Sportdirektor Marcel Schäfer vom VfL Wolfsburg im Interview: "Niemand muss zehn Jahre hier bleiben"

Marcel Schäfer (l.) sucht nach einem Nachfolger für Trainer Bruno Labbadia.
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Spielern wie Bendtner oder Schürrle wurde fehlende Identifikation mit dem Verein nachgesagt. Setzt der VfL auch deshalb vermehrt auf jüngere Spieler aus dem eigenen Nachwuchs statt viel Geld in vermeintliche Söldner zu investieren?

Schäfer: Wenn wir nicht darum bemüht wären, Eigengewächse an das Profiteam heranzuführen, könnten wir unsere Akademie schließen. Wir wollen immer wieder jungen Spielern aus unserer Akademie die Gelegenheit geben, sich im Profiteam zu beweisen. Ich möchte trotzdem nicht ausschließen, dass wir irgendwann wieder Geld in die Hand nehmen und einen Topspieler verpflichten. Wer hohe Ziele hat, muss früher oder später so agieren. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass wir immer dann am erfolgreichsten waren, wenn wir Spieler geholt haben, die hungrig darauf waren, den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu machen und gleichzeitig uns als Verein helfen, besser zu werden. Kevin de Bruyne ist ein Paradebeispiel. Der war zwar schon ein Toptalent, als er zu uns kam, aber auch sehr hungrig, weil er beim FC Chelsea nicht die Möglichkeit auf Einsätze hatte.

Wie schwierig ist es, Topspieler von dem Verein und von der Stadt zu überzeugen?

Schäfer: Wir versuchen jedem Spieler, den wir verpflichten wollen, die Stadt und die besondere Konstellation mit Volkswagen näher zu bringen. Der VfL ist in gewisser Weise Volkswagen. Das ist eine für die Bundesliga einzigartige Konstellation. Jeder Spieler, der hierher kommt, soll genau wissen, worauf er sich einlässt. Ein Spieler muss nicht zehn Jahre hier bleiben, aber er muss in der Zeit, in der er hier ist, mit voller Überzeugung zu Werke gehen und versuchen, das Maximum abzurufen. Wir wollen Spieler, die sich mit dem VfL und unserem eingeschlagenen Weg identifizieren.

Gibt man das Wort Wolfsburg bei Google ein, erscheint zuallererst der Satz "Wolfsburg ist hässlich".

Schäfer: Ich kann nach den knapp zwölf Jahren, in denen ich jetzt Wolfsburg kenne, mit Recht behaupten, dass die ganzen Vorurteile über die Stadt nicht fair sind. Jede Stadt hat ihre Vorzüge und wiederum auch Seiten, die nicht schön sind. Wolfsburg ist eine sehr lebenswerte Stadt. Gemeinsam mit meiner Familie fühle ich mich hier sehr wohl. Wir haben ein Haus gekauft und ein gutes Gefühl dabei, unsere Kinder hier aufwachsen zu sehen. Auch weil alle drei Kinder hier geboren sind, ist Wolfsburg für uns eine Heimat geworden. Und seien wir ehrlich: Für einen Fußballer zählt nicht in erster Linie, in welche Stadt er kommt, sondern welche Arbeitsbedingungen er dort vorfindet, um seine bestmögliche Leistung zu bringen. Und die Bedingungen hier beim VfL suchen in der Bundesliga ihresgleichen. Man kann hier in Ruhe arbeiten bei einem Verein, der seine sportliche Qualität schon mehrmals national und international unter Beweis gestellt hat.

Zuletzt aber eher weniger. Wo soll die Reise des VfL in den nächsten Jahren hingehen?

Schäfer: Vielleicht kommen wir da ja wieder hin, wo wir vor ein paar Jahren waren. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich rufe jetzt nicht die Meisterschaft als Ziel aus. Aber ich halte es beispielsweise nicht für unmöglich, irgendwann wieder den DFB-Pokal zu gewinnen. Unser Ziel für die nächsten Jahre lautet, im europäischen Geschäft vertreten zu sein. Daran arbeiten wir. Schritt für Schritt. In Ruhe.

Ab der neuen Saison mit einem neuen Trainer. Bruno Labbadia verlässt den Verein - auf eigenen Wunsch. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Schäfer: Zunächst einmal muss ich sagen, dass die Mannschaft fit ist und eine positive Entwicklung genommen hat. Daran haben Bruno und sein Trainerteam einen großen Anteil. Dass sich Neuzugänge wie Wout Weghorst, Jerome Roussillon oder Daniel Ginczek hier so gut eingefügt haben, ist ebenfalls Bruno zu verdanken. Eigentlich stand ein gemeinsames Gespräch aus, aber er hat dann für sich die Entscheidung getroffen, ab dem Sommer etwas anderes zu machen.

Als Nachfolger für Labbadia wird Marco Rose von RB Salzburg gehandelt. Würde Rose denn zum VfL passen?

Schäfer: Wir kommentieren grundsätzlich keine Namen. Wichtig ist: Wir müssen einen Trainer finden, der nicht nur die Entwicklung fortführt, sondern die Werte des Vereins in sich hat und sich mit dem VfL identifizieren kann. Ich bin überzeugt, dass wir einen solchen Trainer finden - ohne eine Zeitschiene zu nennen. Die Suche läuft, wir setzen uns dabei aber nicht unter Druck und wollen auch nicht, dass das Thema die Mannschaft negativ beeinflusst. Wir wollen uns am Ende der Saison nicht nachsagen lassen, nicht alles gegeben zu haben.