RB Leipzig - Tyler Adams im Interview: "Bereue keine einzige verpasste Party"

Von Robin Haack
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Wie schaffen Sie es, auf dem Boden zu bleiben, wenn in den USA ein regelrechter Hype um Sie ausbricht? Schon jetzt kennt Sie dort jeder Fußballfan.

Adams: Ich glaube, es ist Teil meiner Persönlichkeit, auf dem Boden zu bleiben und nicht abzuheben. Ich blende den Hype weitgehend aus. Selbst wenn ich gut gespielt habe, bin ich niemand, der besonders stolz darauf ist und sich noch fünfmal die Highlights des Spiels anschaut - egal, ob ich ein Tor geschossen oder vorbereitet habe. Diese Dinge passieren einfach, wenn ich gut in Form bin und meiner Mannschaft bestmöglich helfe. Auch die sozialen Medien versuche ich in diesen Phasen auszublenden. Ich lese nach dem Spiel bei Twitter keine Lobeshymnen oder will eine Marke aufbauen - das bin nicht ich. Seit ich das erste Mal auf dem Platz stand verhalte ich mich gleich und vertraue den gleichen Werten. Egal, ob als Profi oder in der Jugend. Als harter Arbeiter ist es für mich am wichtigsten, ehrlich zu mir selbst zu sein - das sagen mir meine Großeltern bis heute vor jedem Spiel. Ich werde nie jemand sein, der in ausgefallenen Klamotten herumläuft und auffälligen Schmuck trägt. Ich bin einfach ein ganz normaler Junge, der gern Fußball spielt.

Als einer der ersten Spieler aus der Akademie der NY Red Bulls haben Sie es bis in die Nationalmannschaft geschafft und sind heute schon Vorbild für viele junge Amerikaner. Wie fühlt sich das an?

Adams: Es ist ein tolles Gefühl, plötzlich Vorbild von Nachwuchsspielern zu sein. Ich habe das große Glück, meinen Traum zu leben und arbeite jeden Tag hart, um mich zu verbessern. Viele junge Spieler wollen nun einen ähnlichen Weg einschlagen und es macht mich glücklich, der Gesellschaft in meiner Vorbildfunktion etwas zurückgeben zu können. Mein jüngerer Bruder Dylan hat ebenfalls in der Akademie gespielt und zu mir aufgeschaut. Deshalb wollte ich schon in der Jugend das bestmögliche Vorbild für ihn sein.

Wer war Ihr Vorbild, als Sie jünger waren?

Adams: Thierry Henry. Ich habe ihn schon bei Arsenal und dem FC Barcelona bewundert und mit seinem Wechsel nach New York stand für mich fest, dass ich eines Tages zusammen mit ihm auf dem Feld stehen möchte. Für ein gemeinsames Spiel hat es zwar nicht gereicht, aber als ich die ersten Male mit den Profis trainiert habe, war er noch Teil des Teams. Dort mit Henry zusammenzuspielen war eine großartige Erfahrung.

Wie lief Ihre erste Begegnung ab?

Adams: Plötzlich mit dem Mann in der Kabine zu sitzen, der jahrelang mein großes Vorbild war, komplett verrückt. Da er bis heute gut mit Bradley Wright-Philipps befreundet ist, ist er gelegentlich noch in New York. Nach einem Spiel in der vergangenen Saison kam er auf mich zu und sagte mir, dass ich sehr gut gespielt hätte. Es war unglaublich, und ich wusste erst gar nicht, wie ich reagieren soll. Zum Glück habe ich ihn nach einem gemeinsamen Foto gefragt.

Inwieweit haben Sie die Bundesliga während Ihrer Jugend verfolgt?

Adams: Meine Begeisterung für die Bundesliga begann mit dem Debüt von Christian Pulisic und dem Aufstieg Leipzigs. Als Teil der Red-Bull-Familie war der Aufstieg bei uns damals ein großes Thema und fortan habe ich fast jedes Spiel geschaut. Besonders zu großen Spielern wie Naby Keita oder Emil Forsberg habe ich immer aufgeschaut - vor allem, weil mir klar war, dass auch ich die Möglichkeit bekommen könnte, dort zu spielen, wenn ich mich gut entwickle.

Im Januar haben Sie diesen Schritt tatsächlich geschafft. Wie haben Sie Ihr Debüt gegen Fortuna Düsseldorf in Erinnerung?

Adams: Zuallererst erinnere ich mich an die drei Punkte für das Team. Ich wollte einfach rausgehen und überzeugen. Ich habe selbst nicht damit gerechnet, dass ich so kurz nach meinem Transfer mein Debüt feiern darf. Ein paar Tage vor dem Spiel gegen Düsseldorf sprach mich das Trainerteam auf meine Lieblingsposition an und deutete an, dass ich gegen die Fortuna zum Einsatz kommen könnte - und plötzlich stand ich in der Startelf.

Sie spielen in Leipzig mit einigen großen Namen zusammen. Wer beeindruckt Sie am meisten?

Adams: Wir haben eine unglaublich junge und talentierte Mannschaft und jeder von uns verdient es, auf dieser Bühne zu spielen. Doch Emil Forsberg ragt in unserer Mannschaft heraus. Teamkollegen wie Emil zu haben, ist großartig, denn ich kann jeden Tag noch etwas von ihm lernen - sowohl sportlich als auch menschlich.

Von wem haben Sie seit Ihrer Ankunft in Leipzig am meisten gelernt?

Adams: Yussuf Poulsen hat mir gerade in den ersten Wochen enorm geholfen, mich in Deutschland zurechtzufinden. Er hat wirklich jede Kleinigkeit für mich übersetzt und war auch in meiner Freizeit für mich da. Er hat mir zum Beispiel gezeigt, dass in Leipzig vereinzelnd Kinofilme auf Englisch gezeigt werden und mich eingeladen.

In Deutschland ist RB Leipzig noch immer umstritten und wird von einigen Leuten als "Kommerz-Klub" bezeichnet. Wie denken die Fans in den USA über die Red-Bull-Vereine?

Adams: Vor einigen Jahren gehörte New York zu den unbeliebtesten Vereinen der MLS. Da Spieler wie Tim Cahill oder Thierry Henry verpflichten wurden, dachten viele Leute, Red Bull gibt einfach nur viel Geld aus, ohne einen Titel zu gewinnen. Ähnlich wie in Leipzig liegt nun auch in New York der Fokus auf der Entwicklung junger Spieler. Inzwischen zählt New York deshalb zu den jüngsten Mannschaften der MLS, mit den meisten Spielern aus der eigenen Jugend. Von außen heißt es oft, dass Red Bull das meiste Geld und deshalb auch Vorteile hat. Unter dem Strich wird das Geld aber sehr gut investiert und hilft jungen Spielern dabei, sich weiterzuentwickeln. Sowohl in Leipzig als auch in New York stehen jede Woche zahlreiche Spieler auf dem Platz, die höchstens 21 Jahre alt sind - das findet man weder in der Bundesliga noch in der MLS bei anderen Vereinen.