Andre Schubert im Interview: "Stöger ist ein gutes Vorbild für jeden Trainer"

Andre Schubert lobt die Arbeit von Peter Stöger
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SPOX: Als Sie im Dezember 2016 mit Gladbach gegen Pep Guardiolas FC Bayern gewannen, galten Sie als Trainer der Stunde. Wie haben Sie das für sich eingeordnet?

Schubert: Ich habe das beobachtet, bewerte solche Tendenzen aber nicht über. Solche Personalien sind für Medien interessant und werden enorm überhöht. Aber es hat ja Bayern gegen Gladbach und nicht Guardiola gegen Schubert gespielt - da wäre ich wohl auch chancenlos gewesen. (lacht) Es ist nun mal Teil der Berichterstattung, dass Dinge immer extrem gut oder extrem schlecht dargestellt werden. Grauzonen sind nicht spannend.

SPOX: Sie hatten das eine oder andere Mal Probleme mit Journalisten. Weil es meist um diese Extreme ging?

Schubert: Nicht direkt. Am Anfang wurden mir Fragen gestellt und ich wollte immer Details erklären. Ich musste mit der Zeit lernen, dass nicht immer eine sachliche Erklärung gefragt ist. Manchmal kommt es besser an, einen lockeren Spruch zu bringen. Es gibt aber auch überkritische Fragen. Die müssen kommen, das verstehe ich. Dennoch ist es mir passiert, dass ich in angespannten Situationen nicht souverän damit umgegangen bin, weil ich mich persönlich angegriffen gefühlt habe. Je häufiger du in solchen Situationen bist, desto klarer wird dir, dass die andere Seite auch nur ihren Job macht.

SPOX: Haben Sie anschließend mit Journalisten darüber gesprochen?

Schubert: Gespräche gab und gibt es da immer wieder. Es kam vor, dass man mir hinterher gesagt hat: Sorry, ich muss das fragen, das ging nicht gegen Sie persönlich. Das ist für mich in Ordnung. In der Fußball-Berichterstattung geht es nun mal immer um Emotion.

SPOX: Der Fußball ist schließlich ein Massenphänomen.

Schubert: Eben. Natürlich würde ich als Trainer gerne analytischer an den Fußball herangehen, aber er lebt davon, wie er verkauft wird und da spielen Emotionen die wichtigste Rolle. Dementsprechend werden Fragen gestellt. Es hat etwas gedauert, bis ich das verstanden habe.

SPOX: Ist es schwieriger, mit der Polemik in sozialen Medien klarzukommen?

Schubert: Damit beschäftige ich mich gar nicht.

SPOX: Noch nie?

Schubert: Früher schon. Ich hatte eine private Facebook-Seite, auf der immer nette Anfragen kamen. Zu St.-Pauli-Zeiten hat das jedoch ein zu großes Ausmaß angenommen, ich konnte das nicht mehr seriös bewältigen. Deshalb habe ich das beendet. Mittlerweile habe ich eine geteilte Meinung über soziale Netzwerke.

SPOX: Inwiefern?

Schubert: Einerseits sind sie schön, um persönliche Kontakte aufrecht zu erhalten und Freunde an seinem Leben teilhaben zu lassen. Andererseits ist es auch der Ort, an dem Menschen aus der Anonymität heraus Beleidigungen, Intrigen und Lügen verbreiten können. Wieso soll ich mich damit beschäftigen, dass alphamännchen3005 sagt, ich sei ein Vollidiot? Ich glaube, wir können in unserer Demokratie alle stark genug sein, es darauf beruhen zu lassen.

SPOX: Bei Ihrer Trennung von der Borussia hieß es, man habe in einvernehmlichen Gesprächen beschlossen, dass der Mannschaft ein neuer Impuls helfen könne. Glauben Sie an diesen Effekt?

Schubert: Es ist immer schwierig, einen Trainerwechsel von außen zu beurteilen. Verallgemeinerungen sind da fehl am Platz. Aus meiner Sicht kannst du zwei Dinge durch einen Trainerwechsel erzielen.

SPOX: Und zwar?

Schubert: Zum einen fördert er die Fokussierung und Aufmerksamkeit des ganzen Vereins und Umfelds. Andererseits kannst du Spielern etwas Zeit verschaffen und Druck herausnehmen. Bei einem neuen Trainer ist die Erwartungshaltung eine ganz andere, denn er braucht ja erst einmal vier, fünf Wochen, bis man sieht, worauf er hinaus will. Ob das nun dazu führt, dass die Mannschaft besser spielt, steht auf einem anderen Blatt.

SPOX: Zwingend unmittelbar kann dieser Effekt also nie sein?

Schubert: Nehmen wir das Beispiel BVB. Nach dem Wechsel von Peter Bosz zu Peter Stöger haben sie zum Ende der Hinrunde die Spiele gegen Mainz und Hoffenheim gewonnen. Besonders gegen Hoffenheim war durchaus etwas Glück dabei. Hätten sie verloren, wäre die Bewertung im Winter vielleicht eine ganz andere gewesen. Ich bin neulich auf der Straße gefragt worden, wie es denn sein könne, dass Stöger in Köln nichts gerissen hätte und in Dortmund plötzlich gewinnt (lacht).

SPOX: Ihre Antwort?

Schubert: Abgesehen davon, dass man die Spiele individuell bewerten muss, ist allein die Wahrscheinlichkeit, mit Dortmund ein Spiel zu gewinnen, ungleich höher als mit Köln. Dieser Vergleich greift also viel etwas kurz. Daran sieht man aber, wie einfach so ein Thema manchmal wahrgenommen wird, obwohl es viel komplexer ist.

SPOX: Stögers Start beim BVB wäre doch aber ein gutes Beispiel dafür, wie ein Trainer an bestimmten Stellschrauben drehen kann, um einen kurzfristigen Effekt zu erzielen?

Schubert: Das muss jedes Mal der Anspruch sein, wenn man eine neue Aufgabe beginnt. Ich hatte in Paderborn eine Situation, in der wir auch wenig Zeit hatten. Die Mannschaft hatte offensiv eine hohe individuelle Qualität, tat sich jedoch in der defensiven Organisation schwer. Wir sind in ein Kurztrainingslager gefahren und haben den Fokus ausschließlich auf die Defensive gelegt. Letztlich hat es tatsächlich noch für den Aufstieg gereicht. Es gibt aber keine Schablone, sondern ich orientiere mich am vorhandenen Potenzial. Bei Gladbach war der Ansatz wieder ein anderer.

SPOX: Und zwar?

Schubert: Ich hatte das Gefühl, dass die Mannschaft mit ihrer großen spielerischen Qualität aktiver sein will, dass sie nicht nur reagieren, sondern auch agieren möchte. Außerdem war das Gefüge völlig intakt. Es war zuvor ja keineswegs so, dass die Spieler gegen Lucien Favre gespielt hätten. Alle waren selbst schockiert über den Rücktritt und fühlten sich in der Verantwortung.

SPOX: Hatten Sie das Gefühl, dass die riesigen Fußstapfen von Favre ein Hemmnis waren?

Schubert: Die hat er sich verdient. Aber Vergleiche von Trainern halte ich auch nicht für sonderlich sinnvoll, das habe ich auch nie so gespürt. Natürlich ist dein Stellenwert ein anderer, wenn du aus der U23 kommst, als wenn du schon drei, vier Jahre im Verein bist oder wie Dieter Hecking 350 Bundesligaspiele als Trainer auf dem Buckel hast. Das habe ich in der Phase, als es nicht mehr so gut lief, schon bemerkt. Bei Max Eberl war das allerdings nie ein Thema. Auf ihn lasse ich nichts kommen, die Zusammenarbeit war fantastisch.

SPOX: Ist die Beförderung vom U23-Trainer erst zum Interims- und dann zum Cheftrainer nicht ohnehin eine schwierige Ausgangssituation?

Schubert: Nicht zwangsläufig. Es geht gerade bei der Zusammenarbeit mit dem Team einzig um die fachliche Qualifikation und wie man das Ganze empathisch steuert. Alles hat schon einmal funktioniert und alles ist auch schon mal gescheitert: junge Trainer, ältere Trainer, erfahrene, unerfahrene, der harte Hund, der super Kumpel. Wenn der Verein seinem U-Trainer vertraut, spielt alles andere keine Rolle.

SPOX: Stöger bekam in Dortmund einen Vertrag bis Saisonende - mit offenem Ausgang. Ist es ein Problem, wenn das Thema Weiterbeschäftigung ständig im Raum steht?

Schubert: Ich glaube nicht, dass das im Moment ein Thema ist. Für ihn ist es sogar super, denn er hat null Druck. Aktuell ist die Situation total in Ordnung. Der Verein hat mit offenen Karten gespielt und Stöger um Hilfe gebeten. Und wenn ein Verein wie der BVB anfragt, macht er das natürlich.

SPOX: Auch wenn man sich erst eine Woche zuvor von einem Verein getrennt hat, mit dem man emotional sehr verbunden war?

Schubert: Ich habe gar nicht verstanden, warum Stöger von einigen etwas Negatives unterstellt wurde. Er ist doch freigestellt worden und nicht freiwillig gegangen und hat auch nichts provoziert. Dann war sein Plan wahrscheinlich, eine Pause zu machen. Wenn aber eine Woche später der BVB anruft, ist die Situation doch klar. Ich kann die Entscheidung zu 100 Prozent nachvollziehen. Ich habe größten Respekt vor ihm und davor, wie er die Aufgabe in Köln bis zuletzt angegangen ist. Stöger ist ein gutes Vorbild für jeden Trainer, mit welcher Ruhe, Sachlichkeit und Freundlichkeit er auch bei kritischen, aggressiven Fragen reagiert. Er machte für mich in Köln nie den Eindruck, als ob er nervlich am Ende wäre.