FC Bayern München und die neue Offensive: Noch nicht Barcelona 2009

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Beim ersten Bundesligaspiel nach dem Abschied von Robert Lewandowski brillierte der FC Bayern München mit einer flexiblen Offensive. Nach dem 6:1 gegen Eintracht Frankfurt mischten sich zwischen viel Lob aber auch Warnungen.

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Rund 50.000 Zuschauer kamen am Freitagmittag ins Camp Nou, um die Vergangenheit des FC Bayern München zu bewundern: Mit großem Tamtam wurde Robert Lewandowski als Neuzugang des FC Barcelona vorgestellt.

Der 33-jährige Stürmer zeigte ein paar Tricks, seine neuen Fans feierten ihn mit Sprechchören und Barca-Präsident Joan Laporta sprach von einem "historischen Tag".

Gewissermaßen ein historischer Tag war dieser Freitag auch für Lewandowskis Ex-Klub. Am Abend startete der FC Bayern in Frankfurt vor einer ähnlich großen Kulisse erstmals seit neun Jahren ohne seinen jahrelangen Toptorjäger in eine Bundesliga-Saison - und erstmals seit dem Bundesliga-Aufstieg 1965 ohne einen klassischen Mittelstürmer mit ernsthaftem Stammplatz-Potenzial.

Ob das was wird? Erstes Zwischenfazit: Das könnte was werden! Mit 6:1 fegte der FC Bayern über Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt hinweg, zur Halbzeit stand es schon 5:0.

FC Bayern München: Die flexible Offensive brilliert

Trainer Julian Nagelsmann hatte dieselbe Startelf wie beim 5:3-Sieg im Supercup gegen RB Leipzig vor einer Woche ins Spiel geschickt. Wieder spielte der FC Bayern in einem eher ungewöhnlichen 4-2-2-2-System mit vier flexiblen Offensivspielern. Thomas Müller und Jamal Musiala agierten nominell hinter Sadio Mane und Serge Gnabry. Meistens aber wirbelten sie alle wild durcheinander, wichen abwechselnd auch auf die Flügel aus.

Die ausgerufene Prämisse, Lewandowskis Tore (in der vergangenen Saison waren es 50) auf mehrere Schultern zu verteilen, klappte tadellos: Bis auf Müller trafen alle Offensivspieler - obwohl er womöglich die allergrößte Chance hatte, in der 24. Minute aber sagenhaft kläglich scheiterte.

Nicht nur wegen Müllers Fehlschusses hätte der FC Bayern nach einer famosen ersten Halbzeit noch höher als 5:0 führen können. Sportvorstand Hasan Salihamidzic sah ein "sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr gutes Spiel" seiner Mannschaft, Trainer Julian Nagelsmann ein "unheimlich gutes Spiel mit toller Energie".

Auch der Gegner zeigte sich beeindruckt. Frankfurts Trainer Oliver Glasner schwärmte vom Münchner "One-Touch-Fußball", phasenweise ging es nur "patsch-patsch-patsch". Der zur Halbzeit ausgewechselte Kapitän Sebastian Rode fühlte sich "überrollt und überrumpelt": "Die meisten dieser Spieler schaffen über 34, 35 km/h. Gemeinsam mit ihrer technischen Qualität ist das schwer zu verteidigen. Lewy ist zwar weg, aber die Flexibilität im Sturm, dieses Rochieren ist eine ganz andere Qualität."

Thomas Müller gab es ein "gutes Gefühl, dass unser Konzept und die Umstellungen bisher gut greifen. Die Skepsis, die es im Vorhinein bezüglich der Offensive logischerweise gab, haben wir mit elf Toren in zwei Spielen in den Hintergrund gerückt." Und in den zwei Spielen ging es immerhin gegen den amtierenden DFB-Pokal- und Europa-League-Sieger.

FC Bayern: Müller und Nagelsmann warnen

Gleichzeitig ging es für den FC Bayern in seiner aktuellen Situation aber auch gegen zwei dankbare Gegner. Beide traten in ihrem eigenen Stadion durchaus mutig auf und verzichteten auf Mauertaktiken. In Frankfurt boten sich dem FC Bayern große Räume hinter der gegnerischen Abwehrkette. Räume, für die es keinen klassischen Mittelstürmer braucht. Räume, die flinken Offensivspieler wie Müller, Musiala, Gnabry oder Mane entgegenkommen.

"Es war in der ersten Halbzeit kein Spiel, bei dem wir den Strafraum belagert haben. Wir haben das Mittelfeld schnell überbrückt und die Tiefe gesucht. Frankfurt wollte etwas riskieren, und diesen Mut haben wir bestraft", analysierte Müller. "Es werden sicher noch andere Spiele kommen, bei denen wir vielleicht sagen: Heute hat der Mittelstürmer gefehlt."

Nagelsmann äußerte sich ähnlich, warnte explizit vor Situationen, "in denen wir vielleicht mit mehr Flanken spielen müssen". Wenn sich der jeweilige Gegner am eigenen Strafraum verschanzt, selbst keine offensiven Bestrebungen zeigt. Dann käme es laut des Trainers künftig auch in Frage, per Einwechslung oder gar von Beginn an auf den 1,91 Meter großen Eric Maxim Choupo-Moting zu setzen.

Perfektion? Müller verweist auf den FC Barcelona

In Frankfurt fehlte Choupo-Moting verletzt, der andere nominelle Mittelstürmer Joshua Zirkzee saß 90 Minuten lang auf der Bank und könnte den Klub noch verlassen. Stattdessen wechselte Nagelsmann Mitte der zweiten Halbzeit mit Leroy Sane und Mathys Tel zwei weitere quirlige Offensivspieler ein.

Wie schon in Leipzig war die Spielfreude der ersten Halbzeit zu diesem Zeitpunkt aber weitestgehend verflogen. Wieder ließ der FC Bayern nach der Pause deutlich nach, verteidigte die Führung diesmal aber souverän und geriet nicht in Bedrängnis. Ob die Mannschaft nicht mehr konnte oder nicht mehr wollte? Letztlich egal.

Neuzugang Mane wurde nach dem Spiel auf dem Zaun vor den Münchner Fanblock gebeten, um die Feierlichkeiten per Megaphon zu dirigieren. Und Müller wurde gefragt, ob der Auftritt des FC Bayern in der ersten Halbzeit perfekt gewesen sei.

"Eine Perfektion des Fußballs gibt es nicht", sagte er. "Außer wir schauen uns vielleicht Videos von Barcelona um 2009 herum an." Einmal ging es also doch noch um Lewandowskis neuen Klub - der damals übrigens anders als künftig ohne klassischen Mittelstürmer im Zentrum, sondern mit der falschen Neun namens Lionel Messi spielte.

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