DHB-Team nach EM-K.o.: Vom Handball-Gott verlassen

Deutschland hat das Schlüsselspiel gegen Kroatien verloren.
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Deutschland hat das Schlüsselspiel der EM-Hauptrunde nach großen Kampf mit 24:25 gegen Kroatien verloren. Dabei bricht dem DHB-Team eine Stressphase in der Schlussviertelstunde das Genick. Besonders der linke Rückraum erweist sich als Problem.

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Die kroatischen Spieler fielen sich auch noch in der Mixed Zone der Wiener Stadthalle immer wieder um den Hals, teilweise lagen sich sogar kroatische Journalisten und kroatische Spieler in den Armen. Dazwischen standen die DHB-Profis. Geknickt und enttäuscht erfüllten sie ihre Pflicht und beantworteten mit leeren Blicken die Fragen der deutschen Medienvertreter.

"Wir haben eine riesigen Fight geliefert, jeder hat alles reingehauen. Am Ende haben wir es aber nicht mehr geschafft, so cool und so abgezockt wie zuvor zu spielen", sagte Deutschlands Kapitän Uwe Gensheimer. "Das war ein geiles Spiel von beiden Mannschaften vor geilen Fans. Ich habe lange nicht mehr so ein intensives Spiel erlebt. Deshalb lieben wir diesen Sport", meinte der Kieler Kroaten-Star Domagoj Duvnjak.

Ein Tor machte den Unterschied zwischen Freud und Leid. Nach einem Spiel, das die deutsche Auswahl eigentlich nicht hätte verlieren dürfen. Kroatien führte in der vierten Minute mit 2:1 und dann erst wieder in der 59. Minute mit 25:24. Dazwischen bestimmte meistens das DHB-Team das Geschehen, lag zeitweise sogar mit fünf Toren vorne.

"Es ist unglaublich, dass wir dieses Spiel verloren haben", sagte Jannik Kohlbacher, der elf Sekunden vor dem Ende die riesige Chance zum Ausgleich vergeben hatte. "Am Ende war der Handball-Gott nicht mit uns", sagte Jogi Bitter: "Wir waren die bessere Mannschaft, waren emotional besser, haben eine der besten Mannschaften dominiert."

DHB-Team
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DHB-Team bricht in der Schlussviertelstunde ein

Andreas Wolff hielt stark (13 von 38, 34 Prozent), die Abwehr um den Mittelblock mit Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek stand bombenfest. Die Außenspieler Uwe Gensheimer und Timo Kastening (beide 4 von 4) vergaben keinen einzigen Wurf und im Rückraum machte Philipp Weber (4 von 6) eine großartige Partie.

Bis zur 45. Minute sah alles nach einem verdienten deutschen Sieg aus - und dann ging plötzlich nichts mehr. Das Tempo und die Leichtigkeit waren schlagartig verschwunden, in der Schlussviertelstunde erzielte Deutschland aus dem Spiel heraus nur noch einen einzigen Treffer.

"Deutschland hat zwei, drei technische Fehler gemacht, weshalb wir zu zwei, drei einfachen Toren gekommen sind. Plötzlich waren wir voll da", sagte Duvnjak, der mit fünf Toren nach Igor Karacic (7) der beste Werfer auf Seiten der Kroaten war.

Prokop: "Haben einfach zu zaghaft agiert"

"In der zweiten Halbzeit hatten wir nicht mehr den Zug zum Tor wie in der ersten Halbzeit, wir haben einfach zu zaghaft agiert", erklärte Bundestrainer Christian Prokop und sprach zwei weitere Probleme an: "Wir hatten von der Position im linken Rückraum nicht das Wurfglück und am Ende hat auch die Abwehr nicht mehr so gepasst wie zuvor."

Für den linken Rückraum sind in erster Linie Julius Kühn und Fabian Böhm zuständig. Während Böhm (1 von 3) kaum Akzente setzte, hinterließ Kühn nach seiner Hereinnahme im zweiten Durchgang einen höchst unglücklichen Eindruck. Der Melsunger leistete sich in der Schlussphase einen ganz üblen Ballverlust und hatte mit 20 Prozent getroffener Würfe (1 von 5) die schlechteste Quote aller DHB-Spieler.

Hätte der Bundestrainer in der alles entscheidenden Phase Kühn also lieber auf die Bank setzen sollen? Theoretisch ja. Das Problem: Böhm war eben auch kein Faktor und Paul Drux sei "völlig platt" gewesen, erklärte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

"Wir sind in eine Stressphase gekommen", meinte Prokop: "Und wenn man dann die beiden Mannschaften vergleicht, haben die Kroaten sicherlich einen Vorteil, was die Erfahrung und die Kaltschnäuzigkeit angeht."

Hanning: "So betrunken kann ich gar nicht sein"

Das Ziel, das Halbfinale einer Europameisterschaft zu erreichen, wurde damit zum zweiten Mal in Folge nach 2018 verpasst. Wobei: Eine Chance, die so klitzeklein ist, dass sie eigentlich kaum erwähnenswert ist, gibt es dann doch noch.

Deutschland (gegen Österreich und Tschechien) und Weißrussland (gegen Spanien und Österreich) müssten ihre restlichen beiden Spiele jeweils gewinnen, Spanien (gegen Weißrussland und Kroatien) müsste seine beiden Partien verlieren.

Allerdings ist das noch nicht alles: Damit Deutschland den in diesem Fall eintretenden Dreiervergleich mit Weißrussland und Spanien für sich entscheiden würde, müsste Weißrussland gegen Spanien mit mindestens sieben und maximal neun Toren Differenz gewinnen.

"Die Chance liegt im Promillebereich. So betrunken kann ich gar nicht sein, um daran zu glauben", sagte Hanning.

DHB-Team nimmt Platz drei ins Visier

Trotzdem kann es sich Deutschland gegen Österreich (Mo., 20.30 Uhr) und Tschechien (Mi., 20.30 Uhr) nicht erlauben, irgendetwas herzuschenken. Erstens würde eine weitere Niederlage die Gesamtbewertung des Turniers massiv negativ beeinflussen. Und zweitens ist Platz drei in der Hauptrundengruppe I noch realistisch, was zur Teilnahme am Spiel um Platz fünf berechtigen würde, das in Stockholm steigt.

"Es ist ganz wichtig, dass wir die EM weiterhin für uns nutzen. Wir haben einige junge Spieler, die hier Erfahrungen auf höchstem Niveau sammeln können", sagte Prokop und blickte vor allem auf die Partie gegen Österreich: "Sie können sich vorstellen, dass das für Österreich das Spiel des Jahres ist und dass sie alles daran setzen werden, um Deutschland zu schlagen. Ich bin gespannt, ob wir uns das gefallen lassen."

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