Auswärtsspiel - die SPOX-Kolumne: Ausgabenexplosion bei den Top-Klubs: Als ob die Super League doch gegründet worden wäre

Von Fatih Demireli
Die Bundesliga bildet zunehmend für die Premier League aus. Jüngste Beispiele: Jadon Sancho (vom BVB zu ManUnited) und Ibrahima Konate (von Leipzig nach Liverpool).
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Demut auf dem Transfermarkt aufgrund der Corona-Pandemie? Vor allem in England sieht es ganz und gar nicht danach aus. Angesichts dieses Gebahrens droht der deutsche Branchenprimus FC Bayern München den Anschluss zu verlieren.

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Von Unruhe zu sprechen, wäre an dieser Stelle unangebracht. Der eine oder andere Boss von Manchester United war aber sicherlich etwas verstimmt, als ein sogenannter Supercomputer United auf Platz vier der kommenden Premier-League-Saison tippte.

Der Supercomputer eines englischen Wettanbieters wurde mit allen möglichen Informationen gefüttert, um ein möglichst nachvollziehbares Resultat über den Ausgang der kommenden Premier-League-Saison zu bekommen. Der Supercomputer tippte Manchester City als Meister, Chelsea auf Platz zwei, Liverpool auf Platz drei.

Da war man bei Manchester United gerade dabei so etwas wie eine Euphorie auszulösen: Nach dem Transfer von Jadon Sancho ist die Verpflichtung von Raphael Varane von Real Madrid nur noch Formsache. Weitere Hochkaräter sollen folgen - und dann kommt da so eine Kiste und sagt: Kein Treppchen für dich, Ole! Es wäre nichts Neues für den Klub. Seit dem Weggang von Sir Alex Ferguson schlittert ManUnited von Krise zu Halb-Krise, schloss keine einzige Saison vor ManCity ab. Viel schlimmer: Im Durchschnitt war man 16 Punkte hinter den Blauen. Fatal.

Das soll sich nun endlich ändern und da kann auch so eine Simulation die Stimmung nicht verderben. Man traut den Chefs von Manchester United zu, dass sie ihre Personalplanung nicht von einem Computer-Tipp abhängig machen und ihre Strategie nach wie vor auf dem Wissen ihrer Fußball-Experten basiert. Die Experten sagen: Wir müssen investieren!

Manchester United: Rekordsummen aus dem Wunderland

Die Times meldete zuletzt, dass man an Harry Kane von Tottenham Hotspur interessiert ist. Wer den Markt kennt, weiß, dass der beste Stürmer des Landes nicht für ein Sonderangebot zu bekommen ist. Englands Transferrekord müsste man schon brechen, das ist klar. Was Kane noch teurer macht: Auch die Nachbarn von Manchester City würden Kane gerne holen.

Die Summen, die in den englischen Blättern genannt werden, reichen bis zu 180 Millionen Euro. Etwas weniger, aber auch nicht richtig wenig, soll Jack Grealish von Aston Villa kosten, den ManCity auch gerne haben will. Bekommt City beide Spieler, wäre man bei einem Ablösepaket bei fast 300 Millionen Euro. Das Gehalt ist da noch gar nicht einberechnet und die eine oder andere Position im Kader müsste der Guardiola-Klub eigentlich noch besetzen.

Wer dieser Tage nach Manchester blickt, darf sich die Frage stellen, ob die europäische Super League nun doch ihren Durchbruch geschafft hat. Man hört noch die Fußball-Experten, die mit ernster Miene und überzeugtem Ton davon sprachen, dass die Preise auf dem internationalen Fußballmarkt fallen würden und die Ablösesummen und Gehälter, die man vor der Pandemie aufrief, Geschichte seien.

Internationaler Transfermarkt mit neuen Rekordsummen

Während die Bundesliga-Klubs tatsächlich äußerst vernünftig handeln und beispielsweise der FC Bayern darauf beharrt, kein finanzielles Risiko einzugehen und in der Breite jungen Spielern vertrauen will, jongliert man auf dem internationalen Markt längst mit neuen Rekordsummen aus dem Wunderland.

Paris Saint-Germain holte Sergio Ramos, Gianluigi Donnarumma, Georginio Wijnaldum, Achraf Hakimi und Danilo. Dass bis auf die beiden Letzteren alle Spieler ablösefrei kamen, ist nur bedingt als "Aber"-Argument gültig. Die Gehälter und Handgelder haben überdimensionale Maße angenommen. Bei Paris werden in der neuen Saison wieder vermeintliche Stammspieler zu Vertretern neuer - und noch teurerer - Stars. Das Niveau hebt sich immer wieder an.

Bei Real Madrid kam David Alaba, den der FC Bayern nicht besser bezahlen wollte und konnte. Nun kassiert er knapp 120 Millionen Euro für fünf Jahre und als Willkommensbonus für den Wechsel schon mal 17,7 Millionen Euro. Zwar ist durch den Weggang von Ramos und Varane ein Ausgleich zu erkennen, aber Real hat ja noch nicht mal angefangen auf dem Transfermarkt.

FC Bayern München droht Anschluss zu verlieren

Da sind die Engländer schon weiter. Bei Borussia Dortmund war man einigermaßen entspannt, dass es in Europa keinen Klub geben kann, der die imaginäre Schmerzgrenze für einen Verkauf von Erling Haaland erreichen würde. Zwar macht auch der Norweger offiziell keine Anstalten, die Borussen verlassen zu wollen, aber bei Chelsea kratzt man wohl gerade ein paar Gelder zusammen, um einen neuen Stürmer zu holen und am liebsten Haaland. Oder Romelu Lukaku von Inter Mailand. Und da Inter offenbar das erste Angebot über 100 Millionen Euro Ablöse abgelehnt hat, kratzt man in London eben noch ein paar Millionen extra zusammen für ein bald folgendes neues Angebot.

Dass man in England längst wieder im Alltagswahn angekommen ist, beweist wohl auch wieder die erhöhte Wanderung aus Deutschland nach England. Nach Sancho sind auch Ibrahima Konate (von RB Leipzig zum FC Liverpool) und Leon Bailey (von Bayer Leverkusen zu Aston Villa) in diesem Sommer nach England gewechselt. Die Bundesliga ist in den letzten Jahren ein wenig zu einem Sprungbrett für angehende Stars, die gerne in die Premier League wollen, verkommen.

Das könnte vor allem ein Problem für den FC Bayern werden, der gerne international weiter bei den ganz Großen mit dabei sein will, aber jedes Jahr noch ein bisschen mehr kreativ sein muss, um den Anschluss nicht zu verlieren. Schon vor der Pandemie war der FC Bayern nicht zu Schandtaten bereit. Nun ist man dazu nicht mehr in der Lage.

Wie sehr sich die Situation verändert hat, sieht man an den aktuellen Leistungsträgern. Einst war klar: Will der FC Bayern seine Stars halten, ging das mehr oder weniger geräuschlos über die Bühne. Mit David Alaba hat man nun ein Aushängeschild verloren. Mit Kingsley Coman, der sich gleich mal Alabas Berater zur Seite holte, droht der nächste Stammspieler das Weite zu suchen. Dass Leon Goretzka bleibt, ist auch nicht besiegelt und wird noch ein Kraftakt für die Münchener.

Manchester United: Pogbas irre Vertragsklausel

Manchester United, das seit Jahren weder national noch international großartige Erfolge vorweisen kann, könnte sich einen Coman und einen Goretzka locker leisten. In welchen Sphären der Klub handelt, beweist der Fall Paul Pogba. Medien berichten von einer Klausel, wonach Manchester United dem Franzosen 17,5 Millionen Euro überweisen muss, wenn man ihn in diesem Sommer verkauft.

Behält man Pogba, der eigentlich weg will, muss man sein fürstliches Gehalt weiter bezahlen und ihn am Ende der Saison ablösefrei ziehen lassen. Vorsorglich hat United Pogba ein neues Vertragsangebot gemacht: 407.000 Euro pro Woche, anstatt 292.000 Euro wie bisher. Pogba lehnte ab - auch weil er weiß, dass er woanders mehr verdient?

Bei United wird man aber nicht panisch. Irgendeine Lösung wird es schon geben und wenn es sein muss, ist sie halt teuer. Bei derartigen Investitionsmöglichkeiten darf die Frage gestellt werden, warum gerade die englischen Klubs die Super League eigentlich noch brauchen. Wie viel mehr könnten sie denn noch investieren? Und vor allem in wen? Der Fußball begibt sich in endlose Sphären. Und nicht einmal ein Supercomputer kann das Ende erahnen.