Adi Hütter von Borussia Mönchengladbach im Interview: "Der römische Philosoph Seneca brachte es gut auf den Punkt"

Adi Hütter ist seit Sommer 2021 Trainer von Borussia Mönchengladbach.
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Muss man als Trainer grundsätzlich auch stur sein, um nicht seine Überzeugung vom eigenen Weg zu verlieren?

Hütter: Ich weiß nicht, ob es nur Sturheit ist, aber es geht in die Richtung. Jeder Trainer muss für sich authentisch sein und festlegen, was er von seiner Mannschaft sehen möchte. Das kann man aber nur herüberbringen, wenn man noch in den Spiegel blicken kann. Denn wenn ich schon am Pranger stehen sollte, dann bitte für etwas, das ich zuvor selbst nicht richtig entschieden habe.

2015 gingen Sie zu den Young Boys in die Schweiz, feierten zwei Vizemeisterschaften und den ersten Titelgewinn nach 32 Jahren. Anschließend schlossen Sie sich drei Jahre Eintracht Frankfurt an. Würden Sie sagen, das Ende der Vorsaison, als nach der Bekanntgabe Ihres Wechsels nach Gladbach mit nur drei Siegen in den finalen sieben Spielen die Qualifikation zur Champions League noch verspielt wurde, war die bislang schwerste Phase Ihrer Trainerkarriere?

Hütter: Ja.

Wie blicken Sie heute auf dieses Saisonende zurück?

Hütter: Als wir im Januar gegen Leverkusen aus dem Pokal ausschieden und Neunter in der Liga waren, sagte ich intern: Jetzt greifen wir die Champions-League-Plätze an! Da haben mich alle nur verwundert angeschaut, aber anschließend sind wir richtig durchgestartet. Dann kamen die Gerüchte rund um den Abgang von Fredi Bobic auf und ich habe diese viel diskutierte Aussage getätigt, dass ich in Frankfurt bleiben werde. Zu diesem Zeitpunkt lag mir auch noch kein Angebot vor. So sind leider sehr viele Dinge passiert, die sich nicht nur positiv auswirkten. Sportlich haben wir jedoch nur ein einziges schlechtes Spiel gemacht - auf Schalke am 33. Spieltag. Die Niederlage dort war der Knackpunkt. Hätten wir gewonnen, wären wir in die Königsklasse eingezogen.

Adi Hütter und die Young Boys Bern feiern 2018 die Schweizer Meisterschaft.
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Adi Hütter und die Young Boys Bern feiern 2018 die Schweizer Meisterschaft.

Hütter über den Frankfurt-Abschied und den Gladbach-Wechsel

Schmerzt es Sie, dass die erfolgreiche Zeit bei der SGE so zu Ende ging?

Hütter: Natürlich tut mir das weh. Es ging mir auch nahe, dass es hieß, man habe es verbockt, mit Eintracht Frankfurt nicht in die Champions League eingezogen zu sein - obwohl man es selbst war, der dieses Ziel ausgerufen hat. Am Ende des Tages wird einfach gerne nach Sündenböcken gesucht. Wir haben 60 Punkte geholt und souverän einen internationalen Platz erreicht. Und das, nachdem nach der ersten Saison mit Ante Rebic, Luka Jovic und Sebastien Haller die drei Top-Spieler gingen, wir trotzdem ins Europa-League-Halbfinale einzogen und zwei Spieltage vor Schluss noch Vierter waren. Wenn man dann mit einer Eintracht auf Platz fünf nicht zufrieden ist, dann bewegt man sich nicht mehr in der Realität.

Haben Sie sich in dieser Zeit, in der Sie über Wochen stark im medialen Fokus standen und das Angebot aus Gladbach eintraf, mit Jörg Zeyringer ausgetauscht?

Hütter: Nein. Was hätte er mir denn sagen sollen? Es fiel mir alles andere als leicht, die Entscheidung zu treffen - aber ich musste sie selbst treffen.

Was gab letztlich den Ausschlag, der Borussia zuzusagen?

Hütter: Ich hatte bei der Eintracht noch zwei Jahre Vertrag, fühlte mich natürlich sehr verbunden und es hat mir dort ausgezeichnet gefallen. Dann kam plötzlich die Möglichkeit, noch einmal einen weiteren Traditionsverein trainieren zu können, mit einem richtig guten und vielleicht auch ruhigeren Umfeld, auch in der Führung. Wie sich die Borussia dann um mich bemüht hat, das imponierte mir schon.

Welche Rolle spielte der Fakt, dass sich die Eintracht komplett im Umbruch befand: Der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Steubing schied aus, Bobic und Bruno Hübner gingen, mit Andre Silva verlor man den besten Torschützen?

Hütter: Natürlich spielte das hinein. Es war gänzlich unklar, wer Sportvorstand und Sportdirektor wird und wie der Verein neu aufgestellt werden sollte. Das war in Gladbach anders, hier stand alles bereits fest.

Steht denn bei Ihnen schon fest, wie lange Sie noch Trainer sein möchten?

Hütter: Ich bin jetzt 52 Jahre alt und kann nicht sagen, ob ich mit 60 noch an der Linie stehen will. Schauen Sie auch, wie schnelllebig der Fußball ist und wie wenige Trainer noch mit 60 aktiv sind - zumal ich in den vergangenen 14 Jahren nur drei Monate ohne Job war. Solange ich aber noch das Gefühl habe, weiter hungrig zu sein und genügend Energie zu besitzen, werde ich weitermachen. Am wichtigsten ist mir, dass es Spaß macht - und das tut es. Auch wenn es wie aktuell in Gladbach einfach eine gewisse Zeit dauert, bis alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Das ist normal, in Frankfurt hat auch nicht alles von Anfang an funktioniert.

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