Jerome Boateng vom FC Bayern München im Interview: "Ich sehe mich in der Pflicht, für Gerechtigkeit einzutreten"

Von Dennis Melzer
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© imago images/Sammy Minkoff
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Boateng über das DFB-Team und das Champions-League-Finale

Bei der Nationalmannschaft war Hansi Flick bekanntlich Co. von Joachim Löw. Dieser schloss ein DFB-Comeback des verstoßenen Trios abermals nach dem 0:6 gegen Spanien quasi aus. Wie fiel Ihre Reaktion aus?

Boateng: Das wurde im vergangenen Jahr bereits klar kommuniziert. Der DFB hat sich für diesen Weg entschieden, das muss man respektieren - und das tue ich.

Viele Experten und Fans forderten Sie mit Blick auf die EM vehement zurück ins Team. Wären Sie bereit, doch noch einmal für Deutschland aufzulaufen?

Boateng: Meinen Standpunkt dazu habe ich mehrfach geäußert, und auch die Verantwortlichen des DFB haben das getan. Grundsätzlich schließe ich es nicht aus, es käme aber auch darauf an, wie ich mich in dem Moment fühle.

Im Champions-League-Finale mussten Sie früh verletzungsbedingt vom Platz. Was ging Ihnen durch den Kopf?

Boateng: Ich war natürlich total traurig, weil ich so lange dafür gearbeitet habe. Aber trotzdem hat sich die Arbeit ja ausgezahlt.

Welche Emotionen wurden im Moment des Abpfiffs frei?

Boateng: Das war unglaublich. Diesen Erfolg mit der Mannschaft zu erreichen, vor allem nach der schwierigen Zeit im Vorjahr, kann man nicht in Worte fassen. In diesem Moment habe ich auch nicht mehr über die Verletzung nachgedacht, sondern einfach nur gejubelt.

Robert Lewandowski hat im Goal-Interview verraten, dass es positiv war, nicht lange über das Erreichte nachdenken zu können, weil der Siegermodus beibehalten wurde. Wie sehen Sie das?

Boateng: Das stimmt und das zeigt den Charakter dieser Mannschaft. Es herrscht ein großer Konkurrenzkampf, auch im Training. Jeder will immer gewinnen und sich weiterentwickeln. Beim FC Bayern sind wir nicht zufrieden, wenn wir unentschieden spielen. Das unterscheidet uns von anderen Mannschaften.

Boateng: "Mein Fokus liegt zu 100 Prozent auf dem FC Bayern"

Die Bild-Zeitung berichtete vergangene Woche, dass Ihr Vertrag nicht verlängert werden soll.

Boateng: Ich war über die Berichterstattung überrascht und hätte mir gewünscht, dass man sich vorher zusammensetzt. Jetzt beschäftige ich mich damit aber nicht mehr. Ich habe auch immer gesagt, dass ich gerne noch einmal etwas Anderes kennenlernen und eine neue Herausforderung annehmen möchte. Ich fühle mich richtig gut und topfit und habe in den letzten Monaten abgeliefert und meine Leistungen gebracht. Das ist auch das Feedback, das ich von Hansi Flick und meinen Mitspielern bekomme. Das ist das Wichtigste für mich. Mein Fokus liegt zu 100 Prozent darauf, mit dem Verein die fünf Titel aus der letzten Saison zu verteidigen. Wenn der Tag kommt, an dem die Wege sich trennen, werde ich stolz auf die Jahre und viele Erfolge mit diesem Verein zurückblicken. Nicht viele Fußballer dürfen so etwas erleben. Gleichzeitig blicke ich voller Motivation nach vorne und freue mich auf das, was kommt.

Ihr langjähriger Mitspieler und Freund David Alaba scheint seinen Vertrag nicht zu verlängern. Er wurde als geldgierig dargestellt. Wie sieht der Austausch zwischen Ihnen beiden aus?

Boateng: Das ist ein ganz schwieriges Thema. Ich kenne die Details nicht und kann mich dementsprechend nicht äußern. Ich weiß, dass David ein toller Typ und Fußballer ist - und kann nur sagen, dass es seinem Charakter nicht gerecht wird, wenn er in der Berichterstattung als geldgierig dargestellt wird.

Was würden Sie ihm als Freund raten?

Boateng: Ich rate ihm, auf sein Herz zu hören. Ich schätze ihn als wunderbaren Menschen. Ich hoffe für den FC Bayern, dass er bleibt. Aber David ist in erster Linie mein Freund, er soll glücklich werden.

Sie haben über viele Jahre auf hohem Niveau gespielt, sind Deutschland aber - bis auf ein kurzes Engagement in England bei Manchester City - immer treu geblieben. Warum hat es Sie nicht längerfristig ins Ausland gezogen?

Boateng: Weil Deutschland ein unglaublich hohes Level an Lebensqualität hat. Ich habe mich in München über die meiste Zeit pudelwohl gefühlt, hier passt alles. Auch die Tatsache, dass meine Heimatstadt Berlin schnell zu erreichen ist, spielte immer eine Rolle. Meine Kinder sind hier aufgewachsen, ich habe viele tolle Menschen in München kennengelernt

Dennoch: Sie gelten als Kosmopolit. Zum Ausklang der Karriere oder für die Zeit danach - wie sehr reizen Weltstädte wie New York, Paris oder London?

Boateng: Wie Sie richtig festgestellt haben, bin ich ein Mensch, der es liebt, neue Städte, neue Kulturen und neue Menschen kennenzulernen. Ich bin auch eigentlich nicht der Typ, der gerne lange an einem Ort bleibt. Dementsprechend sind Paris, London, aber auch Städte außerhalb Europas interessant für mich.

Sie haben sich mit Ihrer Brillenkollektion und Ihrem Magazin BOA eine Marke neben dem Platz aufgebaut. Wie sieht das Leben des Jerome Boateng nach der Fußball-Karriere aus?

Boateng: Ich möchte noch mehr kreieren und mich ausleben. Das Hauptaugenmerk liegt derzeit auf dem Fußball, aber ich kann mir vorstellen, nach der Karriere in einen kreativen Bereich zu gehen.

Also kehren Sie dem Fußball den Rücken?

Boateng: Das kann gut sein.

Jerome Boateng: Leistungsdaten beim FC Bayern, HSV, ManCity, Hertha BSC

VereinSpieleToreTorvorlagen
FC Bayern München333924
Hamburger SV11329
Manchester City24--
Hertha BSC11--
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