VfB-Präsident Claus Vogt im Interview: "Vielleicht ist es bei Thomas und mir wie in einer guten Ehe"

Claus Vogt und Thomas Hitzlsperger bei der gemeinsamen Pressekonferenz zur Datenaffäre.
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Claus Vogt ist seit Dezember 2019 Präsident des VfB Stuttgart und hat turbulente Monate hinter sich. Im Interview mit SPOX und Goal spricht Vogt offen über den brutalen Machtkampf und äußert sich zu seinem Verhältnis zu Vorstandsboss Thomas Hitzlsperger.

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Vogt mahnt deutlich eine fehlende Fehlerkultur beim VfB an und verrät, warum er trotz wahnsinniger Monate nie kurz davor war aufzugeben.

Außerdem erklärt der 51-Jährige, wie die Suche nach einem zweiten Investor läuft, welche Kritik er nicht nachvollziehen kann und was ihn bei den Super-League-Diskussionen am meisten schockiert hat.

Herr Vogt, der VfB hat vier Spiele in Folge verloren, aber der durchweg positive Gesamteindruck in dieser Saison wird dadurch nicht geschmälert. Wie blicken Sie auf die Leistung, die das Team abgeliefert hat?

Claus Vogt: Ich bin in die Art und Weise verliebt, wie die Jungs Fußball spielen. Wir haben eine Mannschaft, die schönen und attraktiven Fußball spielt - es macht richtig Spaß, ihr jeden Spieltag zuzuschauen, selbst wenn es wie zuletzt mal ein paar Niederlagen zu verkraften gibt. Die Mannschaft war so erfolgreich, dass wir in der letzten Saisonphase in einer komfortablen Situation sind. Wir haben Planungssicherheit als Verein und der Trainer kann Spielern Einsatzmöglichkeiten geben, die für die Entwicklung ganz wichtig sind. Es macht uns stolz und tut uns gut, dass wir in so einer sicheren Situation sind - wir kennen das ja aus der Vergangenheit auch ganz anders.

Was ist für Sie der Hauptgrund für den Erfolg?

Vogt: Der Erfolg ist das Ergebnis der guten Arbeit unserer sportlichen Führung. Sven Mislintat hat es geschafft hat, einen richtig spannenden Kader zusammenzustellen. Pellegrino Matarazzo hat diesen Kader zu einer Mannschaft geformt, die eine echte Einheit ist. Das spürt man. Er passt als Trainer nicht nur fachlich, sondern auch menschlich einfach top zu uns. Und Thomas Hitzlsperger macht es sehr gut, indem er den beiden den Rücken stärkt und ihnen im gesteckten Rahmen den Freiraum zur Entfaltung gibt. Alles zusammen macht am Ende den Erfolg aus.

Vogt: "Es wurde versucht, Dinge unter den Teppich zu kehren"

Sie sprechen Thomas Hitzlsperger an. Sein offener Brief hat Ende Dezember für ein Erdbeben gesorgt im VfB-Kosmos, von dem sich der Verein bis heute noch erholt. Da jetzt ein bisschen Ruhe eingekehrt ist und Sie auch Zeit hatten, um die letzten Monate zu reflektieren. Was ist da eigentlich passiert?

Vogt: Es war mit der Aufarbeitung der Datenaffäre eine wahnsinnig intensive Zeit für mich. Auch eine wahnsinnig anstrengende Zeit. Aber für mich war immer nur ein Punkt entscheidend: Ich hatte die ganze Zeit die Sicherheit, dass ich das Richtige tue, weil ich mich für die Mitglieder und Fans des VfB eingesetzt habe. Ich habe einfach meinen Job gemacht. Ich bedauere am meisten, dass wir in dieser Zeit alle erkennen mussten, dass wir als VfB keine gute Fehlerkultur haben und leben. Das ist für mich der zentrale Aspekt. Hätten wir diese Fehlerkultur gehabt, hätte es für vieles eine Lösung gegeben. Fehler passieren, manchmal auch einfach deshalb, weil man es nicht besser wusste. Aber statt Fehler einzugestehen, wurde alles versucht, um Dinge unter den Teppich zu kehren. Ich hoffe sehr, dass wir daraus gelernt haben und dass alle im Verein in Zukunft Fehler offen zugeben und die nötigen Konsequenzen daraus ziehen.

Und was den Brief von Thomas Hitzlsperger angeht?

Vogt: Thomas hat gemerkt, dass er über das Ziel hinausgeschossen ist und sich dafür entschuldigt. Damit ist die Sache auch erledigt. Ich glaube, dass damals vieles zusammengekommen ist. Wir waren alle etwas dünnhäutig aufgrund der angespannten Corona-Pandemie. Finanzieller Druck und finanzielle Sorgen sind auf uns gelastet. So ist eine Situation entstanden, die im Nachhinein schwer zu erklären und nicht nachzuvollziehen ist.

Die Situation war ja schon extrem. Wie nahe waren Sie an einem Punkt, dass Sie bei aller Leidenschaft für den VfB das alles nicht mehr ertragen wollten?

Vogt: Ich gebe zu, dass es Nächte des Grübelns gab. Und nicht nur eine. Aber den Gedanken, dass ich nicht mehr wollte? Den gab es nie. Dafür gab es viel zu viele Mitglieder und Fans, die mich unterstützt haben. Ich habe hunderte Briefe bekommen, Nachbarn haben mir nette Botschaften in den Briefkasten geworfen, meine Familie hat mir natürlich Halt gegeben - das hat gutgetan, das hat mich bestärkt. Ich wusste in jeder Sekunde, egal wie schwierig der Moment auch war, dass ich für das Richtige einstehe. Ich bin von Natur aus Überzeugungstäter und wenn du diese innere tiefe Überzeugung hast, dann hältst du auch unmenschlich viel aus. Ich hätte wahrscheinlich noch viel mehr ausgehalten, wenn es nötig gewesen wäre.

Claus Vogt ist seit Dezember 2019 Präsident des VfB Stuttgart.
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Claus Vogt ist seit Dezember 2019 Präsident des VfB Stuttgart.

Vogt: "Wir wollen, dass Thomas langfristig beim VfB bleibt"

Zumal Sie ja mit Gegenwind rechnen mussten.

Vogt: Ganz am Anfang hatte ich noch die naive Hoffnung, dass sich die Vorwürfe im Datenskandal in Luft auflösen. Aber als recht schnell klar war, dass Daten weitergegeben wurden, wusste ich natürlich, dass ich nicht nur auf Gegenliebe stoßen würde, wenn ich die Aufklärung so vehement vorantreibe. Die betreffenden Menschen waren ja noch da. Ich war dann einfach enttäuscht zu sehen, dass wir so eine schlechte Streit- und Diskussionskultur hatten und lieber vertuscht wurde, statt einen Fehler einzuräumen.

Wenn wir in die Zukunft schauen: Thomas Hitzlsperger und Sie betonen, dass Ihre Zusammenarbeit "funktioniert". Aber reicht das als Basis für eine jahrelange Zusammenarbeit?

Vogt: Es ist mehr als ein "es funktioniert". Es funktioniert hochprofessionell. Wir haben beide das gleiche Interesse: Im Sinne des VfB bestmöglich unsere Arbeit zu machen. Ja, es gab Verwerfungen, aber unser Verhältnis ist trotz allem besser, als viele vielleicht denken. Wir freuen uns gemeinsam über Tore und Siege, wir trinken auch ein Siegerbier zusammen. Vielleicht ist es bei Thomas und mir wie in einer guten Ehe. Vielleicht tut es uns und dem VfB sogar gut, dass wir durch so eine Krisenzeit gegangen sind und wir gehen gestärkt daraus hervor.

Hitzlspergers Vertrag endet 2022. Wie sieht es mit einer vorzeitigen Verlängerung aus?

Vogt: Wir sprechen mit niemand anderem. Das Problem ist, dass wir in einer AG erst ein Jahr vor Ende des laufenden Vertrags verlängern können. Das ist im Herbst. Vorher können wir es nicht schriftlich fixieren. Sobald das aber möglich ist, wollen wir das auch tun. Wir wollen, dass Thomas langfristig beim VfB bleibt.

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