Alternative Liste der Champions League - 4. Spieltag: Und ich sah ein totgerittenes Pferd. Und der darauf saß, war: Tuchel

Von David Kreisl
Die vier apokalyptischen Reiter von Albrecht Dürer - ein Meisterwerk.
© imago images / United Archives International

Wir machen einen Ausflug ins Neue Testament, beschäftigen uns intensiv mit Hermelin-Inzest und müssen dringend mal unseren xGoals-Automaten reparieren. Klingt wild? Ihr habt ja keine Ahnung. Mit Jörg Dahlmann am Ballermann: Die Alternative Liste des 4. Spieltags.

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1. Moralisches Horsd'œuvre: Darf man einen Tag nach dem Tod des vielleicht größten Ballzauberers aller Zeiten schon wieder niveaulose Fußballwitze machen, bei denen es eher früher als später wieder um Pimmel und Schalke gehen wird? Darf man das?

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2. Und die Hölle folgte ihm nach: Darüber, welchen der vier apokalyptischen Reiter wir am ehesten in Thomas Tuchel sehen, sind wir uns noch nicht einig (am ehesten Nick oder AJ?), mit seinen martialisch-epischen Ansprachen nach Paris' Sieg gegen Leipzig hätte der Coach aber auf alle Fälle gut ins Neue Testament gepasst. Über "immer die gleiche Geschichte" der Überlastung müsse er lamentieren, lamentierte er, "das Pferd ist argumentativ totgeritten". Seine Spieler seien "tot", deren "Herzen auf dem Feld" gelassen worden. Klang alles nicht gesund. Weniger biblisch: Einem Reporter, der nach dem sehr schmeichelhaften Dreier dank eines sehr geschundenen Elfmeters nach fehlendem Selbstvertrauen der Spieler fragte, legte Tuchel nahe, er solle das doch bitte in der Kabine seine Spieler fragen, sofern die Anwesenheit seiner "Eier" ihm das erlaube. Nicht überliefert ist, ob Neymar gegen die Bullen am Ende länger auf dem Boden lag als damals bei der WM gegen Mexiko (zu schlagende Zeit: 5:29 Minuten). Immerhin: Der Brasilianer hat den Abend wundersamerweise doch überlebt, wonach es nicht immer aussah. Ach ja: Julian Nagelsmanns Outfit - wieder eher fad ... :(

3. Verbale Unfälle: Da denkt man, man hätte nach dem Durchklicken der (warum auch immer empfohlenen) Facebookgruppe Laura Müller Fanpage und ein paar News zur Lage auf Schalke genug voyeuristische Blicke in die seelischen Abgründe der Menschheit für einen Tag geworfen - und dann kommt Jörg Dahlmann. Und sagt: "Trincao, dessen Trikot ich mir irgendwann holen und an den Ballermann setzen werde."

4. Marco? Parolo!: Zenit St. Petersburg wartet seit vier Spielen vergeblich auf einen Dreier, doch immerhin beglückte uns deren Ex-Kapitän Artjom Dzuba mit einem Schauer aus goldenem AL-Material. Vom Stürmer tauchte vor kurzem ein Video im Internet auf, welches ihn beim Onanieren zeigt. Die Folge? Temporärer Ausschluss aus der russischen Nationalmannschaft, bei Zenit verlor er die Binde. Die Reaktion auf dem Platz? Gegen Lazio holte er erstmal eine ansehnliche Keule raus und besorgte den zwischenzeitlichen Ausgleich. Reichte gegen Lazio aber nicht, weil Immobile gleich zwei wahrliche Hämmer versenkte und auch Marco Parolo St. Petersburg eine ordentliche Peitsche reinschwang. Am Ende sorgte auch noch Dejan Lovren für Lacher, der im eigenen Sechzehner den Schuss eines Mitspielers ins Gesicht abbekam. Dieser Punkt wurde Ihnen präsentiert vom sehr stolzen 14-jährigen Ich des Autors.

5. Selber schuld: Sagt nicht, wir hätten euch am Anfang nicht gewarnt!

6. Der Kraken vom Tegernsee: "Schau ma mal, was für a Linie das' heute wieder nehmen" - dieses Gedicht von einem Satz wurde von Sky Zlatko Junuzovic während einer grobgeschätzt zwölfminütigen VAR-Pause in der Allianz Arena zugeschrieben. Die Linie fiel am Ende zugunsten der Salzburger aus und es stand nur noch 3:1 für die Bayern. Half aber am Ende mal wieder alles nix, weil sich die Bullen trotz zahlreicher herzlicher Einladungen der FCB-Defensive vor dem Tor anstellten, als wären sie ein österreichischer Bundesligist. Der neueste Wunderstürmer aus der Dosenschmiede, Dominik Szoboszlai, machte sogar noch Timo Werner die Auszeichnung für den höchsten Hochschuss des Spieltags streitig, womit man auch nicht mehr gerechnet hätte. Und für alle Bälle, die ausnahmsweise aufs Tor gingen, war ja immer noch Manuel Neuer da, der seine Metamorphose vom Menschen zur Krake bald abgeschlossen haben dürfte. Ob ihn die vielen Nachlässigkeiten seiner Vorderleute beunruhigen würden, wurde dieser nach dem Spiel gefragt: "Wir sind ja überall vorne ...?" Na dann.

7. Weiß und stolz: "Er ist weiß, elegant und stolz darauf, bretonisch zu sein." Klingt wie der Anfang eines Redebeitrags auf einer Querdenken-Demo, den man eher nicht hören will, ist aber - Entwarnung - das erste, was wir auf der Homepage von Stade Rennes über deren Maskottchen Ermining lernen. Ermining ist ein Hermelin, dessen optisch schwer auszublendende Anwesenheit als einziger Zuschauer auf der Gegentribüne das Spiel gegen Chelsea eher zu einer Folge Planet Earth mutieren ließ, bei der wir uns zwischendrin durchaus David Attenborough am Kommentatorenmikrofon gewünscht hätten. Zum Beispiel, um aufzuklären, ob es normales Hermelin-Verhalten ist, sich in der Halbzeitpause beim Klogang filmen zu lassen - und das dann auf Twitter hochzuladen? Alles in allem also ein eher schwieriges Hermelin. Rennes ist übrigens ausgeschieden und wir müssen Ermining nur noch einmal sehen.

8. Keine Rosen für euch: Verabschieden werden wir uns nach der Vorrunde nicht nur vom Gruselhermelin aus der Bretagne, sondern auch vom FK Krasnodar, der trotz zahlreicher Zuschauer im heimischen YOLO Stadion die "wilde Hafenkneipenschlägerei" (O. Seidler) gegen Lassmirandadenn Sevilla (B. Simpson) verlor. Auch Zenit, Dynamo Kiew (wer sich von Martin Braithwaite zwei Tore reinschießen lässt, hat nichts anderes verdient), Ferencvaros Budapest (wir erkennen ein recht eindeutiges geographisches Muster) und Midtjylland (oder auch nicht) sind raus. Und freilich werden wir auch Tasmania Marseille in der K.o.-Runde nicht mehr wiedersehen, das gegen Porto im vierten Spiel die vierte Pleite ohne eigenes Tor kassierte und jetzt mit 13 Champions-League-Niederlagen am Stück (!) alleiniger Rekordhalter in dieser elenden Kategorie ist. Glückwunsch!

9. xAL-Wert 1,0: Es gibt so Momente, da fängt unser redaktionseigener xGoals-Automat an, ganz wild rot zu blinken und in den negativen Bereich zu rutschen. Wenn Breel Embolo zu einem Fallrückzieher ansetzt, zum Beispiel. Oder wenn Breel Embolo am Ball ist, ganz generell. Doch ist die Gladbacher Champions-League-Saison offensichtlicherweise dermaßen wundersam, dass jetzt sogar solche Manöver klappen. Nicht nur verletzungsfrei, sondern auch mit einem ganz echten Tor am Ende. Mit 10:0 im Aggregat gewannen die Fohlen am Ende den direkten Vergleich mit Donezk (wichtig!) und halten weiter Platz eins in der Gruppe vor Real. "Ich bin kein Freund von Euphorie", grinchte Coach Marco Rose zwar ein bisschen gegen den Strom, aber hey: Besser als - sagen wir mal - Inter! Das darf sich nach Arturo Vidals Gelb-Roter innerhalb von zehn Sekunden quasi ausgeschieden jetzt mit Schachjor um die Europa League kloppen. Ih.

10. Hashtag "freedennis": Weil er im Mannschaftsbus nicht da sitzen durfte, wo er gerne wollte, legte sich Brügges Emmanuel Dennis vor der Abfahrt in Richtung Dortmund erst mit dem Teammanager und seinen Mitspielern an, ehe er das Vehikel wutentbrannt verließ und nicht mit in den Signal Iduna Park reiste. Manch einer mag jetzt behaupten, dass das der absolut dämlichste Grund der Menschheitsgeschichte ist, um ein Champions-League-Spiel zu verpassen. Das sind dann aber auch die Leute, die es selbst im Schulbus nie bis auf die Rückbank zu den Coolen geschafft haben. Die den Schmerz nicht kennen, wie ein Bürger zweiter Klasse dann wieder weiter vorne sitzen zu müssen. Unsere Gedanken sind in dieser schwierigen Situation bei Emmanuel.

11. Dessert hermelinaise: Es ist schwieriger als gedacht, sich nach dem Studium des Wikipedia-Artikels über Hermeline noch auf Fußball zu konzentrieren. Deshalb gibt's diese Woche als Rausschmeißer drei teils verstörende Hermelin-Facts zum Mitnehmen. Bitteschön:

  • Der Legende nach würde ein Hermelin lieber sterben, als sein weißes Winterfell schmutzig zu machen, was den Wahlspruch "malo mori quam foedari" ("lieber sterben als besudelt werden") des neapolitanischen Hermelinordens inspirierte (ein Ritterorden aus dem 15. Jahrhundert, duh!).
  • Hermelinweibchen können schon im Säuglingsalter begattet werden. Meist passiert das durch den eigenen biologischen Vater, was in bestandsarmen Jahren die Population sichern soll. *würg*
  • Das hier. (Triggerwarnung: Gewalt gegen Kaninchen, NSFW)

Schöne Restwoche auf jeden Fall!

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