"Nicht der Typ, der andere Vereine klein redet"

Von Jonas Rütten
Kenan Kocak spielte als Aktiver sowohl in der österreichischen Bundesliga, als auch in der zweiten Bundesliga
© getty

Mit 27 Jahren erhielt Kenan Kocak die Schockdiagnose "Sportinvalidität". Vom Fußball konnte er aber auch nach dem zweiten Kreuzbandriss nicht lassen. Stattdessen arbeitete er sich als Trainer von der Kreisliga hoch bis in die zweite Bundesliga. Im Interview mit SPOX spricht der 36-Jährige Coach des SV Sandhausen über Zufälle und das Schicksal, harte Tage und seine bitterste Niederlage.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Kocak, ihr Kollege aus der Bundesliga, Niko Kovac, übte zuletzt Kritik am Umgang mit den Trainern im Profifußball. Er sagte wortwörtlich: "Als Trainer kannst du dir manchmal schon so vorkommen: Du wirst kurz benutzt, und dann weg damit." Mal ehrlich, wie schwer ist es, heutzutage Trainer im deutschen Profifußball zu sein?

Kenan Kocak: Der Trainer ist einer der entscheidensten Faktoren in einem Klub. Fußball ist mittlerweile ein Bereich, in dem sehr viel Geld im Spiel ist und da will natürlich jeder Verein Misserfolge vermeiden. Wenn das mal nicht der Fall ist, dann kann es schon so sein, dass der ein oder andere Verein den Glauben verliert und sich dann das vermeintlich schwächste Glied austauscht.

SPOX: Also den Trainer?

Kocak: Das ist zunächst einmal der Trainer, weil man eben nicht einfach mal so viele Spieler austauschen kann. Also tauscht man den einen aus, in der Hoffnung, dass es einen Impuls mit dem neuen Trainer gibt. Das bringt aber auch Schwierigkeiten mit sich. Ich bin generell der Meinung, dass man vor allem auf die Inhalte schauen sollte.

SPOX: Trotz dieser Schwierigkeiten sind Sie nun da, wo Sie sind: ein Trainer im Profigeschäft. Plan A war das aber nicht.

Kocak: Ich bin ja schon mit 27 Sportinvalide geworden. Das habe ich mir mit Sicherheit anders vorgestellt. Klar, ich hatte jetzt zwar nicht die Karriere wie ein mehrfacher Nationalspieler, aber immerhin Einsätze in der österreichischen Bundesliga und in der zweiten und dritten Liga in Deutschland.

SPOX: Was geht dann in einem vor, wenn man die Diagnose vom zweiten Kreuzbandriss erhält und gesagt bekommt: "Das war's mit der Profikarriere"?

Kocak: Wenn man als Job nur Fußball gespielt hat und in so jungen Jahren mit so einem Schicksal konfrontiert wird, dann macht man sich schon seine Gedanken. Durch Zufall oder vielmehr Schicksal bin ich dann auf die Trainerschiene gekommen.

SPOX: Welche Gedanken haben Sie damals nach der Diagnose umgetrieben?

Kocak: Das ging erstmal in Richtung finanzielle Absicherung. Man hat ja schließlich keinen Beruf ausgeübt, weil man die ganze Zeit mit Fußball beschäftigt war. Da denkt man schon darüber nach, was jetzt mit einem passiert.

SPOX: Hadert man dann nicht mit dem eigenen Schicksal?

Kocak: Über Sachen, die man nicht ändern kann, sollte man sich nicht viele Gedanken machen. Bei mir war die Situation halt so. Ich habe mich damit relativ schnell abgefunden und Lösungen gesucht.

SPOX: Aber Sie sprachen von Zufall und Schicksal.

Kocak: Ich hatte Glück, dass ich in meinem ersten Profijahr bei Waldhof Mannheim mit Uwe Rapolder selbst einen Trainer hatte, der schon damals diesen Konzeptfußball vorgelebt hat und ich dadurch regelmäßig mit dem modernen Fußball in Berührung gekommen bin. Mein persönlicher Weg hatte aber nicht nur mit Glück zu tun.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Kocak: Ich bin hier in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und musste mir alles selbst erarbeiten. Das war schon steinig und schwierig und ich hatte viele harte Tage. Und so ging auch die Trainerkarriere los: auf dem Ascheplatz, mit Spielern, die teilweise kaputte Schuhe hatten, und kaum Plätze zum Trainieren.

SPOX: Da hatten es die meisten ihrer heutigen Kollegen im Profifußball deutlich leichter.

Kocak: Darüber beschwere ich mich nicht. Jede Station war eine Herausforderung für sich. Mir wurde nichts geschenkt, aber ich bin auch dankbar dafür, dass es so war. Solche Sachen prägen einen und insofern werde ich diese Zeit nie vergessen. Da weiß ich, wo ich herkomme.

SPOX: Welchem Verein gehörte denn besagter Ascheplatz, auf dem Sie zum ersten Mal eine Mannschaft trainierten?

Kocak: Meine Trainerkarriere fing bei Türkspor Mannheim in der Kreisliga an, dann zwei Jahre VfR Mannheim und erst dann zum SV Waldhof. Das war das erste Mal überhaupt, dass ich hauptberuflich Trainer war. Alles andere war nebenberuflich.

SPOX: Sie haben gesagt, dass man sich nach einem so jähen Ende der Profikarriere gerade bezüglich der finanziellen Absicherung Gedanken macht. Was haben Sie beruflich gemacht, wenn ihre Trainer-Stationen zu Beginn nur so nebenher liefen?

Kocak: Ich habe bei der Stadt Mannheim ein Projekt mit schwer erziehbaren Jugendlichen geleitet und versucht, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

SPOX: Inwiefern helfen Ihnen solche Erfahrungen auch bei der Führung einer Profimannschaft?

Kocak: Grundsätzlich muss jeder Trainer den Anspruch haben, zu dem jeweiligen Spieler einen Draht zu finden. Das sind verschiedene Charaktere, verschiedene Typen. Bei dem einen musst du vielleicht härter rangehen, bei dem anderen sanfter. Den einen kritisierst du bei der Videoanalyse vielleicht nicht direkt vor der Mannschaft, weil er sensibel ist. Das muss ein Trainer selbst für sich entscheiden.

SPOX: Ist es dann nicht eigentlich umso wichtiger, selbst die Erfahrung als Profi gemacht zu haben und zu wissen, wie man sich selbst nach einer Gardinenpredigt vor versammelter Mannschaft gefühlt hat?

Kocak: Es ist natürlich ein kleiner Vorteil, wenn du selber Profi warst. Dann weißt du ganz genau, wie die Jungs nach Siegen oder Niederlagen, vor dem Spiel und nach dem Spiel drauf sind. Oder wann sie mal die Nase voll von mir haben und ich sie alleine lassen muss. Das ist ein wichtiger Punkt, aber nicht das Entscheidende.

SPOX: Was ist dann das Entscheidende?

Kocak: Ich bin ein sehr großer Freund von Partizipation. Es geht nur gemeinsam und miteinander und ich will meine Mannschaft immer daran teilhaben lassen, wie wir beispielsweise ein Spiel angehen wollen. Das haben die Jungs verdient, denn in erster Linie haben wir es nicht mit Spielern, sondern mit Menschen zu tun.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema