FC Bayern München und das Innenverteidiger-Puzzle: Schöne Antworten auf die spannende Frage

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Die Frage nach der langfristigen Neuordnung der Innenverteidigung ist aktuell eine der spannendsten beim FC Bayern München. Trainer Julian Nagelsmann probierte schon einiges - und kann aktuell zwischen mehreren interessanten Optionen wählen.

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Von allen Innenverteidigern des FC Bayern wurde in München zuletzt am meisten über einen ehemaligen gesprochen: Jerome Boateng. Nach seinem Wechsel zu Olympique Lyon feierte der 33-Jährige vergangenen Woche ein Comeback in seiner langjährigen Wahlheimat. Jedoch nicht auf dem Platz, sondern auf der Anklagebank. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung gegen seine ehemalige Lebensgefährtin wurde er vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 1,8 Millionen Euro verurteilt.

Während sich Boateng nun mit seiner Berufung und dem Einleben in der neuen Heimat Lyon beschäftigen muss, rangeln beim FC Bayern gleich vier Kandidaten um ein großes Erbe. Boateng war schließlich zehn Jahre lang ein Fixposten in der Münchner Innenverteidigung, ehe er den Klub in diesem Sommer gemeinsam mit David Alaba sowie Javi Martinez ablösefrei verlassen hatte.

Wie sich die Neuordnung der Innenverteidigung langfristig darstellen wird, ist beim FC Bayern aktuell eine der spannendsten Fragen. Zuständig für die Beantwortung ist der neue Trainer Julian Nagelsmann, der während seiner bisher knapp zweieinhalbmonatigen Amtszeit diesbezüglich schon einiges probiert hat.

Upamecano und Nianzou absolvierten die ganze Vorbereitung

Zu Beginn der Vorbereitung standen ihm nur zwei Kandidaten zur Verfügung: Neuzugang Dayot Upamecano (22), der für 42 Millionen Euro wie Nagelsmann aus Leipzig gekommen war, sowie der unheimlich talentierte aber auch von einer unheimlichen Verletzungsserie geplagte Tanguy Nianzou (19). Das Duo hatte es nicht in den französischen EM-Kader geschafft.

Seite an Seite bestritten die beiden fast alle Vorbereitungsspiele und stimmten sich dabei zunehmend besser ab. Beim Bundesligaauftakt gegen Borussia Mönchengladbach beorderte Nagelsmann dann aber etwas überraschend Niklas Süle (26) in die Startelf, der erst kurz davor aus seinem verlängerten EM-Urlaub zurückgekehrt war. Der vierte Kandidat Lucas Hernandez (25) fehlte damals noch wegen einer Meniskusverletzung.

"Für Niki habe ich mich entschieden, weil er ein gestandener Bundesligaspieler ist. Tanguy hat sehr wenig Rhythmus gehabt, war letztes Jahr verletzt", erklärte Nagelsmann. Interessanterweise gewichtete er den Rhythmus der vergangenen Saison somit höher als den der Vorbereitung. Vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass er Süle von der gemeinsamen Zeit bei der TSG Hoffenheim bestens kennt und vertraut. Für Süle ist der Kampf um einen Stammplatz gleichzeitig auch der um eine Verlängerung seines 2022 auslaufenden Vertrages.

Bei ihrem ersten gemeinsam Spiel stotterte die Abstimmung zwischen Süle und Upamecano noch, schon beim 3:1-Sieg im Supercup bei Borussia Dortmund wenige Tage später überzeugte das Duo aber. "Wir haben sehr gut verteidigt, waren sehr aggressiv. Niki und Upa waren sehr stabil in der Kette. Es war von beiden ein Schritt nach vorne", lobte Nagelsmann.

Julian Nagelsmanns Dreierketten-Experiment in Köln

Statt auf Bewährtes zu vertrauen, testete Nagelsmann beim darauffolgenden Spiel gegen den 1. FC Köln erstmals eine Dreierkette und beorderte mit Upamecano, Süle und Nianzou alle verfügbaren Innenverteidiger in die Startelf. Die Mannschaft fremdelte mit der neuen Ausrichtung und mühte sich zu einem 3:2-Sieg, problematisch war vor allem Leroy Sanes Rolle als rechter Außenbahnspieler.

Für die beiden gegentorlosen Spiele im DFB-Pokal beim Bremer SV (12:0) und in der Bundesliga bei Hertha BSC (5:0) kehrte Nagelsmann zur Viererkette zurück. Jeweils von Beginn an auf dem Platz stand nur Süle. Er ist bisher der große Gewinner unter Nagelsmann - und überzeugte zuletzt auch für die deutsche Nationalmannschaft. In Leipzig verzichtete Nagelsmann nun erstmals auf Süle, er habe "einfach mal eine Pause gebraucht".

Lucas Hernandez feierte ein starkes Saisondebüt in Leipzig

Stattdessen begann Hernandez, der nach überstandener Verletzung ein starkes Saisondebüt feierte. Mit 75 Prozent gewonnener Duelle avancierte er beim 4:1-Sieg zum besten Zweikämpfer seiner Mannschaft, darüber hinaus fiel er mit wichtigen Ballgewinnen auf. Das Zusammenspiel mit dem seinerseits immer stabileren Upamecano funktionierte blendend. Hernandez' großer Vorteil im Konkurrenzkampf: Er ist der einzige Linksfuß unter den vier Innenverteidigern.

Gegen Leipzig überzeugte aber nicht nur Hernandez, sondern die ganze Defensive, die Nagelsmann in einer innovativen Dreieinhalberkette sortierte. Der nominelle Linksverteidiger Alphonso Davies rückte bei eigenem Ballbesitz weit auf. Rechtsverteidiger Benjamin Pavard, der wie Hernandez erstmals nach seiner Verletzung zum Einsatz kam, blieb meist hinten und sicherte als dann eine Art dritter Innenverteidiger ab. Diese Dreieinhalberkette ist eine durchaus zukunftsträchtige Option, weil sie das Fehlen eines offensivstarken Rechtsverteidigers im Kader kompensiert.

Julian Nagelsmann hat mehrere schöne Antworten

Pavards Rolle könnten künftig theoretisch auch Süle oder Nianzou einnehmen - womit in der Startelf Platz für drei der vier Innenverteidiger-Kandidaten wäre. Vielleicht schon beim Champions-League-Spiel beim FC Barcelona am Dienstag, bei dem Nagelsmann die zuvor lange verletzten Hernandez und Pavard unter Umständen schonen wird.

Sollten sie die Startelf verlassen müssen, wäre das aus "keinem leistungsbezogenen, sondern einem körperlichen Grund", wie Nagelsmann bei einer Pressekonferenz am Montag versicherte. Er ist sich seines Luxusproblems bei der Besetzung der Innenverteidigung bewusst: "Es ist keiner dabei, der so über den anderen steht, dass die Entscheidung völlig klar ist."

Etwas hintendran wirkt aktuell lediglich Nianzou, der trotz seiner vollständig (und gut) absolvierten Vorbereitung mit der Rückkehr von Süle und Hernandez im Innenverteidiger-Ranking sofort auf Platz vier abgerutscht zu sein scheint. Die beiden erfahreneren Vertreter legten so ziemlich aus dem Stand los und zahlten Nagelsmanns Vertrauen schnell zurück.

Für den Trainer ergibt sich aktuell die angenehme Situation, bei der Besetzung der im Sommer runderneuerten Innenverteidigung personell und taktisch zwischen mehreren interessanten Optionen wählen zu können. Die spannende Frage bietet mehrere schöne Antworten.

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