10. Todestag von Robert Enke - Teresa Enke im Interview: "Es schmerzt nicht mehr, an ihn zu denken"

Teresa Enke lebt heute mit ihrer Adoptivtocher in Köln. Mit ihrer Robert-Enke-Stiftung besucht sie regelmäßig die Bundesliga-Stadien, Schulen und Veranstaltungen und arbeitet präventiv
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SPOX: Umso wichtiger ist es, dass Symptome frühzeitig erkannt werden. Was sind denn typische Anzeichen einer Depression?

Enke: Im besten Fall hat ein Mensch eine gute Selbsteinschätzung und ist mit sich im Reinen. Dann wird die Person zunächst dauerhafte Müdigkeit und Appetitlosigkeit erkennen. Das wichtigste Symptom ist aber: Wenn man keine Freude mehr an Dingen hat, die einem früher Spaß bereitet haben. Bei mir wäre es beispielsweise das Joggen, das ich sehr mag. Wenn mir das plötzlich keine Freude mehr bereiten würde und ich auch keine Freunde mehr sehen will, müsste ich mir Gedanken machen. Aber man darf natürlich auch nicht übersensibel sein, wenn es einem mal drei, vier Tage nicht gutgeht. Aber aufpassen sollte man immer, wenn diese Phasen länger andauern und gepaart sind mit körperlichen Beschwerden wie etwa Kopfschmerzen. Wir haben einen medizinisch anerkannten Test entwickelt, der zumindest eine Tendenz erkennen lassen kann, wenn man ihn regelmäßig macht.

SPOX: Und im besten Fall kann ein Mensch nach erfolgreicher Behandlung wieder in den Alltag zurück. Ich stelle es mir allerdings sehr schwer vor, nach einer behandelten Depression wieder in den Leistungssport, in das 'Konstrukt Profifußball' zurückzukehren.

Enke: Am Beispiel von Robby ist das ganz gut nachzuvollziehen. Er hat damals während seiner Barcelona-Zeit die schlimmste klinische Depression gehabt und war in Köln zur Therapie. Damals habe ich gedacht, dass er nie wieder Fußball spielt, keine Chance. Ich habe ihm auch angeboten und ermutigt aufzuhören, wenn der Druck zu groß wird.

SPOX: Hat die sportliche Situation in Barcelona eine Rolle gespielt? Dort war er nur Ersatzkeeper.

Enke: Genau, das wirkt dann alles mit. Aber als ich gemerkt habe, es geht während und nach der Therapie langsam bergauf, da ging es dann auch sportlich bergauf. Er hat sich ja bis in die Nationalmannschaft gespielt mit tollen Leistungen. Ich dachte immer, Robby ist anfällig, wenn es schlecht läuft, aber das stimmte nicht. Er hat sich zwar mehr geärgert über Dinge als andere, aber nach dem Tod unserer ersten Tochter stand er eine Woche später zwischen den Pfosten. Das haben wir zusammen entschieden, um im Alltag zu bleiben. Ich hätte ihn natürlich auch unterstützt, wenn er nicht gewollt hätte. Aber letztlich darf eine Person alles tun, was ihr guttut.

SPOX: Robert Enkes letzte Depression kam gegenteilig aus einer Hochphase, würden Sie das so sagen?

Enke: Ja. Joachim Löw hatte ihm die Nummer eins in der Nationalmannschaft zugesichert, wir hatten unsere zweite Tochter adoptiert. Es war alles irgendwie ganz oben. Das ist auch die Erkenntnis von Roberts Fall, das habe ich aus Gesprächen mit Psychologen gelernt: Kranke und Nichterkrankte müssen sich bewusst machen, dass sie manchmal oben sind und es dann auch wieder nach unten geht. Aber jeder sollte wissen: Wenn man oben ist, kann es wieder runter gehen, aber wenn man unten ist, kann es auch schnell wieder bergauf gehen. Ich glaube, dass Robert Angst hatte und sich fragte: 'Was soll da noch kommen?' Ich glaube, dass das seine Depression mit ausgelöst hat. Es gibt Depressionen, die nur durch Negatives und Verluste ausgelöst werden. Bei Roberts letzter Depression war es nicht so. Das hat er nicht verstanden und das hat ihm enorm Angst gemacht. Aber wenn eine Depression geheilt ist, ist eine langfristige Rückkehr möglich.

SPOX: Aus den Tagen nach seinem Suizid sind vielen ihre erklärende Pressekonferenz und die Worte des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger während der Trauerfeier, die Gesellschaft müsse lernen, behutsamer miteinander umzugehen, in Erinnerung geblieben. Haben wir das im Fußball denn beherzigt?

Enke: Ich glaube nicht, dass der Fußball wieder rauer geworden ist. Fast jeder interessiert sich aber nun mal für Fußball. Es ist fast ein Politikum und die Berichterstattung hat weiter zugenommen, alles wird kommentiert. Als normal empathischer Betrachter ist man jetzt aber sensibler geworden für diese kritischen Themen. Diese Sensibilität gefällt mir. Es gibt jetzt Psychologen in den Vereinen, die Trainer werden besser geschult. Und die Fußballer wissen jetzt, dass Verantwortliche aufgeschlossener sind gegenüber Depressionen und anderen Problemen im Leistungssport. Die Spieler, so hoffe ich doch, haben keine große Angst mehr, sich zu outen mit ihrer Krankheit.

SPOX: Und wie steht es um die Resonanz in der Öffentlichkeit?

Enke: Die ist für uns nicht das Wichtigste. Es ist zwar schön für unsere Stiftung, wenn sich ein Spieler öffentlich äußert. Für die Stiftung ist aber von größerer Bedeutung, dass ein Spieler intern an den richtigen Stellen Hilfe erhält.