BVB-Trainer Lucien Favre im Interview: "Der Unterschied ist, dass Titel für immer bleiben"

Lucien Favre begann seine Trainerlaufbahn im Schweizerischen Echallens.
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Warum hat Sie der anschließende Job als Nachwuchsmanager bei Xamax Neuchatel, den Sie ab 1994 für 18 Monate ausübten, besonders geprägt, wie Sie einmal sagten?

Favre: Ich wollte kennenlernen, wie ein Verein im Inneren funktioniert. Das vom Schweizer Fußballverband in Bern ausgegebene Ziel war es, das Niveau der Nachwuchsausbildung im Land zu erhöhen und sie neu zu strukturieren. Ich hatte 18 Jugendmannschaften zu koordinieren und musste schauen, wie wir bessere Spielfelder und Trainer bekommen können. Ich musste mich um die vielen Spieler genauso kümmern wie um deren Eltern oder den Inhalt des Medizinkoffers. Wir haben viele inhaltliche Diskussionen geführt. Ich habe dort einiges gelernt, das war alles komplett neu für mich.

Wieso dann nur diese 18 Monate? 1996 schlossen Sie sich nämlich Yverdon-Sport an und wurden wieder Trainer.

Favre: Weil mir der Fußball gefehlt hat. Ich habe in Neuchatel zwar parallel Trainingseinheiten mit bestimmten Schwerpunkten bei der U16 oder U18 gegeben. Das war auch sehr gut. Ich wäre dort nicht hingegangen, wenn es nur um den administrativen Teil gegangen wäre.

Bei Yverdon stiegen Sie 1999 mit der Mannschaft in die erste Schweizer Liga auf. Inwiefern war es für Ihre Entwicklung als Trainer denn genau richtig, dass es diese acht Jahre dauerte, bis Sie in Ihrem Geburtsland ganz oben angekommen waren?

Favre: Ich denke, dass ich bis dahin einfach durch eine sehr wichtige Lehre gegangen bin. Es hatte aber auch damit zu tun, dass ich nicht sofort wieder das Haus verlassen, sondern zunächst in meiner Region bleiben wollte. Echallens, Yverdon und später Genf waren nicht weit davon entfernt.

Bei Servette arbeiteten Sie von 2000 bis 2002. 2003 begann schließlich Ihre erfolgreichste Zeit in der Schweiz, als Sie den FC Zürich übernahmen und dort Pokalsieger sowie zweimal in Folge Meister wurden. Wie erinnern Sie sich an den Tag Ihres Vorstellungsgesprächs beim FCZ, als auch Joachim Löw noch in der Verlosung war?

Favre: Ich war gut vorbereitet. Ich hatte Dossiers auf Deutsch und Französisch dabei und zuvor Deutschunterricht genommen. In der Schule hatte ich zwar schon Deutsch gelernt, aber vieles wieder vergessen. Das Gespräch verlief wunderbar. Ich bin auch bis heute mit den Verantwortlichen von damals in Kontakt, erst kürzlich habe ich wieder mit dem Präsidenten telefoniert. Ich weiß noch, dass sie danach etwas gezögert haben, ob sie mich oder Joachim Löw nehmen sollen.

Zürich stand damals mit dem Rücken zur Wand und es kamen nach Ihrer Verpflichtung relativ schnell erste Zweifel auf, ob Sie der richtige Mann seien.

Favre: Es gab vor meiner Zeit in Zürich relativ viele Trainerwechsel und daher Spieler, die für unterschiedliche Systeme geholt wurden. Ich musste zunächst eine Balance und die richtige Mischung finden. Das war nicht einfach. Wir haben zu Beginn relativ gut gespielt, aber uns fehlten die Punkte. Wir waren die ersten sechs Monate Letzter in der Tabelle. Daher war es normal, dass ständig Nachfragen kamen, weshalb das so ist.

Letztlich eilte man dann von Erfolg zu Erfolg. Wie war das nach dieser Startphase möglich?

Favre: Wir haben im Winter zwei sehr gute Treffer auf dem Transfermarkt gelandet und sind am Ende noch Vierter geworden. In der zweiten Saison haben wir ein paar Neue hinzubekommen, konnten uns stabilisieren und haben den Pokal gewonnen. Das hat der Mannschaft natürlich mehr Selbstvertrauen gegeben. Zu Beginn der dritten Saison haben wir uns dann ganz eindeutig verstärkt, weil wir Spieler geholt haben, die letztlich eine großartige Karriere hingelegt haben.

Zum Beispiel den 18-jährigen Raffael oder Gökhan Inler, der damals 21 war.

Favre: Genau. Sie waren sehr jung, aber sehr gute Spieler - und das ist letztlich das Wichtigste. Wenn man eine Mannschaft aufbauen will, die eines Tages um den Titel mitspielen soll, muss man sich regelmäßig verstärken und Transfers tätigen, die auch einschlagen. Nach zwei Jahren hatten wir eine auf allen Positionen stark besetzte Mannschaft. Es hat aber eben diese zwei Jahre gedauert, bis wir dieses sehr junge Team aufgebaut hatten. Wir sind in der dritten Saison mit einem Durchschnittsalter von 21,5 Jahren Meister geworden. Das lag vor allem an der Qualität - nicht nur an der technischen Qualität, sondern auch am Engagement. Die Mannschaft konnte sehr viel laufen, mit sehr viel Intensität und Ausdauer. Im vierten Jahr sind wir erneut Meister geworden und haben den FC Basel ausgestochen, der damals in der Champions League zu Hause Juventus und Liverpool geschlagen hat.

Waren für Sie die Titel in Genf, wo Sie bereits 2001 Pokalsieger wurden, und Zürich mehr wert als beispielsweise der Aufstieg mit Yverdon-Sport?

Favre: Der Unterschied ist, dass Titel für immer bleiben. Aufstiege sind schöne Erinnerungen, aber Titel bleiben im Gespräch, man erinnert sich eher an sie.