Hertha BSC - Jürgen Klinsmann exklusiv: "Die Ziele eines Fans und eines Investors sind die gleichen"

Von Mario Rieker
Jürgen Klinsmann hat den Trainerposten in Berlin übernommen.
© getty

Jürgen Klinsmann spricht gegenüber SPOX und DAZN über seine Ziele als Trainer von Hertha BSC, sein Team, sein Debüt gegen Borussia Dortmund und die Zukunft des Hauptstadtklubs.

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Nur 19 Tage nach seiner Berufung von Investor Lars Windhorst in den Aufsichtsrat von Hertha BSC übernahm der ehemalige Nationalspieler und Bundestrainer den Posten des Trainers, nachdem die Berliner Verantwortlichen Ante Covic freigestellt hatten. Dieser stand mit der Mannschaft nach zwölf Spieltagen mit elf Punkten auf dem 15. Platz.

Klinsmann soll die Hertha vor dem Abstieg bewahren und ein gutes Fundament für seinen Nachfolger legen, sodass er nach Saisonende in den Hintergrund zurückkehren kann. Um die Wende zu schaffen, holte der 55-Jährige Alexander Nouri, Markus Feldhoff und seinen langjährigen Weggefährten Andreas Köpke in den Trainerstab.

Im ersten Spiel unter seiner Leitung verlor Berlin zwar knapp mit 1:2 gegen Borussia Dortmund, zeigte aber einen engagierten Auftritt und ließ Hoffnung auf Besserung aufkommen. Vor dem Spiel bei Eintracht Frankfurt (ab 20.15 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) äußerte sich Klinsmann unter anderem dazu.

Jürgen Klinsmann über...

... einen Tipp, den er als ehemaliger Experte dem aktuellen Trainer von Hertha BSC geben würde: "Punkte holen, ganz einfach Punkte holen. In dem Moment, wenn du auf der Trainerseite bist, lebst du von Resultaten und Erfolgen. Die Situation, die ich da angetreten habe, ist eine sehr spezielle und die schaut im ersten Moment nicht so schön aus. Der Tabellenstand zeigt ein klares Bild. Und deshalb würde ich sagen: 'Schau, dass du irgendwie Punkte holst und nach oben kletterst.'"

... sein Vorhaben: "Jeder, der von außen hereinkommt und diese Aufgabe übertragen bekommt, erhofft sich durch seine Mehrarbeit natürlich die Wende, die ersten Siege und Punkte. Wir haben in unserer Konstellation vor, die Mannschaft schnell zu überzeugen, dass diese Mehrarbeit fruchtet und daran glauben wir auch. Das Potenzial ist da. Die Situation ist ein bisschen überraschend, weil keiner vorher damit gerechnet hat, dass man so schnell nach unten rutschen kann. Mit unserer detaillierten Arbeit sind wir aber davon überzeugt, dass die Ergebnisse dann kommen."

... sein Trainerteam Alexander Nouri (Co-Trainer), Andreas Köpke (Torwart-Trainer), Werner Leuthard (Fitness-Coach): "An Alex hat mir bei den Gesprächen, die wir geführt haben, sein Stil, die Art der Kommunikation, Ideen und Gedanken imponiert. Und auch bei Markus Feldhoff habe ich gespürt, dass es passen könnte. Der Wunsch, dass Andi Köpke dazukommt, ist natürlich ein kurzfristiger, weil er noch an den DFB und die Nationalmannschaft gebunden ist. Aber man muss sich in kürzester Zeit Leute holen, mit denen man sich blind versteht. Auch was die Rollenverteilung angeht. Dazu kommt noch Werner Leuthard, der eine unglaubliche Erfahrung im medizinischen und körperlichen Bereich hat. Somit habe ich einen Stab an Leuten um mich herum, an die ich Aufgaben delegieren kann. Das Wichtigste als Cheftrainer ist, dass du Leute um dich hast, die wissen, was sie zu tun haben. Sonst überfüllst du dich mit Arbeit, die alleine gar nicht zu stemmen ist. Klasse war es auch, dass Michael Preetz gleich mitgezogen ist. Und dann brauchst du eben schnell Resultate, springst ins kalte Wasser und fängst an zu schwimmen. Und so schlecht sind die Jungs gegen Dortmund nicht geschwommen."

... die Frage, ob der Wechsel des Torwart-Trainers etwas mit seinem Sohn zu tun hat: "In keinster Weise! Es ist einfach so, dass das Trainer-Team in einer schlechten Lage getauscht wird - und dazu gehört auch der Torwart-Trainer. So etwas muss man dann auch im Ganzen machen und nicht zu 75 Prozent. Es gibt überhaupt keine alten Geschichten."

... seine Handyhülle (Adidas-Zeichen): "Ich hatte meine Hände in den Jackentaschen und habe auf einmal mein Handy gespürt. Und dann fangen die Fans an, das Lied von Frank Zander zu singen, und ich habe es gefilmt. Das habe ich auch schon andere Male gemacht, als ich aufgrund meines Sohnes im Stadion war und es auf Social Media postete. Das Stadion war ausverkauft und diesen Moment wollte ich festhalten. Dabei habe ich nicht an die Hülle gedacht. Da war überhaupt kein Hintergedanke dabei."

... die Bedeutung von Fußball für ihn: "Das Schöne am Fußball ist die Emotionalität. Egal, ob du auf der Tribüne sitzt, in der Kurve, am Spielfeldrand stehst oder selbst spielst. Dieser Sport prägt uns so arg in unseren Gefühlen. Ich spiele selbst noch in einer Herrenauswahl jeden Sonntagmorgen. Leider muss ich jetzt ein paar Monate Pause machen. Wir haben in Deutschland 80 Millionen Bundestrainer, was supergeil ist."

... den entscheidenden Moment beim Spiel gegen den BVB: "Es wäre schön gewesen, wenn Davie Selkes Tor nicht aberkannt worden wäre. Das war natürlich schon nervend, weil es ein Tor war. Dann würden wir heute ganz anders miteinander diskutieren, weil wir dann zumindest einen Punkt hätten. Ich glaube, wir hätten sogar drei Punkte geholt, wenn er das Tor gibt. Jetzt müssen wir eben drei Punkte in Frankfurt holen."

... Jürgen Klopp und den Vergleich zum FC Liverpool: "Klopp ist einmalig. Er ist ein super Typ, der phänomenale Arbeit leistet. Aber jede Stadt und jeder Fleck, wo Fußball gespielt wird, hat den inneren Wunsch, etwas Besonderes zu sein. Und wie ich es aus den vergangenen Jahren wahrgenommen habe, sehnen sich die Berliner Fans nach einem eigenen Stadion. Berlin wünscht sich ein reines Fußballstadion mit 60.000 bis 70.000 Zuschauern. Das garantiert aufgrund des Heimvorteils acht bis zehn Punkte im Jahr. Ich glaube schon, dass die Identifikation genau so sein kann oder vielleicht sogar schon so ist wie in Liverpool, Manchester oder in Barcelona. Berlin ist eine besondere Stadt, da brauchen wir nicht drum herumreden."

... über die Rolle des Investors: "Es ist normal, dass ein Investor mit einer Vision überlegt, wie sich diese formen lässt. Das ist natürlich eine ganz neue Situation, die in wenigen Monaten entstanden ist, dass eine Person kommt, die etwas aufbauen und die Mannschaft nach Europa führen möchte. Auch mit dem Ziel, Deutscher Meister zu werden. Es ist ganz wichtig, dass es eine Zielvorgabe gibt. Dass es in Deutschland mit der 50+1-Debatte Diskussionen gibt, ist ja normal. Alles wird mit der Zeit verschmelzen, weil die Ziele eines Fans und Investors die gleichen sind. Wir wollen alle, dass es einen Schritt nach oben geht. Ich finde es faszinierend, wenn sich Leute dafür aussprechen und nicht sagen: 'Jetzt schauen wir mal, wie die Saison läuft und wenn wir Zehnter werden, ist es ganz gut'. Wir sind in Berlin und da ist so ein Platz nicht das, was wir uns alle wünschen."

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