Diadie Samassekou von der TSG Hoffenheim im Interview: "Als der Krieg ausbrach, hatte ich eine Woche lang Albträume"

Von Louis Loeser
Diadie Samassekou wechselte 2019 von Red Bull Salzburg zur TSG 1899 Hoffenheim.
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Bis 2013 haben Sie in der Akademie zusammen mit Jungs zwischen elf und 18 Jahren gelebt, die vor allem Fußball im Kopf hatten. Auch Ihren Freund Amadou Haidara (RB Leipzig), mit dem Sie später in Salzburg zusammenspielten, haben Sie dort kennengelernt. Welche Geschichte ist Ihnen aus dieser Zeit besonders im Kopf geblieben?

Samassekou: Amadou ist etwas jünger als ich, also spielten wir nicht in der gleichen Mannschaft. Aber wir hatten eine enge Beziehung. Wir verbrachten extrem viel Zeit zusammen, zumal ich der Jüngste in meinem Team war und er einer der Ältesten in seiner Mannschaft. Ich hatte dort eine unfassbar schöne Zeit, auch was den Fußball angeht. Wenn du spielst, denkst du an nichts, du willst einfach nur Spaß haben. Das ist etwas, was als Profi leider häufig untergeht. Das Wichtigste ist es, Spaß zu haben und es zu genießen.

Samassekou über Zeit in der JMG Academy: "Wir waren Brüder"

Auf der Akademie verfolgen alle das große Ziel, eines Tages Fußballprofi zu werden. Dabei ist allen bewusst, dass nur einige wenige diese Chance bekommen werden. Wie war Euer Verhältnis untereinander?

Samassekou: Wenn man in der Akademie ist, hat man Träume. Obwohl uns bewusst war, dass diese von einigen von uns platzen werden würden, hatten wir ein sehr enges Verhältnis zueinander. Wenn einer von uns Erfolg hat, wird er den anderen helfen. Es gab nie einen erbitterten Wettbewerb zwischen uns. Natürlich wollte jeder zeigen, dass er der Beste ist, aber das hat nie unsere Beziehung beeinflusst. Wir wetteiferten während der Spiele oder im Training, aber danach waren wir alle Brüder. Wir stehen immer noch in Kontakt und haben eine enge Beziehung. Ich denke, das beschreibt auch die Leute in Mali insgesamt sehr gut.

Als Profifußballer in einer der größten Ligen Europas sind Sie mittlerweile selbst ein Vorbild. Welchen Rat können Sie fußballbegeisterten Kindern mit auf den Weg geben?

Samassekou: Ich kann ihnen sagen, dass sie niemals aufgeben sollten. In den Akademien sind es nicht immer die besten oder die talentiertesten Spieler, die später Erfolg haben. Wenn du Ziele hast, solltest du immer auf dich gucken und alles geben, um deine Ziele zu erreichen. Wenn du um fünf oder sechs Uhr morgens aufstehen musst - mach' es, weil du es später bereuen wirst, wenn du es nicht tust. Das sage ich ihnen immer, wenn ich in Mali bin. Zumal ich weiß, wo ich herkomme. Ich war nicht der beste Spieler, aber ich wusste, wo ich unbedingt hin wollte. Ich denke, jeder kann seine Ziele erreichen, wenn er diese Mentalität hat.

Die meisten jungen afrikanische Fußballtalente sind für ihre Familien die große Hoffnung, der Armut zu entfliehen. Berater wissen das und versuchen oft, aus dieser Lage Profit zu schlagen. Haben Sie während Ihrer Zeit in der Akademie solche Erfahrungen gemacht?

Samassekou: Mit Beratern ist es überall das Gleiche. Du musst vorsichtig sein, manche von ihnen sind gut und manche schlecht. Natürlich kamen immer mal wieder welche, die mich mit großen Versprechungen versucht haben, von der Akademie wegzulocken, aber ich habe diese Angebote nie akzeptiert. Ich wusste immer, dass ich als Junge in die Akademie kam, sie mir alles beibrachten, und ich weiß, dass sie für mich nur das Beste wollen. Ich denke, es war das Richtige, nicht in der Mitte auszusteigen. Es gab einige Spieler, die früh gewissen Beratern folgten und damit Erfolg hatten, aber viele von ihnen sind auch in Schwierigkeiten geraten.

Sie haben einmal gesagt, dass der Fußball eine bösartige Welt ist. Was meinten Sie damit?

Samassekou: Wenn du gut bist, sind alle nett zu dir, aber wenn es gerade schwer ist, halten nur wenige zu dir. Bestimmte Berater flüstern dir ein, wie gut du schon bist, aber wenn du mal nicht ablieferst, wenden sie sich ab. Natürlich gibt es auch viele gute Berater, die dir wirklich helfen. Aber vor allem sollte man niemals diejenigen Leute vergessen, die einem von Beginn an unterstützt haben und die auch für dich da waren, als du mal nicht mehr weiter wusstest. Dessen sollte man sich immer bewusst sein, denn das Fußball-Geschäft kann auch bösartig sein. Häufig wird erstmal an sich selbst gedacht - egal, ob in Mannschaften, bei Spielern oder Beratern. Du solltest nie vergessen, wo du herkommst.

Diadie Samassekou über malischen Bürgerkrieg: "Hatte eine Woche lang Albträume"

Wer hatte den größten Einfluss auf Ihre Karriere?

Samassekou: In meinem Leben als Fußballer hatte ich viele Mentoren. Auf jeder Stufe meiner Karriere gab es jemanden, der mich wirklich gepusht hat. Eine sehr wichtige Person war mein Trainer bei AS Real Bamako, nachdem ich die Akademie verlassen hatte. Ich war sehr jung und wir wussten alle, wie schwer es ist, in der ersten Liga zu spielen, aber der Coach vertraute mir. Wir spielten gegen Gegner, die unsere Onkel hätten sein können, aber er hat uns immer angespornt und uns gesagt: 'Gebt euer Bestes, ihr seid gute Spieler und eure Physis ist nicht wichtig.' Das ist etwas, was ich mir heute immer noch vor Augen halte. Denn natürlich bin ich nicht der Größte oder der Kräftigste, aber ich weiß, dass ich das, was ich mache, mit voller Leidenschaft umsetze.

Sie haben bereits mit vielen talentierten Spielern zusammengespielt. In Salzburg standen Sie zum Beispiel mit Erling Haaland oder Munas Dabbur auf dem Platz. Wer war bisher Ihr bester Mitspieler?

Samassekou: Ich habe mit vielen guten Spielern gespielt, aber wir waren vor allem ein sehr gutes Team. Ich könnte Xaver Schlager, Erling Haaland, Amadou Haidara oder Munas Dabbur nennen. Sie sind alle Top-Spieler. Sie haben alle so abgeliefert, um für einen Top-Klub zu spielen. Viele sagen, Haaland sei am talentiertesten, aber man weiß nie, wie es sich im Fußball entwickelt. Ich kann nur sagen, dass sie alle gute Spieler sind, und ich bin stolz, mit ihnen gespielt zu haben.

Mit Salzburg haben Sie schon internationale Erfahrungen gesammelt und durften gegen mehrere Top-Teams spielen. Wer war Ihr härtester Gegenspieler?

Samassekou: Das war Fabian Ruiz von Napoli, auch wenn er vielleicht noch nicht so bekannt ist. Es war wahnsinnig schwer, gegen ihn zu verteidigen, weil er extrem beweglich ist und immer nur zwei Kontakte braucht. Ich versuche manchmal, meinen Freunden zu zeigen, warum er so schwer zu verteidigen ist. Ich habe schon gegen viele gute Mannschaften und Spieler gespielt, aber über Ruiz werden die Leute in den nächsten Jahren noch viel sprechen.