Porno, Koks und Kung-Fu-Fighting

Von Raphael Honigstein
Newcastles Lee Bowyer und Kieron Dyer (M.) gerieten in einem Liga-Spiel 2005 heftig aneinander
© Getty
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5. Im Dunklen lässt sich gut Munkeln

Am 3. November 1997 ging beim Spiel von West Ham gegen Crystal Palace in der 65. Minute (Spielstand 2:2) plötzlich das Licht aus. Einen Monat später fielen die Flutlichtmasten in Wimbledon kurz nach der Halbzeit aus (Spielstand 0:0 gegen Arsenal). Im Februar 1999 werden im Valley-Stadion von Charlton Athletic drei Malaysier verhaftet, die zwei Tage vor dem Spiel gegen Liverpool an der Flutlichtanlage hantieren.

Vor Gericht stellt sich später heraus, dass das Trio auch in die Stromaggregate vom Upton Park und Selhurst Park einen Schalter eingebaut hatte, der per Fernbedienung einen Kurzschluss verursachen konnte. Die Asiaten waren so in der Lage, den "richtigen" Ausgang zu garantieren. Wenn ein Spiel in der zweiten Halbzeit abgebrochen wird, zählt, was Wetten betrifft, nämlich der aktuelle Spielstand als Endergebnis. In englischen Medien wurde spekuliert, dass die drei Hobbyelektriker und ihre Auftraggeber mit den beiden manipulierten Spielen 30 Millionen Pfund verdient haben könnten.

4. Bruce Grobbelaar greift unabsichtlich nicht daneben

Der Liverpooler Torhüter aus Simbabwe war ein Clown zwischen den Pfosten und eine echte Anfield-Legende. Im Herbst seiner Karriere entschloss er sich aber, einen Batzen Geld von einem malaysischen Wettspieler namens Richard Lim anzunehmen. 1994 wurde Grobbelaar nach einer Enthüllungsstory der "Sun" zusammen mit den ebenfalls schwer belasteten Wimbledon-Spielern John Fashanu und Hans Segers wegen versuchten bandenmäßigen Betrugs angeklagt. Die Geschworenen bekamen Videos vorgeführt, aber es fiel ihnen schwer, ein Urteil zu fällen: Glanzparaden und merkwürdige Fehler wechselten sich bei Grobbelaar ohne erkennbares Muster ab.

"Ich bin in die verdammte falsche Ecke gesprungen", hatte der Torhüter nach einem bravourös abgewehrten Ball gegen Manchester United einem Freund geklagt, "gegen den Instinkt kannst du nichts machen. Das hat mich 125.000 Pfund gekostet." Grobbelaar und beide anderen Spieler wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen, der Keeper aber musste nach gescheiterten Verleumdungsklagen gegen die "Sun" seinen Bankrott erklären. Autor David Thomas fasst die Affäre in seinem Buch "Foul Play" so zusammen: "Er wollte Spiele verschieben, es gab eine Verschwörung, Spiele zu verschieben, er nahm Geld, um Spiele zu verschieben. Er war nur nicht sehr gut darin, Spiele zu verschieben." Grobbelaar war also nicht nur korrupt, sondern zu allem Überfluss auch noch inkompetent.

3. Pizzagate

Nach dem 2:0-Sieg von Manchester United gegen Arsenal im Oktober 2004 ging es auch nach dem Schlusspfiff richtig zur Sache. Arsene Wenger nannte Ruud van Nistelrooy im Spielertunnel einen "Betrüger". Der Niederländer petzte bei Alex Ferguson, der sich bald darauf Wenger vor der Arsenal-Kabine zur Brust nahm. Plötzlich öffnete sich die Tür und eine Pizzaschnitte flog in hohem Bogen auf das Hemd des Schotten. Ein bisschen Erbsensuppe kam noch hinterher. Ferguson musste sich umziehen und Arsenal später zum Rapport. Da es jedoch vom "Battle of the Buffet" keine Kamerabilder gab, kamen alle Beteiligten glimpflich davon. Bei dem offiziell nie identifizierten Pizzawerfer soll es sich im Übrigen um einen kleinen Spanier gehandelt haben...

2. King Eric goes Kung-Fu-Fighting

Beim Auswärtsspiel gegen Crystal Palace im Januar 1995 fliegt Eric Cantona (Manchester United) nach einem Revanche-Tritt gegen Palace-Verteidiger Richard Shaw vom Platz. Auf dem Weg in den Tunnel beleidigt ihn Zuschauer Matthew Simmons heftig. Cantona überlegt eine Sekunde und springt dann im Stil von Bruce Lee mit dem Fuß voraus in Simmons, der auch noch ein paar Schläge ins Gesicht bekommt.

Cantona wurde nach dem größten Ausraster in der Geschichte der Premier League zu 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, Simmons saß einen Tag im Gefängnis und bekam neben einer Stadionsperre für ein Jahr auch 500 Pfund Strafe. In einer nach der Tat einberufenen Pressekonferenz, auf der sich Cantona nach Willen des Vereins für sein Verhalten hätte entschuldigen sollen, gab sich der rote Eric von seiner philosophischen Seite. "Wenn die Möwen dem Fischerboot folgen, dann weil sie glauben, dass Sardinen ins Meer geworfen werden", sagte er. Nach einem "vielen Dank" verließ er wieder den Saal. Was Cantona damit sagen wollte, konnte nie überzeugend geklärt werden.

1. Der Transfer des Jahrhunderts

Southampton-Trainer Graeme Souness bekam im Herbst 1996 einen Anruf von einem Mann, der sich als Milans Stürmerstar George Weah ausgab. Ob Souness Interesse an Weahs Cousin hätte? Ali Dia, 30, sei ein senegalesischer Nationalspieler mit Erfahrung bei Paris St. Germain und Bologna, derzeit aber vereinslos. Souness nahm, neugierig geworden, Dia für einen Monat probeweise unter Vertrag und wechselte ihn im Heimspiel gegen Leeds United am 23. November in der 32. Minute für den verletzten Matt Le Tissier ein.

53 unglaubliche peinliche Minuten ("Der Mann wusste nicht, was er auf dem Platz tun sollte, es war wie Bambi auf Eis", sagte Le Tissier) wurde Dia wieder vom Platz genommen. Der Mann war ganz augenscheinlich kein Fußballer, und der Cousin von Weah war er natürlich auch nicht - Souness war einem Schwindler auf den Leim gegangen. Dias Vertrag wurde aufgelöst. Später spielte er noch ein paar Mal für den Siebtligisten Gateshead. Danach hat man nie wieder etwas von ihm gehört.

Auf der Skandal-Ersatzbank:

Paolo Di Canio: Der 1998 bei Sheffield Wednesday beschäftigte Italiener flog 1998 gegen Arsenal vom Platz, und schubste danach noch Schiedsrichter Paul Alcock um. Der Unparteiische machte eine gekonnte Schwalbe, Di Canio durfte elf Spiele aussetzen.

Alan Shearer: Der Mann war nicht immer ein langweiliger Fernsehexperte mit dem Wortschatz eines Vierjährigen - er konnte auch ganz gut kicken. Manchmal war dabei nicht mal ein Ball im Spiel. Im Match gegen Leicester City (April 1998) trat er Neil Lennon voll gegen den Kopf. Der Disziplinarausschuss des englischen Verbandes sprach den damaligen England-Kapitän jedoch frei. "Ich wollte mich nur befreien", hatte der Stürmer den Offiziellen weisgemacht.

Kieran Dyer & Lee Bowyer: Die beiden Newcastle-United-Profis fingen mitten in der Partie gegen Aston Villa (April 2005) an, sich gegenseitig zu verkloppen. Dafür flogen sie beide vom Platz. Der eine hatte angeblich dem anderen den Ball nicht gegeben....

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Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 16 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim früheren Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungierte Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 36-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig und auch unter twitter.com/honigstein zu finden.