Von wegen Papst: Jose Mourinho wie ein Tourist bei der AS Rom

Von Fatih Demireli
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© getty

Jose Mourinho (59) hat beim AS Rom ein Projekt gestartet, das gar nicht so zu ihm passt. Der Portugiese hat nun Anpassungsschwierigkeiten mit dem neuen Mou und zeigt plötzlich völlig neue Seiten. Doch allmählich läuft ihm die Zeit davon - und auch sein Image als Gewinner.

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Manchmal holt dich die Zeit einfach ein. Es war der März 2009, als Jose Mourinho auf einer Pressekonferenz zum Rundumschlag ausholte. Romas Trainer Luciano Spalletti wütete nach einem 3:3 zwischen seiner Mannschaft gegen Mourinhos Inter, dass der Gegner zu Unrecht einen Elfmeter bekam - dieser habe den AS Rom um den Sieg gebracht.

Und Spalletti fügte hinzu: "Glückwunsch an Mourinho, wie er Balotelli erzieht." Eine Anspielung auf den provokanten Torjubel des Stürmers damals nach seinem Treffer. Mourinho antwortete scharf, schoss gegen Spalletti ("Intellektuelle Prostitution") und den Rest von Italien und schickte eine Spitze gegen den Römer Klub, der "mit null Titeln" die Saison beenden werde. Aus Tradition, wie Mourinho zu verstehen gab.

Zero tituli, wie es Mourinho portugiesisch-italienisch ausdrückte, ging als eine der legendärsten Mourinho-Pressekonferenzen in die Geschichte ein.

Mourinho behielt damals recht - der AS Rom gewann in jener Saison keinen Titel und auch in den Jahren danach nicht. Genau genommen gibt es im Klub-Museum seit 2008 keine neue Silberware. Dass Mourinho nun ausgerechnet auf der Trainerbank eines Klubs sitzt, dem er einst eine Gewinner-Mentalität absprach, bringt zwei Hinweise mit sich.

Rom-Besitzer im Mourinho-Wahn

Zum einen, dass Mourinho keinen Gewinner-Klub mehr bekommt. Zum anderen, dass er immer noch die Lust und das Feuer hat, einen vermeintlichen Verlierer-Klub zum Gewinner zu machen. Weil man zuletzt Ersteres war, holten die Macher des AS Rom Mourinho im Sommer 2021, um Letzteres zu werden. Die Friedkin-Familie war sichtlich stolz, als man The Special One höchstpersönlich davon überzeugen konnte, nach Italien zurückzukommen. Dort, wo er einst mit Inter das Triple gewann, und seither sehr hohes Ansehen genießt.

Man war so stolz wie zuvor schon Daniel Levy, Klub-Besitzer von Tottenham oder die Glazers, Eigentümer von Manchester United, die es genossen, den wohl bekanntesten Fußball-Trainer der Welt für sich gewonnen zu haben. Dass Mourinho bei beiden Klubs nur bedingt erfolgreich war, schreckte die Friedkins nicht ab. Sie statteten Mourinho mit einem Dreijahresvertrag mit einem Basisvolumen von 21 Millionen Euro und viel Macht aus. So viel Macht, wie sie kein anderer Coach in der Serie A besitzt.

Aber ein halbes Jahr später sehen die Friedkins nicht wirklich glücklich aus, wenn sie im Olimpico auftauchen. Und auch die vielen gut unterrichteten italienischen Reporter berichten von regelmäßige Krisensitzungen.

Das liegt zuallererst an den nackten Zahlen: Die Roma ist Sechster der Serie A, aktuell weit weg von den angestrebten Champions-League-Plätzen. Der Spitzenplatz, den man nach sechs Spieltagen innehatte, ist längst vergessen. International sorgte man für Aufsehen mit einem 1:6 in der Conference League gegen Norwegen-Klub FK Bodø/Glimt im Oktober.

Die Roma ist keine Herzensangelegenheit für Mourinho

Es sind aber nicht nur die Zahlen, die Sorgen machen. Es ist die Art und Weise, wie Mourinho seine Aufgabe angeht. Er wirkt wie ein Individuum in einem Gebilde, das sich nach Erfolg sehnt und ihn als Messias auserkoren hat. Er wirkt wie ein Tourist in Rom, der nur mal vorbeischaut und dessen Abreise eigentlich schon absehbar ist.

Auch wenn Mourinho bei seiner Ankunft wie ein Papst empfangen wurde und entsprechende Plakate ausgerollt wurden, macht man sich in Rom insgeheim nichts vor und weiß, dass dies keine Herzensangelegenheit für Mourinho ist, sondern bloß ein Job, den er dazu nutzt, auch seine persönliche Reputation aufzupolieren. Dabei ist es eigentlich ein gefährliches Spiel auch für Mourinho selbst.

Bei seinen bisherigen Stationen ging es immer darum, den größtmöglichen Erfolg anzustreben. Nach seinem Meisterstück mit Underdog Porto war das bei Chelsea so, bei Inter, bei Real Madrid und auch bei ManUnited startete er mit diesem Vorhaben. Lässt man einmal den Trostpreis Europa League weg, hat Mourinho seither mit der Spitze nichts mehr zu tun. Die sonst so stolzen Glazers verloren das Vertrauen, Mou-Verehrer Levy dann auch.

Bei der Roma waren die Vorzeichen daher diesmal etwas anders. Es geht nicht darum, den AS Rom sofort zum Meister zu machen, sondern ein Projekt zu starten, das auf Erfolg in den nächsten Jahren hoffen lässt. "Ich hoffe, ich werde noch hier sein, wenn wir die Früchte davontragen", sagte Mourinho bei seiner Vorstellung.

Neuer Sportdirektor soll das Projekt optimieren

Schon vor Mourinho holten die Römer Chefs Tiago Pinto als Sportdirektor. Der 37 Jahre alte Portugiese machte einst bei Benfica einen großartigen Job, verbesserte Scouting, Analyse und Nachwuchsförderung und brachte dem Klub nicht nur Erfolge, sondern auch Einnahmen durch teure Spielerverkäufe. Prädestiniert also für einen Klub, der sich auf die Fahne geschrieben hat, vorhandenes Großklub-Potenzial zu optimieren.

Das klingt auch alles vernünftig, hört sich aber nicht nach einem Mourinho-Klub an. Schon bei Tottenham machte ihm diese neue Art und Weise zu schaffen. Nicht sofort zu den Besten zu gehören, sondern erst darauf warten zu müssen, störte ihn schon damals. Und wohl nun auch wieder.

Denn der 59-Jährige wirkt auch nicht so entspannt wie jemand, der die Gewissheit hat, auch im dritten Jahr Erfolg haben zu können, wenn vorher die Richtung stimmt. Nein, Mourinho ist wie immer unter Starkstrom und teilt aus, wenn es keinen Sieg gibt. Dabei zieht er die alte Masche durch: Die Schiedsrichter sind Feinde, der Verband ist ein Feind, die gegnerischen Trainer sind Feinde, die Medien sind Feinde.

Das große Problem ist, dass Mourinho inzwischen auch seine Spieler ins Visier nimmt. Früher noch eiserner Vorhang und Schutzschild für jeden, der seine Farben trägt, hat Mourinho längst nicht mehr die Geduld und wohl auch nicht mehr die Emotion, um sich als unschlagbarer Anführer aufzutun.

Hier und da spielt die Roma sogar sehr ansehnlichen Offensivfußball, weit weg von der destruktiven Spielweise, die Mourinho einst darbot. Aber hier und da reicht ihm nicht.

Norwegen-Versager müssen gehen

Nach dem besagten 1:6 bei Bodø/Glimt sortierte er Spieler wie Borja Mayoral, Gonzalo Villar, Marash Kumbulla, Riccardo Calafiori, Amadou Diawara oder Bryan Reynolds, die damals in der Startelf standen, mehr oder weniger aus. Mayoral und Villar sind inzwischen nach Getafe verliehen worden. Calafiori nach Genua, Reynolds nach Kortrijk, Diawara, der äußerst verstimmt ist, wird auf dem Markt aggressiv angeboten und soll bald auch weg.

Doch auch verbal teilt Mourinho weiter aus. Mal sagt er: "Wir verfügen über keinen adäquaten Kader. Es mangelt an Leuten mit Persönlichkeit." Dann sagt er: "Wir sind ein mittelmäßiges Team." Und verweist darauf, wie stark die anderen Teams im Vergleich sind.

Auffällig war auch der Weggang von Joao Sacramento im Winter. Ihn machte Mourinho 2019 zu seinem Assistenten. Er war der jüngste Co-Trainer der Premier League, als das Duo gemeinsam bei Tottenham arbeitete und auch in Rom begleitete Sacramento seinen Mentor. Doch dann verloren sie die gemeinsame Wellenlänge. In Italien wurde darüber spekuliert, dass Sacramento die Bindung zur Mannschaft verlor.

Ihm wird dennoch eine große Zukunft als Trainer vorausgesagt. Wie die von Mourinho aussieht, weiß man noch nicht so genau. Dass er seinen Job in Rom verliert, ist kurzfristig nicht zu erwarten. Aber die Bosse wollen natürlich auch sehen, dass der eingeschlagene Weg Perspektive hat. Sie wollen, dass die Arbeit von Tiago Pinto nicht zerstört wird. Der Sportdirektor holt die Spieler, aber der Trainer muss sie besser machen.

In einem GQ-Interview sagte Mourinho mal: "Die Leute sehen mich und haben nur einen Gedanken: ein Gewinner." Es wird Zeit, dass man das in Rom sieht. Sonst drohen weiterhin: Zero tituli.