Coman, Nkunku, Diaby, Kouassi und Co: Darum kann PSG seine Talente nicht halten

Von Benjamin Quarez
Wechselt demnächst ablösefrei zum FC Bayern München: Tanguy Kouassi von Paris Saint-Germain
© imago images/Panoramic

Paris Saint-Germain müht sich oft vergeblich, seine besten Talente zu halten. Ein Umstand, der sich in den letzten Tagen mit den Abgängen von Tanguy Kouassi und Adil Aouchiche bestätigte. Einen 16-Jährigen zieht es zudem zum SC Freiburg.

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Tanguy Kouassi und Adil Aouchiche fehlten am Montag beim Training von Paris Saint-Germain. Die beiden Jungen haben beschlossen, das Mutterschiff zu verlassen. Den ersten, Kouassi, zieht es zu Bayern München in die Bundesliga. Der zweite dürfte bald sein Ziel bekannt geben, nachdem er bereits vergangenen Freitag in Saint-Etienne zum Medizin-Check weilte.

Die nächsten zwei Niederlagen für PSG, das bereits seit Jahren vergeblich darum kämpft, seine besten Talente auch langfristig an sich zu binden.

Doch wer trägt Schuld daran, dass Trainer Thomas Tuchel und seine Vorgänger kaum langfristig von der guten Jugendarbeit des Klubs profitieren?

PSGs Talente-Exodus begann mit Bayerns Kingsley Coman

Vor sechs Jahren weigerte sich Kingsley Coman, seinen ersten Profivertrag bei seinem Heimatklub zu unterschreiben und schloss sich lieber Juventus an. Bis heute wird in den Gängen der PSG-Jugendakademie noch über den Abgang des Flügelflitzers gesprochen, der mittlerweile beim FC Bayern Müchen zum Titelsammler geworden ist. Comans Abschied kann als Wendepunkt für PSG angesehen werden, er wurde zum Vorbild für andere Spieler aus der Akademie.

Die generelle Entwicklung des Transfermarktes und das zunehmend aggressivere Werben internationaler Klubs um Talente zwingen Paris - wie andere Klubs in Frankreich - sich anzupassen. Aber nichts passierte. Trotz mehrerer Versuche, vor allem während der Ära von Sportdirektor Antero Henrique (2017 bis 2019, die Red.), den Ton in den Verhandlungen mit den Talenten zu verschärfen und an die Ehre der Spieler zu appellieren, hörte der Exodus der Talente nicht auf. Sportdirektor Leonardo sieht die Schuld auch an den Verbandsregularien. "Momentan haben die von uns ausgebildeten Jugendlichen die Möglichkeit, mit 18, 19 Jahren, ablösefrei im Ausland zu unterschreiben", sagte er bei RMC Sport. "Es ist schrecklich für die Vereine, weil es uns in eine komplexe Situation bringt, in der wir nur zwei Möglichkeiten haben. Entweder lassen wir sie gehen oder wir zahlen viel zu viel."

PSG verliert U16-Kapitän an den SC Freiburg

Derzeit lässt PSG sie eher gehen. Aktuell kommt zu Kouassi und Aouchiche noch der Fall des U16-Kapitäns Gloire Bunga dazu, der vergangene Woche PSG verließ und sich dem SC Freiburg in der Bundesliga anschloss. Nach Informationen von SPOX und Goal hatten Bunga und seine Vertreter dem Verein schon vor längerer Zeit die Tür für Vertragsverhandlungen geöffnet. Für PSG hatte die Angelegenheit dem Vernehmen nach nicht die höchste Priorität, erst am 30. April wurde Bunga ein verbessertes Vertragsangebot gemacht. Nun verlässt der Spieler seinen Heimatklub, der nicht einmal eine anständige Vergütung für ihn erhält.

Insider berichten Alarmierendes über den Umgang des Pariser Serienmeisters mit seinen jungen Spielern. "Der Klub konzentriert sich pro Jahrgang nur auf ein, zwei oder höchstens drei Spieler in der Ausbildung und überlässt die anderen Talente mehr oder weniger ihrem Schicksal", sagt ein Spielerberater, der nah dran ist bei PSG. Den Talenten fehlt die Wertschätzung.

"Erst wenn die Ersten den Klub verlassen, geraten plötzlich auch die anderen in den Fokus. Kouassi und Aouchiche haben beschlossen, PSG zu verlassen - also werden sich die Verantwortlichen jetzt urplötzlich für Timothee Pembele interessieren."

PSG: Ex-Jugendchef klagt Sportdirektor an

Tatsächlich durfte Pembele, 17, am Montag mit der Profimannschaft von Thomas Tuchel trainieren. Laut seines Beraters könnte seine Vertragssituation in den kommenden Wochen ein Thema werden. Sein 2018 unterschriebener Kontrakt endet im nächsten Jahr. Auch bei ihm muss Paris Argumente finden, um ihn zum Bleiben zu überreden. Bis jetzt hat Pembele noch nie für die erste Mannschaft gespielt und durfte auch nur eine Handvoll von Trainings mit den Profis absolvieren. Zu wenig, um eine langfristige Aussicht bei seinem Ausbildungsklub zu sehen.

Daran hat auch Sportdirektor Leonardo seinen Anteil, der nach seiner Rückkehr zu PSG im vergangenem Sommer beschlossen hat, die Jugendarbeit an seinen Assistenten Angelo Castellazzi zu übertragen. Dies wird von einem anderen Spielerberater kritisiert, der öfter am PSG-Trainingszentrum Camp de Loge zu tun hat: "Leonardo legt keinen Fokus auf die Ausbildung. Und gleichzeitig gibt es niemanden, der sich traut, frühzeitig echte Entscheidungen zu treffen, nicht einmal der Direktor des Zentrums."

Bayern-Neuzugang Tanguy Kouassi im Steckbrief

geboren07. Juni 2002 in Paris
Größe1,87 m
Gewicht83 kg
PositionInnenverteidigung, defensives Mittelfeld
starker Fußrechts
StationenPSG Jugend, PSG
Ligue-1-Spiele/Tore6/2

PSG hat Reserveteam abgeschafft und verkauft Talente wegen Financial Fairplay

Im Sommer wurde zudem auch die Reservemannschaft aufgelöst. Dadurch verlassen noch mehr selbst ausgebildete Spieler den Verein, weil die Perspektive für sie noch geringer wird. Luis Fernandez, der bis 2018 die Jugendabteilung von PSG leitete, kritisierte bei France Football: "Die Ausbildung hat keine Priorität mehr und wir werden die Konsequenzen sehen. Die Reserve wurde aus Gründen abgeschafft, die ich nicht verstehe. Man trennt sich von den jungen Spielern, man will sie nicht mehr haben."

PSG begründete die Abmeldung der Reserve in einem offiziellen Statement etwas abstrakt so: "Das Umfeld der Reservemannschaft bot nicht mehr die wünschenswerten Bedingungen", um Spieler an das Profiteam heranzuführen. Stattdessen wollte man den Fokus auf die U19 setzen.

Dazu kommt, dass PSG in der Vergangenheit Talente verkaufen musste, um das Financial Fairplay der UEFA zu erfüllen. Im vergangenen Jahr beschloss der Sportdirektor, die Talente Moussa Diaby (20, zu Bayer Leverkusen), Christopher Nkunku (22, zu RB Leipzig) oder Arthur Zagre (18, AS Monaco) zu verkaufen, um Transfereinnahmen zu generieren. Die Verkäufe brachten PSG fast 45 Millionen Euro ein. Möglich wurde dies auch, weil Thomas Tuchel den beiden Erstgenannten regelmäßige Spielzeit ermöglichte und sie so im Schaufenster stellte. Diese Saison wiederholte sich dies mit Kouassi. Das Ergebnis ist bekannt - und PSG kassiert für ihn nur eine Ausbildungsentschädigung.

Und es könnte das Pariser Management dazu bringen, seine Strategie in der Ausbildung zu überdenken.

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