"Gegen Bayern brauche ich keine Argumente"

Ernst Tanner arbeitet in der Red-Bull-Akademie in Liefering
© imago/red bull
Cookie-Einstellungen

SPOX: Für den Bau der Akademie wurden keine Kosten gescheut. Welche Rolle spielt die technische Ausstattung in Ihrem Gesamtkonzept?

Tanner: Unsere Ausstattung ist auf dem neuesten technischen Stand und wir wollen in manchen Bereichen auch Pionierarbeit betreiben. Wir haben aber auch klare Vorstellungen davon, wie wir spielen wollen und daraus leiten sich entsprechende Methoden ab.

SPOX: Inwieweit unterscheidet sich die Ausbildung zu Ihren Stationen in Deutschland?

Tanner: Der Fußball hat sich weiterentwickelt. Wir würden zum Beispiel nie wieder so arbeiten wie bei 1860 vor 15 Jahren obwohl das erwiesenermaßen erfolgreich war. Wir haben früher zwar auch immer versucht, mit den neuesten Trends mitzugehen, aber in Salzburg haben wir besonders im psychologischen Bereich ganz andere Möglichkeiten. Wir kooperieren mit Unis und arbeiten eng mit der Deutschen Sporthochschule zusammen, besonders mit dem Institut für Kognitions- und Spielsportforschung. Dadurch haben wir einen sehr guten Einblick in die neuesten Studien und können diese in unsere Arbeit einfließen lassen. Zudem haben wir wie erwähnt eine eigene Spiel- und Ausbildungsphilosophie!

SPOX: Welche Rolle spielt Dietrich Mateschitz?

Tanner: Das Gesamtkonstrukt Red Bull ist ein Global Player im Fußball. Wir haben eine Akademie in Südamerika und kooperieren mit einer anderen in Afrika. Es ist extrem schwierig, die Philosophie auf diese Standorte mit anderen Kulturen zu übertragen. Bei uns funktioniert das sukzessive und letztlich läuft alles hier in Liefering zusammen. Wenn es Richtung Profi-Fußball geht, werden die Spieler wieder neu verteilt, zum Beispiel nach Leipzig oder auch mal New York. Damit sind wir im deutschsprachigen Raum der Vorreiter.

SPOX: Können wir also in naher Zukunft viele Talente aus Ihrer Akademie erwarten?

Tanner: Konrad Laimer ist mit 19 Jahren schon Stammspieler in unserer Profi-Mannschaft und hat bereits viele Angebote vorgelegt bekommen. Mit Xaver Schlager ist das nächste Talent schon auf dem Sprung. In den nächsten Jahren wird es aus der Akademie viele Talente geben. Für uns ist es eine große Ehre, wenn wir Spieler ausbilden, die international für Furore sorgen. Ich war letztens im Senegal und dort kennen alle Salzburg, weil wir einen Spieler wie Sadio Mane bei uns hatten. Und bei den Talenten gibt es mittlerweile ja auch Follower.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Tanner: Die Spieler wollen zu uns. Wir haben im 98er-Jahrgang bei Dayot Upamecano die Bayern ausgestochen. Bayern München wollte ihn direkt vom Flughafen zu sich holen, aber der Spieler wollte zu uns.

SPOX: Welche Argumente haben Sie denn gegenüber den Top-Klubs wie Bayern?

Tanner: Gegen Bayern brauche ich keine Argumente. Wenn man sich die Jugend des FCB anschaut, erklärt sich das von alleine. Und in Sachen Durchlässigkeit haben die Bayern keine Chance gegen uns. Dayot hat nicht mal ein Jahr in Liefering gebraucht, um sich zu stabilisieren und gehört jetzt zum Stamm der ersten Mannschaft - und er ist Ende Oktober erst 18 Jahre alt geworden.

SPOX: Wirkt die öffentliche Dauerkritik gegen Red-Bull-Vereine nicht abschreckend auf die Jugendlichen?

Tanner: Mich persönlich kratzt die RB-Kritik nicht. Mir ist das völlig egal, wenn irgendwelche Idioten Hasstiraden ins Internet stellen. Die Spieler haben Woche für Woche harte Spiele, weil das Spiel gegen Red Bull immer etwas Besonderes ist. Da geht's auf die Knochen und es wird auch verbal eher harsch. Aber so lernen unsere Spieler, sich nicht nur spielerisch zu wehren. Anfeindungen gibt es überall, in Hoffenheim habe ich zum Beispiel die Lärm-Affäre miterlebt. Wenn wir ins Stadion gefahren sind, habe ich die Stinkefinger gezählt. Wenn weniger Stinkefinger da waren, waren wir enttäuscht. Irgendwann ebbt es sowieso ab. Das sieht man auch in Hoffenheim.

SPOX: Sie haben sowohl bei der TSG als auch jetzt in Salzburg mit einem Investor zu tun. Gibt es auch Kehrseiten?

Tanner: Natürlich ist es immer eine Frage, wie man das Geld einsetzt. Aber Dietmar Hopp hat für die Region einen Bundesligisten geschaffen. Ursprünglich wollte er Traditionsvereine wie Waldhof Mannheim oder den KSC stützen, nur haben die geblockt. Aber er hat gesehen, dass es diese Vereine nicht aus eigener Kraft schaffen und er wollte etwas bewegen. Ich sehe das in England viel kritischer.

SPOX: Warum?

Tanner: Dort betreiben chinesische "Unternehmer" seit neuestem Business und besitzen dann plötzlich zehn Vereine. Als Europäer können wir hier nur schwer oder gar nicht hinter die Kulissen schauen und prüfen, ob es nicht irgendwelche Verflechtungen gibt. So wird wesentlich mehr als Kultur und Wettbewerbsgleichheit zerstört. Aber soweit müssen wir gar nicht schauen. Nach den Werksvereinen kräht ja auch kein Mensch mehr. Jetzt hat man mit RB Leipzig ein neues Feindbild geschaffen, das wird sich wieder zerschlagen. Im Übrigen belegen Erhebungen, dass die Region Leipzig enorm vom Fußball profitiert und die Menschen dort froh über das Engagement von Red Bull sind. Aber diese Menschen laufen nicht mit Lautsprecher herum. Es gibt viel Positives, aber das Negative verkauft sich besser.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema