Leipzig - Bayern, Erkenntnisse aus dem Topspiel: Neuer in Topform - Hernandez nicht

Von Dennis Melzer
Manuel Neuer zeigte im Spiel gegen RB Leipzig eine starke Leistung.
© Getty

Der FCB kommt nach einer starken ersten Halbzeit in Leipzig nicht über ein 1:1 hinaus. Am Ende herrscht Enttäuschung. Fünf Erkenntnisse des Spiels.

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"Ich bin schon enttäuscht", haderte Manuel Neuer, als er frisch geduscht aus der Kabine kam, um sich den Fragen der anwesenden Reporter im Bauch der Red Bull Arena zu stellen. Der Bayern-Keeper führte aus: "Wir haben in der ersten Halbzeit ein gutes Spiel gemacht, es war bitter, dass wir so nicht weitermachen konnten. Das sind zwei verlorene Punkte."

Der Keeper fasste das zusammen, was die Zuschauer im Stadion und an den TV-Geräten gesehen hatten: Eine beeindruckend dominante erste Hälfte des deutschen Rekordmeisters beim aktuellen Tabellenführer RB Leipzig, ein vermeidbares Gegentor kurz vor dem Seitenwechsel und taktisch runderneuerte Rote Bullen, die den Gästen aus der bayrischen Landeshauptstadt das Leben im zweiten Durchgang weitaus schwerer machten.

Doch nicht nur das war im Spitzenspiel zwischen den ambitionierten Sachsen und dem FCB aufgefallen. SPOX und Goal fassen die Erkenntnisse vom Samstagabend zusammen.

1. Manuel Neuer ist wieder in Top-Form

"Der Ball hat zweimal die Richtung gewechselt. Das kenne ich von David Alaba. Seine Schüsse halte ich aber meistens fest", scherzte der Bayern-Torwart mit Blick auf einen Flatterball aus der Ferne von Alaba-Landsmann Marcel Sabitzer, der sich als echte Bewährungsprobe herausstellte. Neuer wehrte die Kugel spektakulär in Volleyballer-Manier ab und vereitelte mit einer weiteren starken Parade kurz vor Abpfiff das aus Leipziger Sicht wohl gewinnbringende 2:1 durch Timo Werner.

Neuer unterstrich mit seiner Leistung das, was seit einigen Wochen zu beobachten ist: Er, der in der Vergangenheit mitunter seinen Status der Unantastbarkeit verloren hatte, ist wieder voll da. Nicht nur bei seinem Klub, sondern auch in der Nationalmannschaft wusste der 33-Jährige zuletzt zu gefallen. "Ich denke, dass ich sehr gute Leistungen zeige und mit meinem Spiel zufrieden sein kann", ordnete Neuer seine Darbietung in der Mixed-Zone ein und schob nach: "Auch alle Verantwortlichen sind mit mir zufrieden."

2. FC Bayern von Leipzigs Taktik-Umstellung überrumpelt

Thomas Müller war sich nach dem Duell in der Messestadt sicher: "Dass wir hier so dominant auftreten war von vielen so genannten Experten nicht prophezeit worden." Er meinte damit die beeindruckende Leistung im ersten Durchgang, das erfolgreiche Anpressen, das Herausspielen etlicher Torchancen.

Gleich darauf legte er aber den Finger in die Wunde, analysierte, wie der Gegner es schaffte, der Dominanz ein Ende zu setzen. "Wir haben einen Tick zu lange gebraucht, um auf die Systemumstellung zu reagieren. Leipzig hat mehr Spieler ins Zentrum geschoben, so konnten sie die zweiten Bälle besser verarbeiten."

Tatsächlich war auffällig, dass der FCB nach der Pause nicht mit der veränderten taktischen Marschroute von Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann zurechtkam. Die Hausherren erarbeiteten sich mehr Torchancen, indem sie die Münchner viel aggressiver beackerten und zu Fehlern zwangen. Man wisse, dass derartige Kniffe zu Nagelsmanns Stärken als Coach zählen, erklärte Neuer. "Das hat uns nicht überrascht, aber wir müssen darauf reagieren." Die Reaktion blieb - vor allem zu Beginn der zweiten Halbzeit - aus. Die Bayern seien Neuer zufolge verunsichert gewesen.

"Dann haben sie umgestellt. Es war klar, dass sie mehr Druck machen werden", sagte Trainer Niko Kovac. Einzig gelang es auch ihm nicht, entsprechend auf die Maßnahme seines Kontrahenten zu reagieren. Obwohl weder Neuer noch Müller die Schuld dafür bei ihrem Übungsleiter suchten, entsprechenden Fragen auswichen, muss sich der Kroate die Kritik gefallen lassen, nicht sonderlich zufriedenstellend mit der neuen Situation umgegangen zu sein.

Die Einwechslungen von Alphonso Davies und Corentin Tolisso trugen nicht die erhofften Früchte. Philippe Coutinho, einer, der zum so genannten Gamechanger avancieren kann, kam viel zu spät, um noch großartigen Einfluss aufs Geschehen nehmen zu können.

3. Lucas Hernandez hat Probleme auf der linken Abwehrseite

Neuzugang Lucas Hernandez besticht auch dadurch, dass er flexibel in der Viererkette einsetzbar ist. Zwar hatte Kovac deutlich gemacht, dass er mit dem Franzosen in der Innenverteidigung plant, wenn allerdings Bedarf auf der linken defensiven Außenbahn herrscht, ist der ehemalige Atletico-Star aber die erste Alternative.

Immerhin spielt Hernandez jene Position in der Nationalmannschaft, bestritt bei der WM 2018 jedes Spiel für den späteren Weltmeister als Linksverteidiger. Aufgrund des kurzfristigen Ausfalls des etatmäßigen Linksverteidigers Alaba rückte der 23-Jährige erstmals auch für die Bayern auf links. Und der Österreicher dürfte den Bayern nun ein paar Spiele fehlen.

Anfangs hatte Hernandez kaum Schwierigkeiten, sich dort zurechtzufinden. Vor allem, weil die Hausherren kaum einmal gefährlich in ihr schnelles Umschaltspiel kamen. Nach einem Fehlpass Thiagos gelang es der Nagelsmann-Truppe aber erstmals, in den Strafraum vorzudringen, was sich prompt auszahlte. Hernandez ging zu ungestüm gegen Yussuf Poulsen zu Werke und verursachte so den Strafstoß zum 1:1.

Offenbar ein Wirkungstreffer für den Unglücksraben, gelang Hernandez in der Folge nämlich nicht mehr viel. Offensiv wartete er kaum mit nennenswerten Aktionen auf, verlor nach Kingsley Coman die meisten Bälle (23) und brachte nur 75 Prozent seiner Zuspiele an die Mitspieler. Defensiv wirkte Hernandez zudem ebenfalls nicht immer sattelfest. Das Resultat: In seinen bisherigen Auftritten als zentraler Abwehrmann machte er eine bessere Figur.

4. Joshua Kimmich hat sich auf der Sechs offenbar vorerst festgespielt

Benjamin Pavard macht seine Sache als Rechtsverteidiger gut. Auch gegen Leipzig vermittelte der Franzose, der eigentlich - wie sein Landsmann Hernandez - vornehmlich als Innenverteidiger verpflichtet wurde, einen souveränen Eindruck, rettete einmal in höchster Not gegen Marcel Halstenberg.

Die Tatsache, dass der neue Mann aus Stuttgart es sich derzeit bequem hinten rechts macht, scheint dazu zu führen, dass sich Joshua Kimmich von der Not- zur Dauerlösung auf der Sechserposition entwickelt - obwohl Kovac schon mehrfach deutlich gemacht hatte, den deutschen Nationalspieler lieber als Rechtsverteidiger einzusetzen.

In den vergangenen drei Bundesliga-Spielen kam Kimmich aber stets als defensiver Mittelfeldspieler zum Einsatz, im DFB-Team hat er diese Rolle ohnehin inne. Offensichtlich freundet sich Kovac nach Bundestrainer Joachim Löw ebenfalls damit an, den gebürtigen Rottweiler auf dessen Lieblingsposition zum Zuge kommen zu lassen. "Der Josh spielt überall gut", lobte Kovac nach dem Spiel am Sky-Mikrofon und ergänzte: "Der Junge hat Fähigkeiten, die habe nicht viele - nicht nur in der Bundesliga, sondern weltweit. Wir sind froh, dass wir ihn auf mehreren Positionen einsetzen können."

5. Javi Martinez erhält keine Chance mehr

Eigentlich wären Javi Martinez' Fähigkeiten spätestens in der zweiten Halbzeit gegen Leipzig gefragt gewesen: Einer, der kompromisslos dazwischenhaut, der Kopfballduelle gewinnt und Löcher stopft, hätte der Umstellung womöglich entgegenwirken können. Kovac plant aber nicht mehr großartig mit dem Spanier, das ist nach der Partie in der sächsischen Metropole augenscheinlich.

Jerome Boateng wurde ihm in der Innenverteidigung vorgezogen. Trotz der Möglichkeit, Kimmich wieder auf rechts zu setzen und mit Martinez einen zweikampfstarken Sechser aufzubieten, entschied sich Kovac gegen einen Einsatz des Basken.

Die einstige Stütze in der Mannschaft des FCB kam wettbewerbsübergreifend erst 13 Minuten in dieser Spielzeit zum Einsatz, zuletzt verschwand er vielsagend und sichtlich angefressen aus der Mixed-Zone mit den Worten: "Es ist besser, wenn ich heute nicht spreche." Die Laune dürfte sich am Samstagabend nicht sonderlich gebessert haben.

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