Serge Gnabry beim FC Bayern und beim DFB in der Krise: Nicht einmal der Ortswechsel hilft

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Nach einem starken Saisonstart ist Serge Gnabry beim FC Bayern München in eine besorgniserregende Formkrise geraten, auch der Ortswechsel zur Nationalmannschaft scheint nicht zu helfen. Beim 0:1 gegen Ungarn nahm Bundestrainer Hansi Flick den 27-jährigen Offensivspieler zur Pause aus dem Spiel.

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Beim Nations-League-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn durfte Serge Gnabry etwas erleben, was ihm bei seinem Klub zuletzt kaum vergönnt war: Er stand in der Startelf. Von den vergangenen acht Pflichtspielen des FC Bayern München begann er nur zwei. Im DFB-Pokal gegen den Drittligisten Viktoria Köln und im Zuge einer Komplett-Rotation gegen den VfB Stuttgart.

Genutzt hat Gnabry die Chance im Nationaltrikot jedoch nicht, ganz im Gegenteil. Vielmehr bestätigte er Bayern-Trainer Julian Nagelsmann für dessen aktuell ziemlich konsequenten Verzicht auf seine Dienste. Nach einer ganz schwachen Halbzeit hatte auch Bundestrainer Hansi Flick genug gesehen. Er ersetzte Gnabry durch Thilo Kehrer, schob Jonas Hofmann eine Position nach vorne - und das Spiel der deutschen Nationalmannschaft wurde schlagartig besser, auf einmal gab es sogar ein paar Torchancen.

Gnabry war bis zu seiner Auswechslung dagegen keine einzige Torannäherung gelungen. Sein Leistungsnachweis auf Rechtsaußen: 13 Ballverluste bei 34 Ballkontakten, null Abschlüsse und die mit Abstand schlechteste Passquote bei Deutschland von rund 62 Prozent. Sein Auftritt in Leipzig war der vorläufige Tiefpunkt einer besorgniserregenden Entwicklung der vergangenen Wochen.

Dabei hatte seine Saison eigentlich so vielversprechend begonnen.

Serge Gnabrys starker Saisonstart beim FC Bayern

Nach langem Poker verlängerte Gnabry im Juli seinen Vertrag beim FC Bayern vorzeitig bis 2026, angeblich hatten sich unter anderem Real Madrid und Manchester United um ihn bemüht. Mit einem kolportierten Jahresgehalt von fast 20 Millionen Euro schloss der 27-Jährige zu den Spitzenverdienern auf. Er wirkte so wichtig wie nie zuvor beim FC Bayern.

Gnabry galt als einer der Spieler, denen man nach dem Abgang von Robert Lewandowski klubintern eine Leistungsexplosion zutraute. Einer von denen, die ihre Trefferquote beträchtlich steigern sollten, um den Abgang der jahrelangen Torgarantie abzufedern. In den drei ersten Pflichtspielen der Saison stand er im 4-2-2-2-System auch jeweils an der Seite von Star-Neuzugang Sadio Mané in der Startelf. Drei Siege, zwei Tore, zwei Assists. Alles nach Plan.

Anschließend plagten ihn kurzzeitig Adduktorenprobleme und ein abgesplitterter Knochen am rechten Handgelenk, weshalb er beim 7:0-Sieg gegen den VfL Bochum nur eingewechselt wurde. Egal: zwei weitere Scorerpunkte in der Schlussphase. Mitte August war das. Damals, als manche dem FC Bayern schon zum vorzeitigen Titelgewinn gratulieren wollten.

Joshua Kimmich hat "Riesenvertrauen" in Serge Gnabry

Und dann? Dann schlichen sich die Krisen nach und nach ein. Beim FC Bayern generell, bei Gnabry - und übrigens auch bei Mané. Vermutlich hängt das alles ziemlich eng zusammen. Am besten funktionierte die Lewandowski-lose Offensive jedenfalls zum Saisonstart mit dem Duo Gnabry/Mané an vorderster Front. Abwechselnd konnten sie sich zurückfallen lassen, ohne dass das Sturmzentrum gleichzeitig verwaiste.

Seit es bei den beiden nicht mehr rund läuft, sucht Nagelsmann vergeblich nach einem Alternativrezept. Mané oder Thomas Müller funktionierten nicht als Solospitze, angeblich könnte demnächst auch mal Jamal Musiala in dieser Rolle ausprobiert werden. Längst wird über die Verpflichtung eines neuen Mittelstürmers diskutiert. Gnabry empfahl sich bei seinen vielen späten Einwechslungen unterdessen kaum für eine Rückkehr in die Startelf.

Sein Mitspieler und Freund Joshua Kimmich betonte neulich, dass "ich und wir als Mannschaft trotzdem ein Riesenvertrauen in ihn haben. Serge ist ein brutal wichtiger Spieler für uns. Weil er ein Spieler ist, der extrem zielstrebig ist, den Abschluss sucht, der die Dinger eigentlich auch macht." Eigentlich. Zuletzt ließ er diese Zielstrebigkeit gänzlich vermissen, sein letztes Tor ist über einen Monat her.

Die Krise des FC Bayern strahlt auf die Nationalmannschaft ab

In der Nationalmannschaft wartet Gnabry sogar seit fast einem Jahr auf einen Torerfolg. Stand er nach Flicks Amtsübernahme im vergangenen Sommer zunächst noch regelmäßig in der Startelf, durfte er im Juni nur bei einem von vier Spielen beginnen, ehe ihn Flick nun gegen Ungarn in die Startelf zurückbeorderte.

Ein deutlicher Fingerzeig des Bundestrainers, dass er trotz dessen schwieriger Situation auf Gnabry setzt. Die Startelf vom Ungarn-Spiel wäre so schließlich auch beim WM-Auftakt gegen Japan in rund zwei Monaten denkbar. Mit der Nations-League-Partie gegen England am Montag und einem Freundschaftsspiel im Oman Mitte November bleiben Flick bis zum Turnierstart nur mehr zwei Tests.

Wie beim FC Bayern ist der Konkurrenzkampf aber auch in der Nationalmannschaft groß: Neben Gnabry buhlen Thomas Müller, Timo Werner, Leroy Sané, Jamal Musiala und Kai Havertz um einen Platz in der vierköpfigen Offensive. Dazu kommt Allzweckwaffe Jonas Hofmann.

Für Flick schlecht, für Gnabrys persönliche Perspektive aber durchaus nicht unpassend: Trotz der Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit drängten sich auch die anderen Offensivspieler gegen Ungarn nicht auf. "Bei vielen hat man gemerkt, dass die Phase im Verein nicht die leichteste ist", sagte Müller - und meinte damit natürlich vor allem die Spieler des FC Bayern.

Statt sich vom Ortswechsel beflügeln zu lassen, scheinen sie die Krise eher auf ihre Nationalmannschafts-Kollegen zu übertragen.

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