicht zum ersten Mal in der Doncic-Ära das Problem, dass dieser über die Partie so dermaßen viel machen muss, dass am Ende von Spielen bisweilen die Energie ausgeht. Oft wirkt er müde, was einer der Gründe ist, warum die Mavs schon eine ganze Reihe von engen Partien auf haarsträubende Art und Weise verloren. Die Bilanz in Clutch-Spielen ist zwar ausgeglichen (7-7), müsste aber zwingend besser sein, da Dallas nun schon mehrfach Spiele gegen Teams ohne deren beste Spieler verloren hat.

Doncic hat dabei eine Usage-Rate von 36,9 Prozent, nachdem diese über die vergangenen Spiele etwas gesunken ist (aktuell stehen Giannis Antetokounmpo und Joel Embiid sogar vor ihm) - zeitweise war er auf Kurs, den Balldominanz-Rekord von Russell Westbrook (16/17: 40,2) zu brechen. Das ist happig.

Gleichzeitig ist Doncic natürlich nicht das Problem in Dallas. Da gibt es andere Kandidaten ... eine gewisse Umverteilung von Workload während des Spiels wäre trotzdem wünschenswert.

Dallas reagiert nun augenscheinlich mit der Verpflichtung von Kemba Walker; dass der ehemalige All-Star mit seinen Knieproblemen wirklich hilft, muss sich aber auch erst zeigen. Es ist immerhin ein erstes Eingeständnis, dass das Thema Ballhandling vernachlässigt wurde ... was schon im Sommer absehbar war. Was sprach nochmal gegen eine Verpflichtung von Goran Dragic oder Dennis Schröder?

Maxi Kleber ist der beste Verteidiger auf den großen Positionen bei den Dallas Mavericks
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2. Mavericks: Die Schützen treffen nicht

Doncic läuft in dieser Spielzeit etwas weniger klassische Pick'n'Rolls, was auch daran liegt, dass ihm viele gegnerische Teams nicht mehr den Gefallen tun, dieses Play klassisch zu verteidigen. Stattdessen wird Doncic durch Switching teilweise zum Matchup-Hunting eingeladen, was dieser natürlich gerne und gut macht, was aber auch Kraft kostet - und was den Doncic-abhängigen Mavs-Spielern Möglichkeiten nimmt, insbesondere die Dunk-Frequenz von Dwight Powell oder JaVale McGee ist nicht da, wo sie sein sollte.

Ein wohl noch größeres Problem ist indes, dass die vielen Möglichkeiten, die Doncic ja trotzdem herausarbeitet, nicht gut genutzt werden. Reggie Bullock hat seinen traditionell langsamen Start, Dorian Finney-Smith, Tim Hardaway Jr. oder Maxi Kleber treffen derzeit alle keine 34 Prozent von draußen.

Abgesehen von Hardaway sind das die besten Verteidiger der Mavs, die vorne eigentlich in erster Linie offene Dreier treffen müssen. Das tun sie aber nicht - die Mavs versenken laut nba.com/stats nur 31,4 Prozent ihrer offenen Dreier, nur sieben Teams sind schlechter. So erklärt es sich dann auch, dass Doncic die drittmeisten potenziellen Assists der Liga verzeichnet (16,7), aber "nur" 8,4 davon wirklich zu Assists werden.

Auch das ist ziemlich ungewöhnlich (yikes, Miami Heat!):

RangSpielerPotential AssistsAssistsAnteil
1Tyrese Haliburton21,311,152,1%
2James Harden181055,6%
3Luka Doncic16,78,450,3%
4Nikola Jokic16,18,854,6%
5Chris Paul15,89,459,5%
6Trae Young15,69,460,3%
7Kyle Lowry14,36,243,4%
8Darius Garland13,97,956,8%
9Mike Conley13,97,956,8%
10Tre Jones13,97,151,1%

Wir erinnern uns an den Playoff-Run: Dieser kam in erster Linie deshalb zustande, weil Dallas auch dank des genannten Trios sehr gut und stabil verteidigte, dabei sehr switchable war - und weil die Mavs in den Serien gegen Utah und Phoenix von draußen heiß liefen. DFS, Kleber und Bullock waren Two-Way-Spieler - das sind sie momentan nicht immer.

Christian Wood klagt über seine inkonstante Spielzeit bei den Dallas Mavericks.
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3. Dallas Mavericks: Ein Verlierer der Offseason

Auch drei (gute) Rollenspieler sind indes nicht für die Misere als Hauptproblem auszumachen. Dafür müsste man entweder auf das Front Office schauen oder auf den Head Coach oder die augenscheinliche Misskommunikation zwischen den beiden wichtigsten Instanzen. Die Personalpolitik in der Offseason wird mit jeder Woche ein bisschen verwirrender.

Während Jalen Brunson derzeit bei den New York Knicks überragende Zahlen auflegt, fehlt ein solches zusätzliches kreatives Scoring-Element in Dallas an allen Ecken und Enden. Beziehungsweise: Die Lösungen für dieses Problem, welche GM Nico Harrison und Co. präsentiert haben, sind bisher keine.

Hardaway wurde nach seiner Verletzung in der Vorsaison als eine Art Neuverpflichtung angepriesen, die für Brunson einspringen könnte - bisher ein riesiger Flop, THJ hat seinen Wurf von draußen noch nicht gefunden und ist in Korbnähe nicht besser (34 Prozent Zweier!). Bei den "echten" Neuverpflichtungen ist die Bilanz sogar fast noch frustrierender.

Die Mavericks statteten McGee mit einem Dreijahresvertrag aus und versprachen ihm einen Platz in der Starting Five, beides ohne Not. Er verlor diesen Platz schnell, weil er nicht die gewünschte Präsenz als Roll-Man zeigte und defensiv mies in die Saison startete ... eigentlich halb so wild, hätte Dallas nicht die wichtigste Free Agency-Ressource hier investiert.

Der andere große Neue, Christian Wood, bleibt ein Sonderfall. Dessen Zahlen sind immer noch super, es gibt keinen produktiveren NBA-Spieler, der unter 26 Minuten auf dem Court steht (17,1 Punkte, 56,6 Prozent aus dem Feld, 43,9 Prozent Dreier). Noch vor Spencer Dinwiddie, der ebenfalls einen guten Saisonstart hinlegt, ist er offensiv der zweitbeste Spieler in Dallas.

Das Problem ist nur, dass Jason Kidd ihm trotzdem nicht vertraut. Noch immer lässt Kidd in der Crunchtime lieber andere spielen, priorisiert zumeist Defense. Oder er setzt Wood ein, nennt diesen dann aber öffentlich als Grund, warum es am Ende nicht geklappt hat. Immer wieder tätigt Kidd zumindest interessante Aussagen über Wood, der seinerseits bisher nur zurückhaltend geäußert hat, dass er gerne etwas mehr spielen würde.

Apropos Kidd: "Das hier ist kein Spiel für Bigs. Oft kann man nur einen spielen lassen", sagte der Coach nach der Niederlage gegen Toronto. An sich ist das nicht zwingend falsch (obwohl Kleber und Wood bisher gut funktioniert haben, wenn sie gemeinsam spielen durften ... sie sollten es mehr tun).

Nur: Warum dann diese Personalpolitik? Warum hat Dallas vier Bigs, die alle (teilweise weit) über dem Minimum verdienen, wenn am Ende sowieso nur einer spielen soll? Es erweckt manchmal den Anschein, als wäre Kidd selbst eher dagegen.

Was irgendwie nicht verwundern würde: Von dem Rezept, das die Mavs vergangene Saison unter die letzten Vier brachte, haben sie sich entfernt, sowohl in Sachen multiple Ballhandler (Josh Green macht sich immerhin sehr gut!) als auch in Sachen Switchability in der Defense. Bei Brunson lag das am Ende wahrscheinlich nicht mehr in ihrer Kontrolle, bei den Bigs hingegen schon.

Jason Kidd ist mit der Guard-Rotation der Dallas Mavericks unzufrieden.
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Will man es positiv sehen: Immerhin haben sie dadurch Trade-Material. Um Deals einzufädeln, braucht es Midsize-Verträge, davon hätten die Mavs in der Theorie jede Menge. Nur fehlt es an richtig guten Assets, die es in der Regel eben auch braucht, um gute Spieler anderswo loszueisen. Daher kann es gut sein, dass sie vorerst trotzdem mit dem Kader auskommen müssen, den sie derzeit versammelt haben, erst in der kommenden Saison ist auch die Salary-Cap-Lage wieder entspannter.

Entspannt ist wiederum nicht das Stichwort in Dallas. In der jetzigen Form regen die Mavs nicht zum Träumen an, es wirkt nicht so, als hätten sie das Potenzial für einen Run wie im Vorjahr. Darauf zu hoffen, dass Doncic sich wie im Vorjahr noch einmal so absurd steigert, ist wohl unrealistisch, denn er ist ja schon absurd ...

Der Slowene ist auch der Grund, warum trotzdem jeder die Mavs ernst nimmt, sollten sie die Playoffs erreichen. Er ist so gut, dass sie theoretisch jede Serie gewinnen können. Es ist indes kaum vorstellbar, dass ein Team mit so einer Usage-Verteilung (das nicht wie die MJ-Bulls auch die beste Defense von allen stellt) vier Serien am Stück gewinnt.

Das ist das ultimative Ziel der Mavericks. Mit den Entscheidungen der Offseason haben sie sich diesem Ziel - Stand jetzt - nicht angenähert. Sie haben sich eher weiter davon entfernt.

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