Manchester Citys schwacher Saisonstart unter Pep Guardiola: Versäumnisse, Pech und mehr Risiko

Noch nie startete Pep Guardiola schwächer in eine Saison.
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25 von 36 möglichen Punkten: Pep Guardiola hat mit Manchester City den schwächsten Saisonstart seiner Trainerkarriere hingelegt. Die Gründe dafür: Versäumnisse in der Kaderplanung, Verletzungspech und ein verändertes Taktik-Korsett mit mehr Risiko.

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78 Punkte sind noch zu vergeben. Von einer Vorentscheidung im englischen Titelrennen zu sprechen, wäre ein Affront gegenüber der Übermannschaft der vergangenen zwei Jahre.

Neun Punkte hinkt Manchester City dem FC Liverpool nach zwölf Spieltagen hinterher. In der Vorsaison waren es sieben Zähler Rückstand nach 19 Spielen. City gewann 18 der ausstehenden 19 Partien und zog an den Reds vorbei zur Titelverteidigung.

Pep Guardiola: Seine Saisonstarts als Trainer

SaisonTeamPunkte nach 12 Spielen (max. 36)
2008/09FC Barcelona29
2009/10FC Barcelona30
2010/11FC Barcelona31
2011/12FC Barcelona28
2013/14FC Bayern München32
2014/15FC Bayern München30
2015/16FC Bayern München34
2016/17Manchester City27
2017/18Manchester City34
2018/19Manchester City32
2019/20Manchester City25

City im Verletzungspech: Fernandinho als Notlösung

Dennoch: Es hakt aktuell beim Team von Pep Guardiola. Vor allem in der Defensive. Sechs Gegentore mehr kassierte City in der Liga bereits im Vergleich zum Vorjahr. Das hat in erster Linie mit dem Verletzungspech zu tun.

Die beiden Stamm-Innenverteidiger John Stones und Aymeric Laporte fielen bisher jeweils in mehr als der Hälfte aller Pflichtspiele aus. Laporte (Außenmeniskus- und Knorpelverletzung) wird wie Leroy Sane (Kreuzbandriss) sogar erst im Frühjahr 2020 zurückerwartet.

Die Folge: Nicolas Otamendi kommt zu mehr Einsätzen als Guardiola das lieb ist. Seit Ende Oktober ist deshalb Mittelfeldspieler Fernandinho im Abwehrzentrum neben Stones gesetzt. Auch keine optimale Lösung, doch immerhin sorgt der Brasilianer für mehr Qualität im Spielaufbau. "Wenn unsere Spieleröffnung gut ist, lassen wir weniger Chancen zu", sagt Guardiola.

Die Personalnot in der Innenverteidigung geht sogar so weit, dass Nachwuchstalent Eric Garcia (18 Jahre) zweimal im League Cup startete.

Manchester Citys Versäumnisse auf dem Transfermarkt

Die Wurzel des Problems: City verpasste es im Sommer, die Abgänge von Vincent Kompany (RSC Anderlecht) und Eliaquim Mangala (FC Valencia) zu kompensieren. Stattdessen startete der Meister mit drei etatmäßigen Innenverteidigern in die Saison - und Fernandinho als möglichem Back-up.

"Wir konnten im Sommer in dieser Hinsicht nicht investieren", verteidigte Guardiola die ausgebliebenen Transfers im Sommer. Es gehe schließlich auch um Verfügbarkeiten und Budget. Letzteres soll dem Katalanen laut einem Bericht der Times nun im Winter für Nachbesserungen zur Verfügung gestellt werden.

Denn nicht nur im Abwehrzentrum fehlen Guardiola Alternativen. Auch auf der linken Verteidigerposition spielte gegen Liverpool nur der Back-up vom Back-up: Angelino. Oleksandr Zinchenko (Knie-OP) und Benjamin Mendy (muskuläre Probleme) fielen aus. Dass Angelino seine Sache noch vergleichsweise gut machte, kann dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass City auf der inkonstant besetzten Position links hinten Nachholbedarf hat.

Pep Guardiola hat zwar Budget, aber wenig Optionen

Zu einer Transferoffensive im Winter wird es jedoch nicht kommen. Guardiola will nicht einfach der Quantität wegen Spieler kaufen. Viele sinnvolle und vor allem verfügbare Optionen gibt es im Winter-Transferfenster bekanntlich nicht. Erschwerend hinzu kommt, dass City aktuell 17 Spieler aus Übersee beschäftigt. Das entspricht der maximalen Anzahl, die ein Premier-League-Klub unter Vertrag nehmen darf.

City müsste also entweder "Homegrown"-Spieler (Profis, die bis zu ihrem 21. Geburtstag mindestens drei Jahre bei einem englischen Verein unter Vertrag standen) verpflichten oder ausländische Spieler verkaufen, um Verstärkungen holen zu können.

Mendy sollte schon im Sommer verkauft werden, der Franzose ist aufgrund seiner hohen Verletzungsanfälligkeit aber nur schwer vermittelbar. Otamendi wollte gehen, ein Wechsel zu Valencia zerschlug sich jedoch. Dann wäre da noch die Option, Sane im Winter an die Bayern abzugeben. Guardiola will den deutschen Nationalspieler aber mit Blick auf die Champions League nicht zwingend schon im Winter abgeben.

Als Wunschspieler gelten Mikel Oyarzabal von Real Sociedad (als möglicher Sane-Ersatz), Ruben Dias von Benfica (22 Jahre, Innenverteidiger) und Ben Chilwell von Leicester (22 Jahre, Linksverteidiger und Engländer).

Ben Chilwell spielt eine herausragende Saison bei Leicester City.
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Ben Chilwell spielt eine herausragende Saison bei Leicester City.

Pep Guardiolas Plan B ist riskant

Nur mit Transfers ist es aber noch nicht getan. Citys Instabilität in der Defensive resultiert auch aus einer taktischen "Weiterentwicklung" der Skyblues. Die Kritik, City fehle ein Plan B gegen disziplinierte und tiefstehende Mannschaften, ist redundant.

Die Skyblues haben einen Plan B, nur ist dieser deutlich riskanter als das geduldige Ballbesitzspiel, mit dem City seine Gegner so dominiert. Das Rezept: Flanken! "Wenn wir im letzten Drittel sind, müssen wir attackieren", argumentiert Guardiola. "Wenn der Gegner mit elf Spielern am Elfmeterpunkt verteidigt, ist das so, als ob ein Baum im Strafraum steht." Ist gegen eine destruktive Defensiv-Mannschaft kein Durchkommen, lautet Guardiolas Vorgabe: Den Ball in die Gefahrenzone zu schlagen.

Im Schnitt schlägt Guardiolas Mannschaft über sechs Flanken mehr aus dem Spiel heraus (19,8 pro Spiel). Zwar kommt davon nur ein Fünftel an, doch Guardiolas Plan ist es, durch gezieltes Nachrücken und gute Staffelung die zweiten Bälle zu gewinnen und die kurzzeitige Unordnung in der gegnerischen Abwehr auszunutzen.

Das Risiko: Wird der zweite Ball verloren, steigt die Gefahr, in Konter zu laufen. Das macht sich auch bei City bemerkbar. Mal stimmen die Abstände nicht, mal ist das Gegenpressing nicht optimal abgestimmt. City ist konteranfälliger geworden. Gegen Norwich und Wolverhampton verlor man auf diese Weise. Dazu kommen individuelle Fehler im Zweikampf oder schon vorher im Aufbau.

Manchester Citys Flanken im Spiel gegen Southampton (Rot: nicht angekommene Flanken; Grün: angekommene Flanken).
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Manchester Citys Flanken im Spiel gegen Southampton (Rot: nicht angekommene Flanken; Grün: angekommene Flanken).

Manchester Citys Flanken im Spiel gegen Southampton (Rot: nicht angekommene Flanken; Grün: angekommene Flanken).

Manchester City schlägt 57 Flanken gegen Southampton

Auffällig ist bei Guardiolas Plan B auch, dass seine Spieler in einem engen Taktik-Korsett agieren. Sie folgen klaren Handlungsmustern. Paradebeispiel: das Ligaspiel gegen Southampton. Die Saints gingen im Etihad Stadium nach 13 Minuten in Führung und beschränkten sich bis auf wenige Ausnahmen aufs Verteidigen.

Manchester schlug in diesem Spiel 57 (!) Flanken. 46 davon landeten beim Gegner. Zwei davon aber führten direkt und indirekt zu den beiden späten Toren, die City schließlich drei Punkte einbrachten. Der Plan ist nicht grundlegend schlecht, aber eben riskant.

Ebenfalls auffällig: Mit Kevin De Bruyne im Team ist City defensiv weniger anfällig. Der Belgier kompensiert viele Fehler seiner Mitspieler mit seinem immensen Laufpensum. Gegen die Saints spulte De Bruyne über zwölf Kilometer ab (City hatte 75 Prozent Ballbesitz).

Doch auch er machte längst nicht alle Spiele. Tatsächlich waren bisher nur drei Profis in allen Pflichtspielen dieser Saison verfügbar: Claudio Bravo, Joao Cancelo und Bernardo Silva.

Manchester City bis Januar unter Dauerdruck

Guardiola hat anders als in den vergangenen Jahren mit mehreren Brandherden gleichzeitig zu kämpfen. Viele Ausrutscher darf sich City jedoch nicht mehr leisten. Das Programm bis zum Januar macht die Sache nicht leichter. Die Gegner in der Premier League: Chelsea (3.), Newcastle (13.), Burnley (10.), United (7.), Arsenal (6.), Leicester (2.), Wolverhampton (8.), Sheffield (5.).

Ausgerechnet jetzt tauchen Gerüchte um Guardiolas Abschied aus Manchester auf. The Athletic berichtet, dass eine Rückkehr des einstigen Bayern-Trainers nach München nicht völlig ausgeschlossen sei. Gegenüber Sky Italia sagte Guardiola, er könne sich es vorstellen, irgendwann mal in Italien zu arbeiten.

Guardiola will seinen Vertrag bei City (bis 2021) erfüllen. Dennoch tun die Gerüchte zusätzlich zum VAR-Ärger gegen Liverpool und den ungeliebten Medien-Verpflichtungen ihr Übriges zum Nervenbündel ManCity.

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