BVB-Trainer Lucien Favre im Interview: "Der Unterschied ist, dass Titel für immer bleiben"

Lucien Favre begann seine Trainerlaufbahn im Schweizerischen Echallens.
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Kein Problem. Deutlich positiver werden Sie sicherlich an die gemeinsame Zeit mit Karl-Heinz Rummenigge bei Servette zurückdenken, mit dem Sie auch ein Zimmer teilten.

Favre: Ja. Ich hatte und habe sehr guten Kontakt zu Kalle. Wir verstanden und verstehen uns sehr gut, fußballerisch wie menschlich. Ich war mir damals schon sicher, dass er einmal eine sehr wichtige Rolle im deutschen Fußball einnehmen wird.

Gingen Sie ihm denn tatsächlich auf die Nerven, weil Sie nur über Fußball reden wollten, wie er einmal sagte?

Favre: Nein, das ist übertrieben. Er wollte das wohl positiv ausdrücken. (lacht)

1991 beendeten Sie mit 34 Jahren in Genf Ihre Karriere. Noch im selben Jahr ging es für Sie dann als Trainer los - als Assistenzcoach der C-Junioren des FC Echallens. Wie kam das zustande?

Favre: Ich bin zunächst mit meiner Familie nach Saint-Barthelemy zurückgekehrt. Danach ging es Schritt für Schritt für mich weiter. Ein Freund von mir war in Echallens Jugendtrainer. Er rief mich an und fragte, ob ich ihm helfen möchte. Anfangs war das nur einmal die Woche, danach zwei- und dreimal. Da habe ich festgestellt, dass mir das gefällt und habe weitergemacht. Ich begann dann auch, die Trainerkurse zu belegen. Später übernahm ich die C-Jugend komplett und trainierte danach auch die A-Jugend. Es waren tolle Erfahrungen für mich, mit 14- bis 17-Jährigen, die am Anfang oder Ende der Pubertät standen, zu arbeiten - gerade auch in sozialer Hinsicht war dies sehr interessant. Zum Schluss habe ich dann die erste Mannschaft in der 3. Liga übernommen. Ich bin alle Etappen durchgegangen.

Welche grundsätzlichen Gedanken an die Karriere nach der Karriere hatten Sie denn zuvor im Kopf, als Sie als Spieler aufhörten?

Favre: Ich hatte schon die Idee, Trainer zu werden, aber war eben nicht sicher, ob mir das auch gefallen würde. Diese Zweifel haben sich schnell gelegt, als ich wieder auf dem Feld stand. Es ist für mich entscheidend, dass ich als Spieler bei den Einheiten Spaß habe und als Trainer Spaß habe, zu trainieren und die Spieler besser zu machen. Das war für mich bei der Entscheidung maßgebend.

Also haben Sie die Initialzündung für Ihre Trainerkarriere letztlich Ihrem Freund aus Echallens zu verdanken?

Favre: Ja, er hat mich im Grunde zu diesem Beruf geführt. Ich wollte eigentlich noch ein bisschen warten und durchschnaufen, weil mein Karriereende damals erst zwei, drei Monate zurücklag.

Was hat Sie die Zeit in Echallens gelehrt?

Favre: Dass es immer darum geht, zu überzeugen. Dort war es einfach, weil die Jungs 14, 15 Jahre alt waren und sie mir als langjährigem Profi zugehört haben. Es den Spielern erst zu zeigen und es dann zu erklären, so geht es. Es kommt auch auf die Art und Weise an, manchmal muss man auch überreden. Einer der Jungs von damals war übrigens Ludovic Magnin, der später mit Bremen und Stuttgart Deutscher Meister geworden ist.

Wie sah denn vor Ihrem allerersten eigenverantwortlichen Training Ihre Herangehensweise an den Fußball aus?

Favre: Damals wie heute ist meine Philosophie, mit dem Ball zu spielen, um Chancen zu kreieren und ihn so lange und häufig wie möglich zu besitzen. Effektiver Ballbesitz ist sehr wichtig, man muss aber auch die anderen Seiten sehen. Man kann nicht immer nur spielen und spielen und spielen, sondern muss auch wissen, wie man verteidigt und kontert. Es braucht Zeit, mit einer Mannschaft all diese Facetten zu erarbeiten und sie ihr beizubringen. Wenn man es beherrscht, zu verteidigen, zu kontern, das Spiel zu machen und den Gegner durch Pässe und Dribblings zu destabilisieren, dann ist man eine sehr gute Mannschaft.

Das ließ sich auf dem damaligen Niveau aber wohl noch schwer umsetzen, oder?

Favre: Ich hatte in Echallens und später bei Yverdon-Sport keine Co-Trainer. Der Torwarttrainer in Yverdon kam zweimal pro Woche vorbei, aber sonst war ich allein. Ich musste das Aufwärmen leiten, die Trainingseinheiten vorbereiten, alles von A bis Z. Ich habe das geliebt, aber es war ein ganz anderer Ansatz. Die Spieler in Yverdon waren mehrheitlich Profis, aber nicht alle. Manchmal haben wir morgens mit zehn Spielern und am Nachmittag mit allen trainiert, aber es waren insgesamt nicht mehr als 15, 16 Spieler. Wir hatten auch drei Brasilianer, die wirklich gut waren. Mit den Brasilianern hat es mir bis heute immer viel Spaß gemacht: Sie sind beim Training stets positiv und verströmen gute Stimmung, unabhängig von den Übungen. Ich habe heute noch Kontakt zu ihnen, auch zu anderen Spielern von damals.

Welchen Einfluss hatten Hospitationen wie einst beim FC Barcelona unter Johan Cruyff auf Sie?

Favre: Ich habe viele Hospitationen gemacht. Ich bin nach Frankreich gegangen, weil man eine solche Auslandserfahrung brauchte, um die Trainerscheine zu machen. In dieser Zeit, da war ich schon Trainer in Echallens, ging ich auch zu Cruyff. Ich habe damit auch nie aufgehört, da man sich als Trainer wie als Spieler immer weiterentwickeln und verbessern muss und nie stillstehen darf. Wenn es möglich ist, sollte man jede Woche etwas dazulernen, um voranzukommen. Ich sehe es als eine Pflicht an, sich umzuschauen und zu beobachten, welche Trainingsmethoden und -übungen andere haben. Man sollte auch viel über seinen Beruf und dessen Entwicklungen lesen. Das halte ich nur für logisch und glaube auch, dass das die Mehrheit der Trainer genauso macht.