VfB-Neuzugang Alou Kuol im Interview: "Ich würde gerne mit Ronaldo, Zlatan und Balotelli abhängen"

Alou Kuol wechselt zur neuen Saison zum VfB Stuttgart.
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Als Alou Kuol drei Jahre alt ist, flüchtet seine Familie vor dem Krieg aus dem Sudan. In Australien wird die Familie heimisch, Kuol entdeckt seine Liebe zum Fußball, jobbt als Küchenhilfe und wechselt jetzt im Sommer von den Central Coast Mariners aus der australischen A-League zum VfB Stuttgart in die Bundesliga.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht der 19-Jährige über die beeindruckende Reise seines bisherigen Lebens. Kuol verrät, warum er mit dem BVB mitgefiebert hat, welche Superstars er gerne einmal kennenlernen würde und warum er kein Langweiler ist.

"Alou ist ein aufregender junger Spieler, der weiß, wo das Tor steht. Sehr explosiv, sehr gut im Kopfball und mit einer guten Schusstechnik ausgestattet. Er ist natürlich noch sehr jung, aber er hat eine große Zukunft vor sich. Ich freue mich zu beobachten, wie er sich in einem deutschen Top-Klub weiterentwickeln und den nächsten Schritt gehen wird", ist Kuols aktueller Trainer Alen Stajcic gegenüber SPOX und Goal voll des Lobes.

Alou, Sie wurden im Sudan geboren, sind dann aber früh mit Ihrer Familie vor dem Krieg geflohen. Erzählen Sie.

Alou Kuol: Ich war gerade mal drei Jahre alt, als wir vor dem Krieg geflohen sind. Erst nach Ägypten für ein Jahr und als es dort nicht so gut für uns lief nach Australien. Ich war viel zu klein, um lebhafte Erinnerungen zu haben, aber ich habe mit meinen Eltern darüber gesprochen und ich weiß, was das für eine harte Entscheidung für sie war. Vor dem Krieg aus seinem eigenen Land zu fliehen, ist eine verdammt große Sache. Ich glaube, das können sich alle vorstellen.

Wie war es für Sie, in Australien aufzuwachsen?

Kuol: Für mich war es natürlich viel leichter als für meine Eltern. Ich war ein kleines Kind, das sich sehr schnell an das anfangs fremde Land gewöhnt hat. Ich habe mir keine großen Gedanken gemacht, ich hatte einfach Spaß und eine total glückliche Kindheit. Für meine Eltern war es viel schwieriger. Sie mussten sich erstmal zurechtfinden, eine neue Sprache lernen und Arbeit finden.

Was haben Ihre Eltern gemacht?

Kuol: Heute arbeiten sie beide als Reinigungskräfte, aber ich weiß gar nicht genau, was sie in den ersten Jahren gemacht haben. Ich weiß nur, dass sie jeden Tag sehr früh aus dem Haus gegangen, sehr spät wieder nach Hause gekommen und dann noch unser Essen vorbereitet haben, das wir am nächsten Tag mit in die Schule nehmen konnten. Und wenn sie nicht da waren, haben sich unsere Cousins um uns Kinder gekümmert.

Wie hat Sie das geprägt?

Kuol: Meine Eltern haben mir gezeigt, was wirklich harte Arbeit ist. Sie haben alles getan, um uns als Familie durchzubringen und haben trotz allen Schwierigkeiten uns Kinder in allem unterstützt, ob es die Schule oder dann Fußball war. Das war eine unglaubliche Leistung. Ohne meine Eltern wäre ich sicher nicht da, wo ich heute bin. Ich würde mir wünschen, dass ich ihnen das eines Tages alles zurückzahlen kann - das ist mir ganz wichtig.

Alou Kuol könnte einer der nächsten Top-Transfers von Sven Mislintat werden.
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Alou Kuol könnte einer der nächsten Top-Transfers von Sven Mislintat werden.

Kuol: "Ich bin nicht langweilig und sage, was ich denke"

Sie haben in Australien neben Toren auch schon mit einem wunderbaren Post-Match-Interview für Furore gesorgt.

Kuol: Das bin einfach ich. (lacht) Bitte nicht falsch verstehen: Wenn es um Fußball geht, bin ich auf dem Platz ein sehr ernsthafter Typ. Die Leistung muss immer im Vordergrund stehen. Aber abseits des Platzes will ich auch ein bisschen Spaß haben und den Menschen meine Persönlichkeit zeigen. Ich habe Hunderte von diesen langweiligen Interviews nach Spielen gesehen. Ich bin aber nicht langweilig. Ich sage, was ich denke.

Von wem haben Sie das?

Kuol: Gute Frage. Ich würde fast sagen, dass ich das von meiner Mutter habe. Sie ist überhaupt nicht schüchtern und hätte kein Problem damit, vor 100.000 Zuschauern das Mikro in die Hand zu nehmen. Bei meinem Vater ist es etwas anders. Zwiespältiger. Zuhause ist er total streng und regiert mit der Eisenfaust. Aber sobald er zur Tür rausgeht, mutiert er zum Joker, macht Witze und zeigt seine andere Seite.

Sie haben sechs Geschwister, alles Brüder.

Kuol: Es war toll für mich, in so einer riesigen Familie aufzuwachsen. Wir sind so viele, dass du immer jemand zum Spielen und Blödsinn machen hattest. Wir haben im Garten die ganze Zeit Fußball gespielt und da ging es ganz schön hoch her - wir sind alle sehr ehrgeizig in der Familie. Bis dann irgendwann mein Vater kam und sagte, dass jetzt Schluss sei, weil er jetzt schlafen möchte. Fußball war schon immer eine große Leidenschaft bei uns, viele meiner Brüder spielen auch. Wobei einer jetzt aufgehört hat. Aber ich mache ihm keinen Vorwurf, er war nicht sehr talentiert. (lacht)

Kuol über Hühnerbrust in Parmesankruste mit Bolognese-Sauce

Bei Ihnen war das Talent dagegen früh erkennbar. Wie war Ihr Start im Jugendfußball?

Kuol: Am Anfang habe ich vor allem in der Schulmannschaft Fußball gespielt. Da war ich sofort im Sturm unterwegs und auf der Jagd nach Toren. Witzig war es, als ich dann mit elf, zwölf Jahren zum ersten Mal in einen lokalen Klub gekommen bin. Der Trainer dort kannte mich nicht und hat mich erstmal in die Innenverteidigung verfrachtet. Als er dann aber gesehen hat, wie ich samstags in der Schulmannschaft im Angriff gespielt habe, hat er mich am Sonntag sofort auch nach vorne beordert. Und ich habe sofort drei Tore geschossen. Das war top. (lacht) Von da an war ich Stürmer, wobei ich bei der U15 auch mal als Torwart ausgeholfen habe, als sich unser Stammkeeper das Handgelenk gebrochen hatte. Aber hinten hat es mir nie so gut gefallen wie vorne.

Stimmt es, dass Sie in der Jugendzeit auch neben dem Fußball in der Küche gejobbt haben?

Kuol: Das stimmt, ich habe als Küchenhilfe gearbeitet. Drei, vier Tage pro Woche und zehn, zwölf Stunden am Tag. Das waren harte und lange Tage - eine verrückte Zeit. Es war zwar ganz cool, weil ich das zusammen mit ein paar Kumpels gemacht habe und am besten war es sonntags, wenn wir manchmal allein für alles verantwortlich waren, aber es gibt angenehmere Jobs, das muss ich auch sagen. Aber in unserem Laden gab es Hühnerbrust in Parmesankruste mit einer Bolognese-Sauce, das war köstlich!

Zurück zu Ihrem Weg im Fußball: Es ging nicht nur immer bergauf, Sie mussten auch lernen, mit Enttäuschungen und Ablehnungen umzugehen.

Kuol: Ja, nicht alle waren sofort von meinem Talent überzeugt. Ich hatte einmal ein einmonatiges Probetraining in Melbourne und ich dachte, ich hätte mich ganz gut geschlagen und präsentiert. Aber der Coach meinte, ich sei ein zu rohes Talent. Ich fand das nicht fair, aber im Nachhinein war es alles gut so. Der entscheidende Schritt für mich war es dann, meine Heimat zu verlassen und zu den Central Coast Mariners zu wechseln. Es war zwar ärgerlich, mit diesem Schritt meine Familie und Freunde zu verlassen, aber für meine Karriere war dieser Weg goldrichtig. Und mir ist es auch nicht schwer gefallen, weil ich vom Typ jemand bin, der in neuer Umgebung relativ schnell neue Freunde findet.

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