Bundesliga: Darum sind die "Waffen" Timo Werner und Anthony Modeste noch fast stumpf geblieben

Von Stefan Rommel
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Die Premieren von Timo Werner und Anthony Modeste verliefen recht unspektakulär - was auf Grund der kurzen Vorbereitung nur verständlich ist, auf der anderen Seite aber auch noch einige strukturelle Probleme in Leipzig und Dortmund offenbarte.

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Mit dem blauen Trikot am Leib hätte Timo Werner den Ball wohl einfach nur weitergespielt. 30 Meter vor dem Tor, schnell aufgedreht, den Ball vor den Füßen, kein Gegenspieler in der Schussbahn: In den letzten Monaten beim FC Chelsea wäre es für den Angreifer trotzdem keine Option gewesen, es einfach mal zu probieren.

Werner hätte eher den nächsten Mitspieler gesucht und den Ball dann so sicher wie möglich gepasst. Ein Dribbling? Unwahrscheinlich. Ein Torschuss aus rund 30 Metern, fast aus dem Stand? Hatte man davor schon seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Der Chelsea-Spieler Timo Werner hätte sich den Schuss nicht genommen, so verunsichert und unglücklich wie er zuletzt für und bei den Blauen agiert hatte.

Der Leipzig-Spieler Timo Werner aber probierte einfach mal etwas aus. Kein besonders guter Schuss, nicht hart oder platziert genug oder besonders überraschend für Kölns Keeper Marvin Schwäbe - aber doch ein Schuss ins Glück.

"Vor dem Spiel hat jemand zu mir gesagt: Man kann nur Tore schießen, wenn man es auch probiert. Also habe ich draufgehalten", sagte Werner nach dem Spiel, seinem ersten nach der Rückkehr nach Leipzig. Und so einfach ist das manchmal tatsächlich im Fußball: Wer nicht aufs Tor schießt, kann auch kein Tor erzielen.

RB: Werner lauert oft vergeblich

Das war es dann aber auch schon mit den einfachen, erfreulichen Dingen in Werners zweitem Debüt für RB Leipzig. Der Rest war teilweise schwere Kost gegen einen hartnäckigen Gegner, der zudem eine Halbzeit lang mit einem Spieler mehr spielen durfte. Das nimmt entscheidenden Einfluss auf das Rollenprofil eines Angreifers, es fehlt an der geballten Unterstützung bei eigenen Offensivaktionen.

Und auch als sich auf dem Platz noch elf gegen elf Spieler gegenüberstanden, hatte Leipzig noch einige Probleme, seinen neuen, alten Spieler gewinnbringend in das eigene Spiel zu integrieren.

Seine Mannschaft habe "zu oft den Moment verpasst, schnell von hinten rauszuspielen, was gerade mit der Formation heute super gepasst hätte", sagte Werner und deutete damit an, dass die Marschroute nicht eindeutig formuliert wurde. Er selbst jedenfalls stand oft genug parat für einen schnellen Umschaltmoment, einen Tiefenpass. Nur wartete Werner in der Regel vergebens darauf.

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Gegnerbindung bringt Platz für die Mitspieler

So richtig war nicht zu erkennen, wohin Trainer Domenico Tedesco mit Werner und der taktischen Ausrichtung hin will. Mit Werner kommt zu den drei klaren Mittelstürmern Yussuf Poulsen, Alexander Sörloth und André Silva noch ein vierter möglicher dazu.

Das Angebot im Leipziger Sturm ist enorm, kein andere Bundesligist leistet sich auch nur annähernd so viele zentrale Angreifer wie RB. Gegen Köln verzichtete Tedesco auf einen klaren Keilstürmer und stellte in einem 3-5-2 auf, mit Olmo auf der Zehn hinter den beiden beweglichen Angreifern Werner und Christopher Nkunku.

Im besten Fall bringt Werner dem Leipziger Spiel auch gegen eher stark defensiv agierende Gegner so viel Tiefe, dass eine stete Option für einen langen Ball in die Spitze gegeben ist. Oder aber er drückt die gegnerische Linie mit seinen zum Teil nur angedeuteten Läufen ein paar Meter nach hinten - und verschafft damit den eigenen Mitspielern vor der gegnerischen Abwehrkette den Raum, der in solchen Spielen in der Regel fehlt. Deshalb sei Werner eine "Waffe", wie Willi Orban sagt.

Werner nicht "der Heilsbringer" bei RB

So weit die Theorie. In der Praxis brachte Leipzig das Trio Olmo-Werner-Nkunku aber nur sehr selten derart ins Spiel, dass daraus etwas Gefährliches hätte entstehen können. Werners Glücksschuss, Nkunkus Tor nach einem Umschaltmoment: Das war's. Aber natürlich soll da noch viel mehr kommen.

"Timo muss erstmal ankommen, er ist sicher nicht der Heilsbringer, sondern ein Teil des Teams", sagte sein Chef Oliver Mintzlaff.

"Sicher ist er noch nicht bei 100 Prozent, das hat aber auch keiner erwartet. Er hat es ordentlich gemacht. Wenn ich Noten verteilen würde, wäre das eine Drei oder Zwei minus", fiel das Urteil des Managers nachsichtig aus. Aber Mintzlaff wäre nicht Mintzlaff, hätte er dazu nicht noch einen klare Auftrag formuliert: "Da geht noch mehr!"

Modeste: "Das geht nicht von heute auf morgen..."

So ähnlich könnte man auch Anthony Modestes Debüt für Borussia Dortmund in einen Satz fassen. Der Haller-Ersatz hatte immerhin drei Torschüsse, die meisten aller Dortmunder Spieler. Gefährlich wurde Modeste aber nur in einer Aktion, als er sich einmal mit einer kurzen Steil-Klatsch-Bewegung selbst Platz verschaffte, der Abschluss dann aber mit links zu unsauber geriet. Ansonsten war vom Mittelstürmer im Dortmunder 4-2-3-1 nicht viel zu sehen - sowohl im Spiel mit, als auch im Spiel gegen den Ball ist da noch jede Menge Verbesserungspotenzial.

"Er war sehr bemüht, das Anlaufen hat in der ersten Halbzeit noch nicht so gut gepasst", sagte Trainer Edin Terzic. "Er hatte zwei gute Möglichkeiten vor der Pause, war zweite Halbzeit auch präsent in der Box." Er "einen guten ersten Schritt gesehen" von seinem neuen Spieler. "Wir werden weiter mit ihm arbeiten."

Nach nur ein paar Tagen in der neuen Umgebung und einer neuen Mannschaft, mit drei, vier Trainingseinheiten war auch kaum mehr zu erwarten im ersten Spiel. "Ich habe erst drei Tage mit den Jungs trainiert und das merkt man ein bisschen", sagte Modeste selbst nach dem 3:1-Erfolg in Freiburg. "Das geht nicht von heute auf morgen, auch wenn geile Spieler hinter mir sind. Aber wir werden das schaffen..."

Noch nicht gut eingebunden ins Dortmunder Spiel

Wie bei Werner in Leipzig gingen die Dortmunder Überlegungen auch dahin, einen Spieler zu holen, der die Liga kennt, die deutsche Sprache spricht und damit so wenig wie möglich Eingewöhnungszeit beanspruchen dürfte. Aber wie Werner in Leipzig fremdelte Modeste bei seinem immerhin 90-minütigen Debüt für den BVB doch noch sehr mit seiner neuen Mannschaft.

23 Ballaktionen bedeuteten die wenigsten aller Spieler auf dem Platz, die die komplette Spielzeit absolvieren durften. Dazu gewann Modeste nur jeden dritten seiner Zweikämpfe. Vor allen Dingen aber war er kaum eingebunden in den Dortmunder Spielfluss, wenn es flach und über kleine Kombinationen nach vorne gehen sollte.

Daran wird er sich aber schnell gewöhnen und umgewöhnen müssen. In Köln war das Offensivspiel zu einem sehr großen Teil auf Modeste ausgelegt: Entweder im schnellen Umschalten in die Spitze oder aber mit dem extremen Flankenfokus des FC in der abgelaufenen Saison. Keine andere Mannschaft flankte so häufig und früh in den gegnerischen Strafraum auf den dankbaren Abnehmer Modeste.

So hatte der Spieler immer seine Momente, strahlte jederzeit Torgefahr aus. In Dortmund dürften es deutlich weniger Hereingaben von der Seite geben, also muss sich Modeste auf anderen Feldern einbringen und verbessern.

BVB: "Werden unser Spiel nicht auf Modeste ausrichten"

"Wir werden auf jeden Fall unser Spiel jetzt nicht auf Anthony Modeste ausrichten, das wäre für den Rest der Mannschaft sicherlich nicht zuträglich", sagte Dortmunds Sportchef Sebastian Kehl bei DAZN.

"Aber mit Modeste bekommen wir ein Element in unser Spiel, das wir genauso nutzen können - sei es aus dem Halbfeld mit Flanken, sei es auch mal mit diagonalen Bällen. Wir haben mit ihm auf jeden Fall eine Waffe hinzugewonnen, die unserem Kader gut tut und dem Trainer im vorderen Bereich mehr Möglichkeiten bietet. Und trotzdem wird er eben auch von uns profitieren, weil wir ihn in der Box füttern wollen."

Und weil Modeste - anders als in Köln - beim BVB Einer unter Vielen sein wird. Die Borussia hat tatsächlich ein paar Spieler im Kader, die auch für zehn bis 15 Tore pro Saison gut sind. Das war in Köln nicht der Fall, wo Modeste mit zuletzt 20 Saisontoren vier Mal so viele erzielt hatte wie der zweitbeste Angreifer dahinter (Mark Uth mit nur fünf Toren).

Modeste wird in Dortmund womöglich weniger Momente bekommen, sich einzubringen oder torgefährlich zu werden. Aber in seiner einen Spezialdisziplin, als reiner Strafraumspieler im gegnerischen Sechzehner, kann er den Unterschied ausmachen.

"Wir haben Tony ja geholt, damit er spielt. Er hat die komplette Vorbereitung bei den Kölner mitgemacht und wirkt sehr fit", erklärte Terzic den Startelfeinsatz des Spielers in Freiburg. "Jetzt hoffen wir auf die richtigen Impulse." Der BVB hat mit dem Transfer jedenfalls "weitere Optionen" geschaffen, so Terzic. "Tony bringt uns Stärken, die uns in der letzten Zeit fehlten." Jetzt muss er diese "nur" noch einbringen...

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