Stefan Krämer vom 1. FC Magdeburg im Interview: "Manchmal ergreife ich sofort die Flucht"

Von Max Schrader
Stefan Krämer trainierte von Januar 2016 bis Oktober 2017 dem KFC Uerdingen.
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Seit dieser Saison trainiert Stefan Krämer den 1. FC Magdeburg. Im Interview mit SPOX und Goal spricht Krämer unter anderem über seine Auftritte als DJ, das schwierige Arbeiten beim KFC Uerdingen und warum er sich oft chilenischen Fußball ansieht.

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Außerdem erklärt Krämer, was beim 1. FC Magdeburg einzigartig ist und warum er oft aus der Spielerkabine flüchtet.

Herr Krämer, als Spieler kickten Sie für den FV Bad Honnef und den FV Rheinbrohl, ehe Sie mit Anfang 30 nach einer Bänderverletzung im Knie Ihre Karriere beenden mussten. Sie sind zudem studierter Diplom-Sportlehrer und waren nach Ihrer Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Sporthochschule Köln neun Jahre lang für eine private Krankenversicherung tätig. Von einer Trainertätigkeit im Profibereich waren Sie da noch weit entfernt.

Stefan Krämer: Das stimmt, aber Trainer war ich damals schon. Erst in Rheinbrohl, dann bei der TSG Irlich und von 2002 bis 2011 beim SV Roßbach/Verscheid in der Oberliga Südwest. Ich habe mich bei der Versicherung überwiegend um verletzte Sportler gekümmert. Das Beste an dem Job war, dass ich mir die Zeit selbst einteilen konnte. Daher habe ich damals schon fast wie ein professioneller Trainer gearbeitet. Ich wusste schon während meiner aktiven Zeit, dass ich Trainer werden möchte. Ich wollte immer wissen: Bringt uns diese Übung weiter oder ist das nur Bewegungstherapie? In der Oberliga habe ich mir vor 200 Zuschauern genauso viele Gedanken gemacht wie heute vor 20.000. Ich könnte auch gut damit leben, wenn ich in der Verbandsliga arbeiten würde.

SPOX-Mitarbeiter Max Schrader traf Stefan Krämer in der Magdeburger MDCC Arena zum Interview.
© Max Schrader
SPOX-Mitarbeiter Max Schrader traf Stefan Krämer in der Magdeburger MDCC Arena zum Interview.

Erst nach neun Jahren als Trainer haben Sie sich entschieden, den Lehrgang zum Fußballlehrer zu absolvieren. Weshalb, wenn Sie nicht zwingend Profi-Trainer werden wollten?

Krämer: Ich wollte die beste Ausbildung haben und meinen Horizont erweitern. Als ich mich bewarb, war noch nicht einmal klar, ob ich überhaupt genommen werde. Es waren nur 24 Kandidaten zugelassen.

Wie war's letztlich?

Krämer: Die Gespräche mit der Gruppe waren sehr förderlich, weil viele aus dem Profibereich dabei waren - unter anderem Markus Weinzierl, Frank Schmidt oder Markus Gisdol. Ich konnte viel lernen, wie es ganz oben wirklich aussieht. Überraschenderweise haben die sich auch dafür interessiert, wie es bei mir weiter unten zugeht. Man wollte mir zum Beispiel erst nicht glauben, dass ich bei einem Klub auch schon den Rasen gemäht habe.

Nachdem Sie den Fußballlehrer im März 2011 als Viertbester des Jahrgangs bestanden hatten, wurden Sie im Sommer plötzlich Co-Trainer bei Arminia Bielefeld unter Cheftrainer Markus von Ahlen - in der 3. Liga, im Profibereich. Wie kam es dazu?

Krämer: Die Arminia war abgestiegen, Markus wurde neuer Trainer und er suchte einen Assistenten. Man hat daher bei Frank Wormuth, dem ehemaligen Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung, nachgefragt, ob er denn nicht jemanden empfehlen könnte. Aus irgendeinem Grund hat er dann meinen Namen genannt. Dafür bin ich ihm auch heute noch sehr dankbar. Ich hatte in Markus' Zeit als A-Jugend-Trainer bei Bayer Leverkusen einmal bei ihm hospitiert, besser kannten wir uns aber nicht. Die Position des Co-Trainers ist schon sehr sensibel, weil ein absolutes Vertrauensverhältnis da sein muss. Nicht ohne Grund nehmen Trainer ihre Teams von Verein zu Verein mit.

Nach dem zehnten Spieltag der Saison 2011/12 wurde von Ahlen wegen Erfolglosigkeit entlassen und Sie wurden Interimstrainer. Wie erinnern sich Sie an diesen Moment?

Krämer: Ich habe gesagt, dass sie mich auch entlassen müssen. Wir haben die Dinge ja gemeinsam fabriziert. Doch der Verein wollte, dass ich unbedingt bleibe. Es war Länderspielpause und ich sollte vorübergehend nur das Training leiten. Der Mannschaftsrat hat sich dann nach den ersten Einheiten enorm für mich stark gemacht - warum auch immer. Danach wurde es ganz verrückt: Wir gewannen ein Testspiel und zeitgleich sagten mehrere Trainer ab. Da der Verein somit noch Zeit brauchte, sollte ich die nächsten zwei Wochen weitermachen.

Und dann startete Ihre Erfolgsgeschichte mit der Arminia. Nach mehreren Siegen etablierte sich die Mannschaft in der Spitzengruppe und stieg am Ende der Saison 2012/13 in die 2. Liga auf.

Krämer: Ich weiß noch, dass wir das erste Spiel gegen Heidenheim verloren hatten. Von Dezember bis Mai gab es dann aber nur noch eine einzige Pleite. Wir hatten, um es mit einer Fußball-Floskel zusagen, das Spielglück auf unserer Seite. Ich kann es selbst nicht mehr hören, aber dieses Quäntchen braucht man einfach, um erfolgreich zu sein. Irgendwie entwickelte sich alles so gut, dass wir nicht mehr zu besiegen waren.

Auch Ihre Art kam bei den Bielefelder Fans gut an. Sie sollen sehr beliebt gewesen sein.

Krämer: Das hätte mir aber nichts geholfen, wenn ich kein Spiel gewonnen hätte. Merken die Leute, dass der Trainer nicht nur Müll labert und immer ehrlich ist, ist das natürlich ein Vorteil. Ich war für die Spieler aber noch nie ein Kumpeltyp, denn zu einem guten Verhältnis zwischen Trainer und Spieler gehört einfach Kritik. Wenn ich jemanden kritisiere, dann ist das eigentlich etwas Gutes. Kritik ist eine Art Wertschätzung. Heutzutage bekommt man nur Leistung, wenn man Sinn bietet. Jeder Spieler will wissen, warum er etwas tun muss. Es bringt nichts, wenn ich einfach ein Programm durchziehe. Was aber auch klar ist: Bin ich von etwas überzeugt, kann mich selbst der Papst nicht umstimmen.

Als Sie nach Ihrem Aus in Bielefeld zur Saison 2014/15 zu Energie Cottbus gingen, waren Teile der Fans nicht besonders begeistert über ihre Verpflichtung.

Krämer: Ja, weil manche unglücklich darüber waren, woher ich komme. Ich lese zwar keine Foren, aber man kommt ja gar nicht daran vorbei, das mitzubekommen. Mir ist es am Anfang nicht wichtig, was die Leute über mich denken. Wichtig ist, was sie denken, wenn ich wieder gehe. Bislang war es nicht der Fall, dass ich geteert und gefedert rausgeschmissen wurde. Der Profifußball ist einfach ein lebendes Tier, als Trainer bist du meist nur für eine gewisse Phase der Richtige. In Cottbus wurde ich meiner Meinung nach viel zu früh entlassen. Das war zu dem Zeitpunkt total unnötig, weil wir aus meiner Sicht nicht abgestiegen wären. Später bei Rot-Weiß Erfurt waren die großen finanziellen Probleme ausschlaggebend für mein Ende. Die Entscheidungsträger in einem Klub wollen ja nur das Beste für ihren Verein, von daher bin ich auch keinem böse.

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