Holstein Kiel - Bayern München 6:5 i.E.: FCB blamiert sich in der 2. Pokalrunde bei Zweitligist

Von Philipp Schmidt
Manuel Neuer und Thomas Müller lamentieren: Der FC Bayern ist im Pokal an Holstein Kiel gescheitert.
© getty

Der FC Bayern München hat sich beim Zweitligisten Holstein Kiel im Nachholspiel des DFB-Pokals im Elfmeterschießen (5:6, 2:2 nach 120 Minuten) blamiert und ist bereits in der 2. Runde gescheitert. Zuletzt waren die Bayern vor 20 Jahren derart früh aus dem Pokal ausgeschieden.

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Nachdem Hauke Wahl die Gastgeber in allerletzter Sekunde in die Verlängerung gerettet hatte, sorgte ein Fehlschuss von Marc Roca im Elfmeterschießen für die Sensation. Alle sechs Kieler Schützen gaben sich dagegen vom Punkt keine Blöße.

"Wir wussten, dass die Chance sehr klein ist und haben es ins Elfmeterschießen geschafft. Wir wussten, dass wir einen Elfmeterkiller haben, wir mussten nur so weit kommen. Das war schon geil. Wir hatten nichts zu verlieren", sagte Wahl nach dem Spiel in der ARD. Im Achtelfinale des Pokalwettbewerbs, das am 2. und 3. Februar ausgetragen wird, treffen die Kieler im heimischen Stadion mit dem SV Darmstadt 98 auf einen Ligakonkurrenten.

Der FC Bayern erreicht erstmals seit der Saison 2000/01 nicht das Achtelfinale des DFB-Pokals, damals scheiterte der FCB im Elfmeterschießen am Viertligisten 1. FC Magdeburg (2:4 i.E.). "Wir haben es zusammen als Team geschafft. Mit dem 1:1 sind wir auch mit dem Ball selbstbewusster geworden", erklärte Siegtorschütze Bartels. Ins Elfmeterschießen sei man mit der Einstellung "Wir hauen die Dinger rein, wir haben nichts zu verlieren" gegangen. "Wir haben uns das redlich verdient."

"Das ist der Pokal. Ich hätte das auch nicht unbedingt gebraucht, aber wir müssen mit dem Ergebnis leben. Wir müssen sehen, dass wir wieder in die Spur kommen", erklärte Hansi Flick. Man müsse das Spiel analysieren und abhaken, am Wochenende stehe schließlich das nächste Spiel an. Sein Fazit: "Wir haben viel zu tun."

"Wir haben gegen einen Underdog verloren, der alles in die Waagschale geworfen hat. Wir hatten in der ersten Halbzeit gute Tormöglichkeiten und keine Pokalsensation, die sich von der ersten Minute an abgezeichnet hat", erklärte ein "bedienter" Thomas Müller das Ausscheiden. "Auch wenn es sich blöd anhört nach einer Pokalniederlage gegen einen Underdog aus Kiel - das Spielglück war nicht auf unserer Seite. Es ist sicherlich nicht die beste Phase des FC Bayern. Man kann uns nicht vorwerfen, dass wir mit einer Larifari-Einstellung das Spiel abgeschenkt hätten. Das Ausscheiden ist brutal, das muss man erst einmal sacken lassen."

Holstein Kiel - Bayern München: Die Analyse

Holstein, in der 2. Liga mit 29 Punkten auf einem starken dritten Platz stehend, brachte mit Porath und Mees zwei neue Spieler. Hansi Flick warf beim FCB hingegen die Rotationsmaschine an und tauschte fünfmal. Unter anderem starteten Musiala und Tolisso, während Lewandowski und Alaba auf der Bank Platz nehmen durften.

Die Bayern setzten in vorderster Front auf Müller als Lewandowski-Ersatz, während Youngster Musiala dessen Position hinter der Spitze übernahm. Tolisso gab den Part neben Kimmich im Zentrum als Ersatz für den angeschlagenen Goretzka. Da Süle wieder in die Innenverteidigung rückte, erhielt auch der zuletzt kaum berücksichtigte Sarr eine Chance hinten rechts.

"Wir haben Lust, unser Ziel ist der Pokalsieg", sagte Flick vor dem Spiel und der FCB, der in einem Retrotrikot mit drei blau-weißen Streifen über der rechten Schulter auflief, übernahm sofort die Kontrolle. Durch schnelles Direktspiel wurde versucht, zum Erfolg zu kommen. Auffällig, dass Müller nahezu überall zu finden war und häufig auf den rechten Flügel auswich. In der Offensive zeigten sich die Münchner äußerst variabel und kamen nach Ablage von Müller durch Kimmich zu einem ersten Abschluss (10.).

Holstein war bemüht, sich nicht allzu sehr einzunisten und nach Balleroberungen nach dem Vorbild Mönchengladbachs schnell den Weg hinter die Abwehrreihe des FCB zu suchen. Über den Versuch kamen die Hansestädter aufgrund fehlender Genauigkeit, häufiger Abseitsstellungen und einem gut mitspielenden Neuer zunächst nicht hinaus.

FC Bayern geht durch Abseitstreffer in Führung

Für die bayrische Führung brauchte es dennoch die Mithilfe von Keeper Gelios sowie der Unparteiischen: Einen harmlosen Kopfball von Müller wehrte der Kieler Keeper schwach ab, der deutlich im Abseits stehende Gnabry schob ein. Den Videoschiedsrichter gibt es im DFB-Pokal jedoch erst ab dem Achtelfinale.

Gut zehn Minuten später wurde es erneut nach einer Kombination Müller-Gnabry knapp, abgesehen von einer Müller-Großchance beschränkte sich der Rekordpokalsieger ansonsten auf das Notwendigste. Das sollte sich rächen: Nach starkem Zuspiel von Dehm stand Süle zu hoch, Sarr konnte nicht mehr eingreifen, Bartels traf frei vor Neuer cool ins lange Eck. Beim Remis zur Pause sollte es trotz eines Kieler Abseitstreffers (Park) sowie mehrerer Bayern-Chancen (Müller, Musiala) bleiben.

Einer möglichen Sensation nahm Sane kurz nach dem Seitenwechsel mit einem traumhaften Freistoßtreffer den Wind aus den Segeln. An den Abwehrproblemen der Gäste, die eine gute Chance von Mühling nach Stellungsfehler von Davies unterstrich, änderte der Treffer jedoch nichts. Das Spiel nahm zunehmend Fahrt auf, da Holstein das Visier öffnete und dadurch Bayern zum Umschalten einlud.

Kiel verkaufte sich weiter teuer, wobei die Bayern lange näher am 3:1 waren als der Underdog am Ausgleich. Musiala traf nur den Außenpfosten, bei zunehmendem Schneetreiben war Porath noch am nächsten an der Verlängerung. Dann kam die fünfte Minute der Nachspielzeit - und der Kopfballversuch von Wahl, der den Ball freistehend mit der Schulter ins Tor bugsierte.

Die Verlängerung brauchte etwas, um auf Touren zu kommen. Kimmichs Abschluss wurde geblockt, Reese zielte zu weit nach rechts. Eine Drangphase des FC Bayern blieb in den ersten 15 Minuten aus. Das änderte sich im zweiten Durchgang, Davies und der eingewechselte Roca prüften den starken Gelios - eine Drangphase blieb ohne Erfolg Im Elfmeterschießen hielt Gelios nach zehn erfolgreichen Versuchen gegen Bayerns Roca, Bartels machte die Sensation perfekt.

Holstein Kiel - Bayern München: Die Stimmen zum Spiel

Ole Werner (Trainer Holstein Kiel): "Ich habe gerade in der Kabeine ziemlich viele verwirrte Menschen getroffen. Es ist ein außergewöhnliches Erlebnis und etwas, an das man sich in vielen Jahren noch erinnert. Wir sind in die Situationen gekommen, die wir uns vorgestellt hatten. Wir waren mutig, das war der Schlüssel, um im Spiel Fuß zu fassen."

Hansi Flick (Trainer Bayern München): "Natürlich ist es ein Schock. Wir sind enorm enttäuscht. Letztendlich hat die Mannschaft tolle Moral bewiesen und auch das Spiel bestimmt. Umso ärgerlich ist es, dass wir in letzter Sekunde das 2:2 hinnehmen mussten. Glückwunsch an Kiel. Wir müssen es abhaken und die Dinge besser machen."

Holstein Kiel - FC Bayern: Die Aufstellungen

Kiel: Gelios - Dehm, Wahl, Thesker (80. Komenda), van den Bergh - Meffert (84. Serra) - Mühling (84. Arslan), Porath (77. Hauptmann) - Bartels, Lee, Mees (77. Reese). - Trainer: Werner

München: Neuer - Sarr (85. Pavard), Süle, Hernandez, Davies - Kimmich, Tolisso (106. Alaba) - Gnabry (90.+2 Roca) - Musiala (74. Lewandowski), Thomas Müller, Leroy Sane (74. Douglas Costa). - Trainer: Flick

Holstein Kiel - FC Bayern: Daten des Spiels

  • Tore: 0:1 Gnabry (14.), 1:1 Bartels (37.), 1:2 Sane (48.), 2:2 Wahl (90.+5)
  • Elfmeterschießen: 0:1 Lewandowski, 1:1 Wahl, 1:2 Kimmich, 2:2 Arslan, 2:3 Müller, 3:3 Serra, 3:4 Alaba, 4:4 Lee, 4:5 Costa, 5:5 Hauptmann, Gelios hält gegen Roca, 6:5 Bartels
  • Manuel Neuer absolvierte sein 410. Pflichtspiel für den FC Bayern und zog somit mit Lothar Matthäus gleich. Er ist auch der einzige Bayer, der bei jedem Pflichtspiel dieser Saison in der Startelf stand.

  • Thomas Müller spielte in seinem 58. Pokalspiel und zieht somit an Oliver Kahn vorbei (57). Nur drei Spieler liefen in mehr Pokalspielen für den FCB auf (Beckenbauer 61, Gerd Müller 62 und Sepp Maier 63).

  • Die letzte Pokalniederlage gegen einen Zweitligisten kassierte der FC Bayern bereits fast 17 Jahre her. Damals verloren die Münchner im Viertelfinale mit 1:2 am Aachener Tivoli (Tore: Blank, Meijer; Ballack).
  • Seit Serge Gnabry sein erstes Pflichtspieltor schoss (3. November 2018 gegen Freiburg) erzielte nur Lewandowski (107) mehr Pflichtspieltore als er (41).

  • Die Bayern hielten in den ersten 25 Pflichtspielen dieser Saison nur fünf Weiße Westen, in der Vorsaison waren es nach den ersten 25 Spielen noch sieben (22 insgesamt in 49 Spielen).

  • Der FC Bayern erreicht erstmals seit der Saison 2000/01 nicht das Achtelfinale des DFB-Pokals, damals scheiterte der FCB im Elfmeterschießen am Viertligisten 1. FC Magdeburg (2:4 i.E.).

Der Star des Spiels: Fin Bartels (Holstein Kiel)

Zahlreiche Spieler der couragierten Kieler könnten an dieser Stelle stehen, beispielsweise Hauke Wahl, der Fels in der Brandung und 2:2-Schütze, oder Jonas Meffert in der Mittelfeldzentrale. Routinier Bartels schob stark zum 1:1 ein und verwandelte den entscheidenden Elfmeter.

Der Flop des Spiels: Niklas Süle (FC Bayern)

Wurde im Vorfeld des 1:1 mit einem simplen Pass aus dem Spiel genommen und wirkte schwerfällig. Hatte in der 69. Minute Glück, dass ein Luftloch ungestraft blieb. Süle ist aktuell weit von seiner Topform entfernt.

Der Schiedsrichter: Robert Schröder

Der Hannoveraner kann wenig für die Fehlentscheidungen seines Assistenten, aber er ist nun einmal der Chef auf dem Rasen. Deshalb muss das irreguläre 1:0 auch ihm angelastet werden. Bei Müllers Großchance hingegen wurde fälschlicherweise auf Abseits entschieden. Abgesehen davon ohne gröbere Fehler, aber nicht immer einheitlich in der Zweikampfbeurteilung und der Kartenverteilung.