Kommentar zum FC Barcelona: Es braucht einen Neuanfang - mit Xavi

Einst Teamkollegen, bald Trainer und Superstar? Xavi und Lionel Messi verbindet eine lange Historie beim FC Barcelona.
© imago images / Xavier Bonilla

Mit dem desaströsen Auftritt gegen den FC Bayern München (Die Highlights des Spiels im Video) rundet der FC Barcelona eine Saison ab, die als eine der schlechtesten in die Geschichte des Vereins eingehen dürfte. Bei aller Enttäuschung bietet das historische 2:8 den Katalanen aber auch die Chance, einen überfälligen Neuanfang konsequent voranzutreiben - im Idealfall mit einem Altbekannten an der Seitenlinie. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Kerry Hau.

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Gerard Pique ist ein Mann der klaren Worte. Und was der Abwehrchef des FC Barcelona nach der Demütigung gegen den FC Bayern von sich gab, war recht klar.

"Wir sind auf Grund gelaufen, es ist schrecklich, eine Schande", schimpfte er. Man sei an einem Punkt angelangt, an dem man nicht mehr nur Besserung predigen und dann zur Tagesordnung übergehen könne. "Es braucht Veränderungen und zwar auf allen Ebenen", forderte Pique - und sprach damit das aus, was sie in Barcelona lange, selbst nach den CL-Debakeln von Rom und Liverpool in den Vorjahren, verkannten. Allen voran Josep Bartomeu.

Der Präsident und damit Hauptverantwortliche des Klubs schwieg sein personelles und wirtschaftliches Missmanagement in den vergangenen Jahren immer wieder tot und beschuldigte bisweilen sogar die Mannschaft - anstatt seine eigenen Fehler, gerade in Bezug auf die Zusammenstellung des Kaders, einzugestehen.

Sicher, auch die Spieler stehen nach dem Offenbarungseid von Lissabon in der Verantwortung. Aber es ist das große Ganze, was Barca nicht mehr wie Barca erscheinen lässt.

FC Barcelona unter Bartomeu: Von Umbruch keine Spur

Der im Januar 2014 angetretene Bartomeu hat in seiner bisherigen Amtszeit zwar auch Titel gewonnen, es aber nicht geschafft, die von Johan Cruyff entwickelte und Pep Guardiola auf den Thron des Weltfußballs gehobene Spielphilosophie fortzuführen. Nicht mit Trainern wie Luis Enrique oder Ernesto Valverde, die für einen gänzlich anderen Fußball als Cruyff und Guardiola standen. Allerdings auch nicht mit einem Coach, der sich als Verfechter des Tiki-Taka definiert: Quique Setien.

"Ich kann garantieren, dass wir guten und ansehnlichen Fußball spielen werden, mit viel Ballbesitz und Zug nach vorne", sagte Setien nach seinem Amtsantritt im Januar. Sieben Monate später weiß auch er, dass ein Lionel Messi allein nicht reicht, um das zu tun. Die Mannschaft besteht zum Großteil aus Spielern, die ihren Zenit überschritten haben. Mit einem Altersdurchschnitt von 29 Jahren und 329 Tagen stand gegen Bayern die älteste Barca-Startelf in der Champions-League-Historie auf dem Platz. Von einem Umbruch keine Spur.

Schuld daran sind auf der einen Seite die teils ohne klaren Plan getätigten, über 350 Millionen Euro teuren Verpflichtungen von Philippe Coutinho, Ousmane Dembele und Antoine Griezmann, die den Abgang des neben Messi wichtigsten Offensivspielers Neymar nicht vergessen machen konnten und den Klub obendrein in eine prekäre finanzielle Lage manövrierten.

Warum Xavi als Barca-Trainer die romantischere Lösung wäre

Setien, das gehört auch zur Wahrheit, brachte in bedeutenden Spielen nie den Mut auf, eigenen Talenten wie Ansu Fati oder Riqui Puig eine Chance zu geben. Stattdessen setzte er wie gegen Bayern auf eine Barca-untypische Konstellation, nämlich das 4-4-2 mit vier zentralen Mittelfeldspielern, die dem Spiel der Blaugrana Tempo und Tiefe raubten.

Umso besser nun aus Sicht der Katalanen, dass die Quittung für den antriebslosen Angsthasenfußball so deutlich ausfiel. Das 2:8 zeigt allen Beteiligten auf, dass es so nicht weitergehen kann. Es braucht einen Neuanfang. Mit einer veränderten sportlichen Leitung. Mit einem veränderten Kader. Und auch mit einem neuen starken Mann an der Seitenlinie, der nicht nur die Philosophie, sondern auch die Vita und Aura mitbringt, Barca zu trainieren.

Mauricio Pochettino, einst ausgerechnet beim verhassten Nachbarn Espanyol tätig, gilt als Topkandidat auf die Setien-Nachfolge. Dem 48-Jährigen wird nachgesagt, Mannschaften entwickeln zu können. Die Inthronisierung der nicht weniger taktikbesessenen Vereinslegende Xavi nach dem Vorbild Real Madrid (Zinedine Zidane) oder Juventus Turin (Andrea Pirlo) wäre jedoch die bessere, weil romantischere und Barca-nähere Lösung.

Barcelona muss den Nachwuchs wieder mehr fördern

Mit dem 40-Jährigen, der seit 2019 in Katar seine ersten Erfahrungen als Trainer sammelt, kann sich jeder "Cule" auf und abseits des Platzes identifizieren. Außerdem weiß der frühere Mittelfeldspieler wie sein alter Mentor Guardiola um den Stellenwert der Nachwuchsschmiede La Masia. Die zuletzt wenig beachtete eigene Jugend muss - gerade in Zeiten von Corona - wieder mehr gefördert werden.

"Niemand ist unantastbar", sagte Pique nach dem Desaster im Estadio da Luz und bot seinen eigenen Rücktritt an. Nicht grundlos. Der Mann der klaren Worte weiß, dass er mit 33 seine besten Zeiten hinter sich hat. Von den Altgedienten ist Messi noch der einzige bei Barca, der den Ansprüchen auf höchstem Niveau gerecht wird.

Doch auch die Zukunft des Argentiniers scheint nach dem Debakel ungewisser denn je. Inter Mailand soll ihn mit einem sportlich reizvollen Projekt locken. Ein Projekt, von dem sie in Barcelona gerade so weit entfernt sind wie schon lange nicht.