Johan Vonlanthen im Interview: "Matthäus hat sich für mich eingesetzt und ständig angerufen"

Von Dennis Melzer
Johan Vonlanthen.
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Nach Ihrer Rückkehr in die Schweiz 2009, als Sie beim FC Zürich anheuerten, begann sich die Presse offensichtlich für Ihre Zugehörigkeit bei den Siebenten Tags Adventisten zu interessieren. Was war der Hintergrund?

Vonlanthen: Ich möchte vorab sagen, dass ich ein gläubiger Mensch bin, aber was daraus gemacht wurde, war unsäglich. Ich habe in Salzburg einer kleinen Adventisten-Zeitschrift ein Interview gegeben, in dem ich meine Gedanken über die Bibel und Gott geteilt habe. Da fing das Ganze an. Man hat sich nicht darum gekümmert, was ich als Mensch durchmache, sondern darüber berichtet, dass ich einer Sekte angehöre. Es hat niemanden interessiert, was genau los war.

Was hatte es mit der Geschichte auf sich, dass Sie samstags Ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen wollten, weil die Adventisten den Sabbat halten?

Vonlanthen: Weil die Adventisten Sabbat halten, wurde geschrieben, dass ich fortan ein Problem habe. Für mich war Fußball aber sehr wichtig. Einige Leute aus der Glaubensgemeinschaft haben Druck ausgeübt, dass ich eine Entscheidung treffen müsse, aber ich wollte selbst über meine privaten Angelegenheiten bestimmen und meine Ruhe haben. Das war eine schwierige Zeit für mich, aber das Thema ist nun abgehakt und ich möchte das nicht weiter vertiefen. Das Wichtigste ist, dass ich glücklich mit meiner Frau bin und zwei wundervolle Kinder habe.

Nach zwei Jahren beim FC Zürich kehrten Sie nach Kolumbien zurück und blieben zwei Jahre dort. Was war Ihr Antrieb?

Vonlanthen: Die Berichte lösten unter anderem das Bestreben aus, mit meiner damals schwangeren Frau zurück nach Kolumbien zu gehen. Ich wollte, dass mein Kind in einem guten Umfeld auf die Welt kommt. Außerdem hatte ich immer den Wunsch, einmal in meinem Geburtsland zu spielen und bin zu Itagüi Ditaires gewechselt. Vornehmlich habe ich aber in Kolumbien viel Zeit mit meiner Familie verbracht.

Johan Vonlanthen über die Erwartungen der Schweizer Presse

Für Itagüi spielten Sie lediglich fünfmal. Warum?

Vonlanthen: Ich hatte Knieprobleme, nachdem in Zürich ein Knorpelschaden festgestellt worden war. Kurz nach der Champions League habe ich mich in der Winterpause einer Operation unterzogen, aber die Schmerzen blieben. Ich habe in der Rückrunde gespürt, dass ich mein Knie kaum noch beugen konnte. Auch aus diesem Grund endete meine Zeit beim FCZ. Obwohl der Verein mir trotzdem eine Vertragsverlängerung anbot, wusste ich, dass ich nicht mehr hundert Prozent geben konnte. Deshalb unterschrieb ich nicht. Aber dieser Thematik widmeten sich die Medien nicht, sondern fokussierten sich ausschließlich auf die Glaubensgeschichte. Was ich außerdem traurig fand, war, dass mein Berater plötzlich nicht mehr so präsent war wie zuvor. Die Leute, die zu meinem engeren Umfeld zählten, waren von einem auf den anderen Tag weg und ich habe gemerkt, dass ich ihnen offenbar nicht mehr so wichtig bin.

Dass Sie nicht unbedingt als Liebling der Schweizer Presse galten, haben Sie bereits ausführlich geschildert. Wie war das Medienecho, als Sie 2013 bei den Grasshoppers auftauchten?

Vonlanthen: Die Erwartungen waren wieder auf hundert Prozent, so wie zu Beginn meiner Karriere, als mir der Stempel "Jahrhunderttalent" aufgedrückt wurde. Ich selbst habe übrigens nie etwas in diese Richtung gesagt.

Konnten Sie die Erwartungen erfüllen?

Vonlanthen: In der Zwischenzeit wurde mir eine Membran eingesetzt und das Knie schwoll nach dem Training nicht mehr an. Das war für mich ein Zeichen, dass ich wieder zurückkommen kann. Ich konnte ohne Schmerzen sprinten, Krafttraining machen und Fußball spielen. Mein erstes Spiel gegen St. Gallen lief aber katastrophal, ich war überhaupt nicht richtig auf dem Platz. Weil ich mich viel zu sehr auf das konzentriert habe, was die Leute von der Tribüne mir zuriefen.

Und zwar?

Vonlanthen: "Vonlanthen, was willst Du hier? Geh zurück in Deine Kirche!" Nach der Partie war es sehr schwierig, zurück in die Startelf zu kommen, weil meine Konkurrenten einen super Job gemacht hatten und ihre Chance nutzten. Es gab überhaupt keinen Grund, mich wieder einzusetzen. Danach haben wir uns entschlossen, einen Schritt zurückzugehen. Ich bin in die zweite Liga zum FC Schaffhausen gewechselt, um mehr Spielpraxis zu bekommen. Das Team war sehr ambitioniert und wollte aufsteigen. Es lief auch wirklich gut, weil ich mit Maurizio Jacobacci einen tollen Trainer hatte. Ich hätte sicherlich neun oder zehn Tore machen müssen, stattdessen vergab ich viele gute Chancen. Als Offensivmann wirst du an Toren und Vorlagen gemessen.

Die Karrierestatistiken von Johan Vonlanthen im Überblick

TeamsSpieleToreVorlagenTitel
1139374423 (niederländischer Meister, 2x österreichischer Meister)

Dann versuchten Sie Ihr Glück in Genf.

Vonlanthen: Genau, bei Servette traf ich das Tor endlich wieder (lacht). Wir waren lange Tabellenführer, bis es zu dem Achillessehnenriss kam. Übrigens: alle schwerwiegenden Verletzungen, die eine Operation nach sich zogen, traten auf der linken Seite auf - der Leistenbruch, der Knorpelschaden und der Achillessehnenriss. Ich wäre wahrscheinlich trotzdem in Genf geblieben, aber der Verein ging pleite und stieg in die dritte Liga ab. Und dann kam meine letzte Station, Wil.

Sie haben eine bewegte Karriere hinter sich und arbeiten mittlerweile als Spielerberater. Was geben Sie Ihren Klienten mit auf den Weg?

Vonlanthen: Ich achte bei den talentierten Spielern sehr auf das Umfeld, versuche zu erkennen, ob die Eltern es gut mit ihren Kindern meinen. Es geht darum, dass die Spieler auf dem Boden bleiben, immer an sich arbeiten. Sie müssen wissen, dass mit dem Job als Fußballprofi ein hohes Risiko einhergeht, es kann immer etwas passieren. Schwere Verletzungen können im schlimmsten Fall das Aus bedeuten. Aus diesem Grund vermittle ich den Spielern, dass sie vorsorgliche Maßnahmen treffen sollten. Ich spreche da aus Erfahrung.