VfB Stuttgart schon wieder im Tabellenkeller: Gefangen in der Dauerschleife

Von Stefan Rommel
Lange Gesichter bei den Spielern des VfB Stuttgart nach dem 1:3 am Wochenende gegen Eintracht Frankfurt.
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Es sollte alles besser werden beim VfB Stuttgart - tatsächlich geht es aber genau so ruckelig weiter wie in der letzten Saison. Die sportliche Talfahrt hat Bestand, immerhin gibt es aber neben dem Platz einige positive Signale. Auch wenn die nicht jeder als solche erkennen mag.

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Der VfB Stuttgart hängt nach seiner schwierigen letzten Saison nach sieben Spieltagen schon wieder im Tabellenkeller fest. Von der gewünschten Aufbruchstimmung ist kaum noch etwas geblieben, stattdessen muss sich Pellegrino Matarazzo mit einigen alten, aber auch neuen Problemen herumschlagen - die der Trainer offenbar nicht so einfach in den Griff bekommt.

Scheint eine Baustelle geschlossen, tun sich jedenfalls sofort zwei neue auf. Und das wird auf Dauer zur nächsten Belastungsprobe für den Klub. Eine Bestandsaufnahme.

VfB Stuttgart: Die schlimmen Zahlen

Der VfB kann sich nicht freimachen von einem Saisonstart, den man als missraten einordnen muss. Fünf Punkte nach sieben Spielen bedeuten zu Recht Platz 16. Kein einziger Sieg bisher ist ein neuer Vereins-Negativrekord, das gab es in der langen Geschichte des VfB in der Bundesliga - und auch in der 2. Liga - noch nie.

Gegen Frankfurt geriet die Mannschaft schon wieder in Rückstand, schon zum fünften mal in dieser Saison. Und erneut war es der frühe Zeitpunkt eines Gegentreffers, der den eigentlichen Spielplan über den Haufen warf und wie in diesem Fall einem körperlich und mental nicht frischen Gegner komplett in die Karten spielte. Lange hatte sich Pellegrino Matarazzo gegen die Tatsache gewehrt, dass seine Mannschaft ein Konzentrationsproblem in der Anfangsviertelstunde einer Partie habe.

Spätestens mit dem nun schon vierten Gegentor innerhalb der ersten 15 Minuten - jedes Mal zum 0:1 für den Gegner - sollte sich der Trainer aber darüber ernsthafte Gedanken machen. Wie im Übrigen auch über die Tatsache, dass der VfB von 24 Bundesligaspielen im Kalenderjahr 2022 ganze drei gewinnen konnte.

Die Kraftakte gegen Gladbach, Augsburg (jeweils 3:2 nach Rückstand) und das emotionale 2:1 gegen den 1. FC Köln mit der Last-Minute-Rettung sind die einzigen Ausreißer in einer ansonsten tristen Reihe an Miss- oder allenfalls Teilerfolgen. Das Gefühl eines zumindest halbwegs souveränen Sieges kennt der VfB schon gar nicht mehr. Der letzte datiert vom Dezember 2021, einem 2:0 beim VfL Wolfsburg - zugleich übrigens auch der letzte Auswärtssieg der Stuttgarter in der Liga.

Es sollte alles besser werden beim VfB Stuttgart - tatsächlich geht es aber genau so ruckelig weiter wie in der letzten Saison.
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Es sollte alles besser werden beim VfB Stuttgart - tatsächlich geht es aber genau so ruckelig weiter wie in der letzten Saison.

Stuttgarts Konstanz ist die Unkonstanz

Es war gewiss nicht alles schlecht in den ersten Wochen der Saison, ganz im Gegenteil. Der VfB hat innerhalb seiner Spiele immer wieder Phasen, in denen er überzeugt. Das war gegen die großen Klubs wie RB Leipzig oder den FC Bayern der Fall und gegen die vermeintlich kleineren wie Bremen oder Köln. Die Partie gegen Werder hängt dem VfB aber bis heute nach, die damals verlorenen zwei Punkte und das Gefühl, ein (Auswärts-)Spiel über die Zeit retten und gewinnen zu können, geht der Mannschaft total ab.

Dabei hatte Stuttgart in Bremen wie in Köln - und da sogar in langer Unterzahl - im Spiel gegen den Ball alles im Griff, ließ kaum Torchancen zu und konnte sich im Zweifel auf einen starken Florian Müller verlassen, der auch mal einen so genannten Unhaltbaren noch rausfischte. Der gegen Leipzig, in Köln, in München den einen Punkt festhielt und in seiner zweiten Saison zu dem Rückhalt werden kann, den sich alle erhoffen, um dann gegen Frankfurt bei den beiden ersten Gegentoren gleich doppelt unglücklich zu wirken.

Es bleibt ein großes Rätsel, warum einzelne Spieler ihre guten Ansätze nicht dauerhaft bestätigen können. Müller ist da nur ein Beispiel, Dinos Mavropanos, Chris Führich, Silas, Tiago Tomas, Naouirou Ahamada sind andere. Wobei letzteren aufgrund ihres jugendlichen Alters am ehesten noch Leistungsschwankungen erlaubt sein müssen.

Aber so schlingert der VfB bisweilen durch seine Spiele. Es wechseln sich sehr gute oder wenigstens vernünftige Phasen mit unerklärlichen Leistungslöchern ab, die dann vom Gegner in der Regel auch sofort und gnadenlos bestraft werden oder - auch das ist ein Faktor - zu jetzt schon zwei Platzverweisen führten, die großen Einfluss auf die jeweiligen Partien hatten. Schafft es die Mannschaft dann doch mal zuerst in Führung zu gehen, hält dieses Hochgefühl keine drei Minuten an.

VfB Stuttgart: Leichte Fehler, fehlende Qualität

Einige Unbeherrschtheiten im Zweikampf, schon 19 Gelbe Karten und zwei Platzverweise sind das eine, die individuellen Fehler der Spieler in allen Spielphasen aber tatsächlich noch gravierender. Gegentore wie gegen Freiburg, als ein harmloser Flankenball einfach durch drei Stuttgarter Spieler durchrutschte, Leichtsinnsfehler vor dem Gegentor gegen Schalke im tiefen Spielaufbau oder jetzt die fehlende Kommunikation vor dem Freistoß, woraus das 0:1 gegen Frankfurt resultierte oder dem Stockfehler, der zum Freistoß vor dem 0:2 führte, sind kaum zu erklären.

Stuttgart ist mit nur drei Innenverteidigern in die Saison gegangen, was an sich schon ein Risiko war und darauf fußte, dass alle drei zentralen Abwehrspieler verlässlich ihre Leistungen abrufen. Das ist bisher aber nicht der Fall. Gut und notwendig also, dass hier bereits nachgebessert werden konnte: Mit dem Ex-Dortmunder Dan-Axel Zagadou wurde am Montag eine Alternative verpflichtet.

Die gruppentaktischen Abläufe sitzen an sich und auch im Gesamtverbund präsentiert sich die Mannschaft gegen den Ball stabiler als in der abgelaufenen Saison. Und trotzdem schafft es der VfB nicht, die Null zu halten. Das Köln-Spiel bildet die Ausnahme, ansonsten rappelt es in jedem Spiel.

Mittlerweile haben sich 25 Heimspiele in Folge angesammelt, in denen Stuttgart mindestens ein Gegentor kassiert hat. Das ist jetzt schon negativer Vereinsrekord und es fehlt nur noch ein weiteres Heimspiel, um den Uralt-Rekord von Rot-Weiss Essen aus den Jahren 1970 bis 1974 einzustellen.

Was in der Defensive zu Gegentoren führt, macht vor dem gegnerischen Tor an sich sauber herausgespielte Torchancen zunichte. Der VfB wird, je weiter er sich dem Tor nähert, immer komplizierter. Oder er vergisst das Toreschießen, wenn doch mal bis zum Abschluss alles wie gewünscht funktioniert hat. Nur etwa jede fünfte Großchance wird auch in einen Treffer verwandelt, der letzte Gegner Frankfurt oder Spitzenreiter Union liegen dagegen bei rund 40 Prozent Chancenverwertung.

Das ist spätestens dann auch eine Frage der Qualität im Kader. Noch schleift die Mannschaft zu viele Spieler mit, die zwar punktuell Highlights setzen können, ihr gezeigtes Potenzial aber nicht dauerhaft und zuverlässig abrufen.

Pellegrino Matarazzo steht schon früh in der Saison unter Druck.
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Pellegrino Matarazzo steht schon früh in der Saison unter Druck.

VfB Stuttgart: Die Unruhe der letzten Tage

Die Mitgliederversammlung der letzten Woche wäre kaum der Rede wert gewesen, hätte der VfB nicht mir drei Personalien überrascht und damit zumindest fahrlässig für noch mehr Missstimmung unter den Fans gesorgt. Philipp Lahm und Sami Khedira sollen die sportliche Leitung alsbald mit ihrer Expertise unterstützen, Christian Gentner als "Leiter Lizenzspielerabteilung" mithelfen. Ein großer Teil der Anhänger ging in den Stunden und Tagen danach in den sozialen Medien auf die Barrikaden, die mal wieder zu mauschelige Kommunikation des Klubs und vor allem die Tatsache, dass sich Sportdirektort Sven Mislintat ob der nicht abgestimmten Entscheidungen übergangen gefühlt habe, traten eine Welle der Empörung los.

Die völlig missratene Kommunikation versuchte VfB-Boss Alexander Wehrle mit einer Aussprache und einem öffentlichen Kommunikee ein paar Tage danach wieder einzufangen, da war der Ton unter den meisten Fans aber längst gesetzt. Die Art und Weise der Kommunikation wird noch länger nachhallen und überlagert jetzt schon die an sich sehr vernünftigen Entscheidungen.

Der VfB ist in punkto fehlender sportlicher Kompetenzen auf Führungsebene ein gebranntes Kind, sich nun mit Lahm und Khedira nicht nur zwei Weltmeister, sondern auch ausgesprochene Fachmänner und absolut professionell agierende Persönlichkeiten zu holen, die zusätzlich über eine immense Erfahrung und ein großes Netzwerk verfügen, sollte im Sinne konstruktiver Debatten um die sportliche Ausrichtung des Klubs ein starkes Signal sein.

Und auch trotz der am Ende mit zwei Abstiegen schwierigen Phase mit Gentner bleibt der doch als Typ und mögliches Bindeglied zwischen sportlicher Leitung und Mannschaft eine gute Besetzung für eine Position, auf der sich der Klub ganz offenbar unterversorgt fühlt.

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