Paderborn-Coach Steffen Baumgart im Interview: "Ich habe Cantona wirklich sehr gemocht"

Steffen Baumgart hat den SC Paderborn in die Bundesliga geführt.
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Wenn wir einen kurzen Blick auf Ihre Spielerkarriere werfen, Sie haben zweimal im Europapokal gespielt.

Baumgart: Ja, einmal mit Wolfsburg gegen Debrecen. Und einmal sogar mit dem PSV Schwerin gegen Austria Wien.

Vor 835 Zuschauern im Ostseestadion.

Baumgart: Leider konnten wir nicht in Schwerin spielen, da wären 20.000 Zuschauer gekommen. Trotzdem haben wir uns als krasser Außenseiter ganz gut geschlagen. Nach dem 0:2 im Hinspiel haben wir in Wien ein 0:0 geholt.

Eventuell schaffen Sie jetzt als Trainer irgendwann in Ihrer Karriere die Rückkehr nach Europa.

Baumgart: Vielleicht. Aber so denke ich nicht. Ich habe auch nie an die Bundesliga gedacht. Natürlich ist es schön, wenn man die Möglichkeit bekommt, so hoch wie möglich trainieren zu können. Aber es ist nicht alles entscheidend. Vielleicht bin ich irgendwann wieder Trainer in der Oberliga. Für mich ist das Wichtigste am Trainerjob nicht die Liga. Das Wichtigste ist, dass ich den Jungs etwas vermitteln kann. Dass ich den Fußball vielleicht attraktiver und schöner machen kann, so wie ich ihn mir vorstelle. Was heißt es denn, als Trainer erfolgreich zu sein?

Steffen Baumgart: "Ich bin von ganz unten gekommen"

Meistens wird es natürlich am Tabellenplatz gemessen.

Baumgart: Richtig, aber wenn ich Trainer einer Mannschaft bin, die im Vorjahr 4 Punkte geholt hat, und wir verbessern uns dann auf 16 Punkte, ist das für mich auch Erfolg. Oder jetzt auf Paderborn bezogen: Es ist möglich, dass wir nicht die Klasse halten, aber dass es dennoch eine erfolgreiche Saison war. Indem wir Spieler weiterentwickelt haben und vielleicht einen Transferüberschuss generieren, den wir vorher nicht hatten. Ich versuche, meine Spieler besser zu machen. Das ist meine Hauptaufgabe. Die Ziele, die ich mir persönlich stelle und die Definition von Erfolg hat wenig mit dem zu tun, was von außen erzählt und geschrieben wird.

Haben Sie deshalb auch ein Faible für Spieler, die bei anderen Vereinen vielleicht etwas verkannt wurden?

Baumgart: Da müssen wir uns nur den Fall von Kai Pröger anschauen. Kai war ein ganz wichtiger Faktor für unseren Aufstieg. Dass es in meiner bisherigen Trainerlaufbahn eine ganze Reihe solcher Beispiele gibt, freut mich am meisten und ist für mich fast der größte Erfolg. Aber bitte nicht falsch verstehen. Ich würde auch gerne Titel gewinnen, so ist es nicht. Ich habe zwar bislang nur kleinere Titel gewinnen dürfen, aber sie hatten allesamt eine große Bedeutung für mich.

Träume gibt es also schon?

Baumgart: Ich habe mir meinen Traum mit dem Aufstieg gerade erfüllt. Ich bin von ganz unten gekommen. Beim Fußballlehrer-Lehrgang wurde ich beim ersten Mal abgelehnt und musste ein zweites Mal hingehen. Ich bin beim Berliner AK von heute auf morgen rausgeflogen, weil es angeblich nicht gereicht hat. Ich bin zu einer Zeit nach Paderborn gegangen, in der das nicht jeder gemacht hätte. Aber meine Frau hat dann gesagt: 'Mach' es, du kannst es.' Ich musste mir alles hart erarbeiten und bin jetzt ehrlich gesagt schon stolz auf das, was wir als Trainerteam erreicht haben. Das ist mir extrem wichtig. Ich habe das große Glück, Teil eines großartigen Teams zu sein. Viele Menschen haben ihren Anteil am Erfolg, vor allem auch jemand wie Markus Krösche, der jetzt leider nicht mehr bei uns ist.

Steffen Baumgart sieht sich selbst als gefährdet, in der neuen Saison Gelbe Karten zu bekommen.
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Steffen Baumgart sieht sich selbst als gefährdet, in der neuen Saison Gelbe Karten zu bekommen.

Steffen Baumgart: "Wir müssen schon aufpassen, welchen Umgang wir pflegen"

Ihr Standing in Paderborn ist extrem hoch, die SZ schrieb einmal davon, man könnte meinen, der Papst erscheint. Ist Ihnen das manchmal unangenehm?

Baumgart: Zum einen muss ich sagen, dass wir uns dieses Standing alle gemeinsam erarbeitet haben. Und zum anderen weiß ich, dass das Pendel in beide Richtungen schnell und gewaltig ausschlagen kann. Ich versuche, ganz bei mir zu bleiben. Für mich ist etwas anderes entscheidend. Ich bin wahnsinnig stolz auf die 800 Zuschauer, die bei meinem ersten Spiel gegen Sprockhövel da waren. Bei gefühlten acht Grad minus. Ich bin stolz auf die 150 Fans, die im Gästeblock gestanden haben, als ich Paderborn vor meiner Trainertätigkeit mal in Rostock gesehen habe. Auf diese Menschen baue ich. Sie sind mir viel lieber als die ganzen Schulterklopfer, die jetzt vielleicht kommen, weil wir Bundesliga spielen.

Die Fans lieben natürlich auch Ihre Emotionen. Wie sehr müssen Sie sich denn im Zaum halten, wenn es jetzt auch Karten für Trainer geben wird?

Baumgart: Ich muss zugeben, dass ich meine Meinung zu dem Thema inzwischen etwas geändert habe. Am Anfang dachte ich wie einige meiner Kollegen auch, dass es schwer wird für mich. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr sehe ich auch die Argumente der Schiedsrichter. Es wird ja kein Schiri zu mir an die Seitenlinie kommen und sagen: 'Herr Baumgart, seien Sie mal nicht so emotional.' Natürlich müssen Emotionen erlaubt sein. Aber wir müssen schon aufpassen, welchen Umgang wir pflegen und uns fragen, ob es da immer den nötigen Respekt gegenüber dem Schiedsrichter gibt. Zumal es ja mittlerweile Szenen gibt, bei denen die ganze Bank meint, aufspringen und rumschreien zu müssen. Da verstehe ich schon auch die Schiedsrichter. Ich glaube, dass es gut ist, wenn hier und da Zeichen gesetzt werden. Jeder, der mich kennt, weiß aber, dass ich in diesem Leben nicht mehr ruhiger werde. Wenn ich die Coaching-Zone um drei Zentimeter verlassen sollte und der Schiri mich dann dafür maßregeln will, werde ich ihn schon fragen müssen, ob er nichts Wichtigeres zu tun hat. Aber wie gesagt, ich habe auch Verständnis für die Einführung der Karten. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte.

Bei so viel Leidenschaft: Wird es jemals eine Zeit im Leben des Steffen Baumgart ohne Fußball geben?

Baumgart: Ich fürchte, ich werde auch mit 80 noch am Platz stehen und mir Spiele anschauen. (lacht) Fußball wird mich mein ganzes Leben lang begleiten, da bin ich mir sehr sicher.

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