Stand up and f*** you!

Von Haruka Gruber
Diego, Werder, Bremen
© Getty

München - Mögliche Erklärungen gibt es zuhauf. Dem einen riss der Geduldsfaden ob der ständigen Gängelei. Ein Pärchen war verbunden nur durch das Band der regional vererbten Feindseligkeit.

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Ein Bub aus dem verruchten Frankfurter Viertel Bonames verhielt sich, wie man sich einen Bub aus dem verruchten Frankfurter Viertel Bonames nun mal vorstellt. Und für Anarchie in Ostwestfalen könnte man eine ganze Latte an Ursachen heranziehen: Erfolglosigkeit, Erfolglosigkeit, Arminia.

Aber was nützt jede plausible Begründung in Angesicht der rohen Gewalt und Fäkalsprache, die der 21. Spieltag der Fußball-Welt hinterließ? Als ob die Bundesliga darauf abzielen würde, den Aufkleber "Parental Advisory Explicit Content" verpasst zu bekommen, lieferten vier Partien den Stoff, aus dem garantiert keine Gute-Nacht-Geschichten sind.

Fünf skandalträchtige Anekdoten des Bundesliga-Samstags - unanständig, anstößig, bisweilen aber auch kurzweilig.

1. Die Crosscheck-statt-Kopfnuss-Geschichte

Dass Frankfurts Sotirios Kyrgiakos sich nur zaghaft an die deutsche Sprache wagt, ist hinlänglich bekannt. Daher dachte sich der Grieche wohl: Der Diego kann auch kaum Deutsch, da provoziere ich einfach in Englisch.

Gesagt, getan. Etliche Rempeleien und ein entscheidendes "Stand up and fuck you" später war Bremens Spielmacher derart aufgewühlt, dass er sich in der 40. Minute zu einer Tätlichkeit inklusive Platzverweis hinreißen ließ. Zumindest zeigte der Brasilianer kreatives Vermögen und modifizierte Zinedine Zidanes Mutter aller Ausraster. Statt einer Kopfnuss gab es den Crosscheck mit der linken Schulter.

Diego, dem nun eine Strafe von vermutlich mindestens drei Spielen droht, nach der 0:1-Niederlage: "Ich habe in dem Moment die Nerven verloren und entschuldige mich bei der Mannschaft und dem Trainer. Es darf nicht vorkommen, aber so was passiert im Fußball."

Absurd hingegen die Kommentare der Verantwortlichen. Werders Manager Klaus Allofs sprach im Premiere-Interview davon, dass aufgrund der ständigen Sticheleien durch Kyrgiakos auch "locker Gelb" gereicht hätte, Eintrachts Coach Friedhelm Funkel beharrte derweil darauf, dass "Diego überhaupt nicht provoziert worden" sei. Gut zu wissen...

2. Die Beef-Geschichte

Als ob Mario Gomez und Maik Franz es x-beliebigen Hip-Hop-Stars nachmachen wollten, legten die beiden nach dem 3:1 des VfB Stuttgart gegen den Karlsruher SC einen Beef (aus dem Neudeutschen übersetzt: Streit) hin, wofür eigentlich der "Beep"-Ton erfunden wurde.

Schwabe Gomez über den (zugezogenen) Badener Franz: "Normalerweise respektiere ich im Fußball jeden Gegenspieler. Aber dieses Arschloch... Er ist einfach ein unfairer Sportsmann."

Der Badener wiederum über den Schwaben: "Er ist ein guter Fußballer, aber alles andere ist vielleicht noch verbesserungswürdig. Ich will mich nicht auf das Niveau herablassen." Zu seinem Glück, denn mittlerweile teilte der DFB mit, dass sich Gomez wegen seiner Äußerungen vor dem Kontrollausschuss des Verbandes verantworten muss. Nach einer Aussage des Stuttgarters würde entschieden werden, ob ein Verfahren eingeleitet wird.

Zumindest DFB-Teammanager Oliver Bierhoff nimmt Gomez in Schutz: "Die Wortwahl war verkehrt, aber man muss sehen, dass man direkt nach dem Spiel, sicherlich ein bisschen erbost, erregt ist und teilweise nicht die richtigen Worte findet."

3. Die Asozialen-Geschichte

Weniger amüsant, vielmehr bedenklich waren die Ereignisse im Gästeblock der Karlsruher Mitte der zweiten Halbzeit. Etliche schwarz gekleidete Asoziale benahmen sich wie Asoziale und feuerten Leuchtraketen Richtung Spielfeld.

Polizisten und Ordner brachten die Lage nur mit viel Mühe wieder unter Kontrolle. KSC-Trainer Ede Becker: "Ich entschuldige mich für meinen Verein."

4. Die Bub-aus-Bonames-Geschichte

Jermaine Jones' Arbeitsprotokoll beim 0:1 seines FC Schalke 04 bei Bayer Leverkusen liest sich recht eintönig.

Foul gegen Tranquillo Barnetta: Gelb. Stefan Kießling im Zweikampf die Hand ins Gesicht geschlagen: kein Gelb. Dem am Boden liegenden Arturo Vidal (aus Versehen?) auf den Rücken getreten: kein Gelb. Stefan Kießling im Kopfballduell den Ellenbogen ins Gesicht geschlagen: kein Gelb. Stefan Kießling in der Nachspielzeit im Kopfballduell den Ellenbogen ins Gesicht geschlagen: Gelb-Rot.

S04-Trainer Mirko Slomka bei Premiere: "Was soll er denn machen? Er ist ein aggressiver Spieler, ein richtiger Kämpfer. Die Gelb-Rote-Karte kann man, muss man aber nicht geben." Tipp: Jones' Arbeitsprotokoll lesen!

5. Die Arminiaikistan-Geschichte

Aus beißender Ironie wurde offene Ablehnung, aus offener Ablehnung wurde Anarchie. Was sich wie die Chronologie eines Regierungssturzes in einem entlegenen Staat mit -ikistan am Ende liest, ereignete sich im beschaulichen Bielefeld.

In der Endphase des deprimierenden 0:2 gegen den MSV Duisburg sangen die Fans der Arminia in Anbetracht der Kellertristesse zunächst "Oh, wie ist das schön", bevor sie Trainer Michael Frontzeck mit einem saftigen Pfeifkonzert in die Katakomben verabschiedeten.

Richtig turbulent wurde es, als einige Dutzend Fans zur Krönung des vermaledeiten Nachmittags auch noch versuchten, sich den Weg zu den Umkleidekabinen zu ebnen, um die Spieler und die sportliche Leitung zur Rede zu stellen. Ergebnis: Die Ordner sperrten die Zugangsschleuse, so dass die Meute eingepfercht vor sich hin grantelte. Und das garantiert "Parental Advisory Explicit Content"-würdig.

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