Handball - Leipzig-Boss Günther im Interview: "Es wird Geld verbrannt, weil man nicht mit RB kooperieren darf"

Karsten Günther ist Geschäftsführer des DHfK Leipzig.
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Karsten Günther: "Stefan Kretzschmars Rolle war essentiell"

Bereits verlassen hat den Klub Stefan Kretzschmar. Welche Rolle spielte er in der Entwicklung des SC DHfK?

Günther: Er war essentiell. In den ersten zwei Jahren haben wir mit Fleiß viel geschafft, aber bei den größeren Playern holten wir uns immer eine blutige Nase an der Bürotür. Als wir mit Stefan gemeinsam vorbeikommen wollten, ging vieles plötzlich einfacher. So hatten wir die Chance, unser Konzept vorzustellen. Wir haben viele Termine wegen ihm bekommen und konnten die Sponsoren mit unseren Ideen überzeugen, das war eine perfekte Symbiose. Zehn Jahre lang waren wir ein wirklich gutes Team und haben viel bewegt. Stefan hat uns die große weite Handballwelt gezeigt.

Seine Aufgaben lagen also eher in der Außendarstellung als im internen Wirken?

Günther: Beides. Der Fokus lag auf der Außendarstellung, ja. Trotzdem war Stefan als Aufsichtsratsmitglied in alle wichtigen Entscheidungen involviert und gerade beim Thema Kader- und Trainerplanung aktiv beteiligt.

Für die Öffentlichkeit war sein Abgang in Richtung Füchse Berlin überraschend. Für Sie auch?

Günther: Ich war in seine Gedanken eingeweiht und von daher hat mich sein Abgang, als er kommuniziert wurde, nicht mehr überrascht. Zum damaligen Zeitpunkt hat es mich sehr traurig gemacht, aber ich habe die Entscheidung akzeptiert und kann die Beweggründe nachvollziehen. Wir werden Freunde bleiben, auch wenn wir jetzt auf dem Spielermarkt teilweise Konkurrenten sind.

In seinem Abschiedspost auf Instagram erwähnte Kretzschmar Sie explizit und schrieb: "Erhalte dir dein Feuer und deine Leidenschaft". Wie kamen Feuer und Leidenschaft zum Tragen, als er Ihnen mitgeteilt hat, dass er zu den Füchsen geht?

Günther: Manchmal kann Leidenschaft sich ja auch negativ ausdrücken, in Form von Enttäuschung. Das ging nicht spurlos an mir vorbei, das können Sie mir glauben. Es gibt eben manchmal Situationen, in denen es im Leben Veränderungen gibt, wir haben das mit Christian Prokop ja auch schon durch. Damals haben wir lange und leidenschaftlich gekämpft, mussten am Ende aber akzeptieren, dass er den Nationaltrainerjob unbedingt machen will.

Karsten Günther erklärt die Posse um Christian Prokop

Wegen Prokop gab es 2017 über ein halbes Jahr lang Verhandlungen zwischen Leipzig und dem DHB - inklusive öffentlicher Diskussionen. Letztlich floss eine Ablösesumme von im Handball enormen 500.000 Euro. War es rückblickend gesehen wirklich nötig, die Prokop-Verhandlungen so lange hinzuziehen?

Günther: Der negative Aspekt war, dass das ganze öffentlich gemacht wurde und wir schnell in der Rolle des Verhinderers dastanden, was wir eigentlich gar nicht sein wollten. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserem Verein und wenn man einen langfristigen Vertrag mit einem Trainer hat, auf den der gesamte Kader zugeschnitten ist und der bei uns erfolgreich gearbeitet hat, dann müssen die Vereinbarungen so sein, dass der Verein darunter nicht leidet. Das war damals ein zähes Ringen bis zum Schluss. Trotzdem haben wir schlussendlich eine Lösung gefunden, mit der alle zufrieden waren und der SC DHfK Leipzig hat weiterhin ein sehr gutes Verhältnis zum DHB.

Karsten Günther über RB Leipzig und Ralf Rangnick

Gut ist auch das Verhältnis zu den Fußballern von RB Leipzig. Bereits zu Zweitligazeiten des SC DHfK haben Sie beispielsweise Spiele verlegt, damit sich diese nicht mit den RB-Partien überschneiden und Fans zu beiden Vereinen gehen konnten. Kann man von einer Kooperation zwischen den Vereinen sprechen?

Günther: Wir sind Nachbarn und mittlerweile sehr gute Kollegen. Es gibt einen intensiven Austausch auf verschiedenen Ebenen, aber von einer Kooperation in dem Sinne kann man nicht sprechen. Wie emotional aufgeladen das Wort "Kooperation" sein kann, haben wir zuletzt beim Thema RB und dem SC Paderborn gesehen. Das hat dazu geführt, dass die eigentlich guten Inhalte nicht durchgesetzt wurden. Auch hier in Leipzig werden mitunter Synergien nicht genutzt und Geld verbrannt, weil andere Fußballvereine auf Druck ihrer Fanszene nicht mit dem Platzhirsch kooperieren dürfen. Da bin ich sehr froh, dass es im Handball bisschen kooperativer zugeht und wir mit vielen Vereinen Leipzigs sehr konstruktiv zusammenarbeiten. So auch mit RB, wo wir viele Sachthemen gemeinsam zu lösen versuchen.

Also ist die Zusammenarbeit zwischen dem SC DHfK und RB doch größer als bisher öffentlich kommuniziert?

Günther: Es nützt gar nichts, wenn wir ständig darüber reden, wenn wir uns mit RB über x, y oder z ausgetauscht haben. Wenn wir eine Frage haben, rufen wir uns gegenseitig an. Letztes Jahr beispielsweise haben wir uns zum Thema Abstiegskampf mal mit Ralf Rangnick zusammengesetzt. Auch er wollte von uns einmal Input taktischer Natur, weil sich seine Gegner immer hinten reingestellt haben und er die Lösungsansätze dazu beim Handball spannend fand. Es ist ein punktueller Austausch, der sehr gewinnbringend für beide Seiten ist. Auch gemeinsame Ticketaktionen gibt es und wird es weiterhin geben.

Wichtig ist dem SC DHfK stets gewesen, dass eine gesellschaftliche Entwicklung angestoßen wird. Gemacht haben Sie dies unter anderem mit dem "Plasticus", einem Wal, der aus exakt 250 Kilogramm Plastik bestand und damit die Menge Plastik symbolisierte, die sekündlich in die Meere fließt. Bei einem Ihrer Heimspiele stand "Plasticus" vor der Halle und sollte auf die Verschwendung innerhalb unserer Gesellschaft aufmerksam machen.

Günther: So etwas ist für uns selbstverständlich. Ich sehe Sport nicht als reines Entertainment an, für mich hat Sport die Aufgabe, die Menschen zusammenzubringen und Vorbilder zu schaffen. Im Stadtsportbund Leipzig beispielsweise sind mehr Menschen organisiert als in irgendeiner politischen Partei. Wenn wir als Sportler es nicht schaffen, Werte wie Teamwork, Fair Play und Respekt zu vertreten, wer soll es denn dann machen?

Sportvereine als reine Wirtschaftsunternehmen ohne gesellschaftlichen Auftrag sehen sie demnach kritisch?

Günther: Man beobachtet häufig, dass sich viele immer raushalten wollen, um nicht anzuecken oder zu polarisieren. Ich finde aber, dass wir die Aufgabe haben, den Mund aufzumachen. Wir müssen für die Olympischen Werte einstehen. Das soll nicht geschehen, indem wir alle als Asketen leben - bei uns gibt es auch mal ein Bier in der Kabine - aber unser Auftreten in der Öffentlichkeit ist wichtig und wir kommen nur vorwärts, wenn wir alle gemeinsam anpacken. Mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Situation finde ich, dass der Sport eine ganz wichtige Plattform sein kann, die den Dialog fördert und Barrieren abbaut. Dazu wollen wir gern unseren Teil beitragen.

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