"Juran musste zwei Liter Wodka saufen"

Peter Közle (M.) spielte mit dem VfL Bochum im UEFA Cup
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Während die Nachbarn Borussia Dortmund und Schalke 04 die Champions League und den UEFA Cup gewannen, spielte der VfL Bochum mit Peter Közle die bis dahin beste Saison der Vereinsgeschichte und zog in den Europapokal ein. Im Interview spricht der 49-Jährige über besondere Emotionen im Ruhrgebiet und Reaktionen auf die Erfolge der Nachbarn. Zudem erzählt er Anekdoten über die Verrücktheit der Bochumer Erfolgsmannschaft und sein Verhältnis zum kultigen Regenbogen-Trikot.

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SPOX: Herr Közle, Sie sind in Bayern aufgewachsen, bezeichnen aber das Ruhrgebiet als Ihre Heimat. Was macht die Gegend für Sie so besonders?

Peter Közle: Es war vom ersten Moment in Duisburg so, dass ich mich wohl gefühlt habe. Dabei habe ich in Beeck neben einem Stahlwerk gewohnt, einer Ecke, in die eigentlich niemand möchte. Alle haben mir den Vogel gezeigt und gefragt: "Was willst Du hier? Du kommst aus Oberbayern, hast sechs Jahre in der Schweiz gelebt und fühlst dich jetzt hier zu Hause? Das kann doch nicht dein Ernst sein." Aber es war so. Vor allem haben mir die Leute gefallen.

SPOX: Was speziell?

Közle: Diese offene, herzliche, aber ehrliche und harte Art. Die Leute sagen dir auch ins Gesicht, wenn sie dich Scheiße finden. Damit komme ich sehr gut klar. Mein bester Kumpel war damals Joachim Hopp. Er war auch so ein direkter Typ. Er ist nach der ersten Ansprache von Ewald Lienen an die Duisburger Mannschaft zu mir gekommen, hat mich angeschaut und gesagt: "Közle, ich geb' dir fünf Mark und dann gehst du zum Haareschneiden." Viele können das nicht ab, aber ich mag solche Leute. Das ist etwas, was das Ruhrgebiet auszeichnet.

SPOX: Vor 20 Jahren war das Ruhrgebiet Europas Fußball-Hauptstadt, als Borussia Dortmund die Champions League und der FC Schalke 04 den UEFA Cup gewann. In diesem Jahr sind Sie mit dem VfL Bochum in den Europapokal eingezogen. Hatten Sie das Gefühl, dass die eigene Leistung wegen des Ruhrpott-Doubles untergeht?

Közle: Überhaupt nicht. Wenn du beim VfL spielst, ist dir das sowieso bewusst. In Dortmund gehen 80.000 ins Stadion, auf Schalke 60.000 und in Bochum eben nur 30.000. Da merkst du ziemlich schnell, wie die Machtverhältnisse sind. Ich habe versucht, nie zu sehr darauf zu schauen, was Dortmund und Schalke machen. Aber natürlich hatte ich großen Respekt vor der Leistung und keinen Futterneid. Die einen holen die Champions League, die anderen den UEFA Cup - wir sind ja "nur" Fünfter geworden.

SPOX: Für den VfL war es aber der größte Erfolg der Vereinsgeschichte...

Közle: Es war ja auch Wahnsinn, was bei uns abgegangen ist. Für uns war das gleichzusetzen mit den Emotionen in Dortmund und Schalke. Wir haben nie das Gefühl gehabt, dass unsere Leistung in Deutschland oder im Ruhrgebiet zu wenig gewürdigt wird. Für uns war vor allem wichtig, was in der Stadt los ist. Ich bin immer gerne unter die Leute gegangen und diese Zufriedenheit, diese Begeisterung war grandios.

SPOX: Wie haben Sie die Erfolge der Nachbarn als Spieler erlebt? Haben Sie mitgefiebert?

Közle: Wenn eine deutsche Mannschaft im Finale steht, fiebere ich immer mit, ganz klar. Ich habe damals gegen Juventus mit dem BVB gejubelt - und wie. Da kommt der Gedanke: "Wahnsinn, gegen die haben wir vor ein paar Wochen erst gespielt und jetzt sind sie Champions-League-Sieger."

SPOX: Die Spieler auf dem Platz sind nationale Konkurrenten und in dem Fall sogar Lokalrivalen. Kann man diesen Aspekt völlig ausschalten?

Közle: Absolut, das ist überhaupt kein Thema. Zumindest für mich. Hier habe ich das teilweise aber schon anders erlebt.

SPOX: Wie?

Közle: Ich kenne viele Dortmunder, die bei einem Schalker Endspiel immer zum Gegner halten würden. Ich habe so etwas nicht. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass ich nicht hier aufgewachsen und nicht von vornherein so geprägt bin. Ich schaue mir Schalke an und weiß, in zwei Monaten spielen sie in Bochum und dann müssen sie erst mal zeigen, was sie draufhaben. In der Saison danach haben wir sie beide in Bochum geschlagen. Das muss man sich mal vorstellen: Der VfL gewinnt gegen den Champions-League- und den UEFA-Cup-Sieger. Das finde ich einfach geil!

SPOX: Parallel zum Ruhrpott-Double hat der VfL wie gesagt die bis dahin beste Saison der Vereinsgeschichte gespielt. Was war das Besondere an der Mannschaft?

Közle: Klaus Toppmöller hat das Team mit dem richtigen Auge dafür zusammengestellt, wer ins Gefüge passt. Wir haben uns schon in der 2. Liga gefunden. Jeder hat für jeden gekämpft. In der Kabine oder im Bus war immer eine Mordsgaudi. Wir sind gemeinsam essen gegangen, haben Ausflüge gemacht. Da war ein brutaler Zusammenhalt, den du am Ende auf dem Platz gesehen hast. Wenn der Erfolg stimmt, kannst du dir viel mehr erlauben. Wir haben so viel Scheiße gebaut...

SPOX: Zum Beispiel?

Közle: Wenn einer vor dem Vormittagstraining schon komplett angezogen war und noch einmal aufs Klo gegangen ist, haben wir einen Eimer Wasser geholt, ihm über den Kopf geschüttet und er musste sich noch einmal umziehen. Für das Zu-spät-Kommen gab es dann natürlich Ärger. (lacht) Im Trainingslager gab es auch den einen oder anderen verrückten Streich...

SPOX: Und zwar?

Közle: Dariusz Wosz hat uns einmal einen Fisch ins Zimmer gelegt. Ich saß abends um 9 mit dem Stickroth im Zimmer. Plötzlich hat es höllisch gestunken. Wir haben gesucht und gesucht und irgendwann diesen scheiß Fisch gefunden.

SPOX: Wo war er versteckt?

Közle: Unter der Matratze. Das war widerlich. Aber sowas ruft natürlich nach Rache. Also sind wir zu ihm gegangen und haben einen Feuerlöscher bei ihm im Zimmer ausgeleert. Solchen Blödsinn haben wir permanent gemacht.

SPOX: Klingt, als habe die Chemie in der Mannschaft gestimmt.

Közle: Das war unsere große Stärke.

SPOX: Wie sah Ihre Verbindung zu den Fans aus? Besonders für Sie war das nach der Phase in Duisburg, in der Sie sogar Morddrohungen erhalten hatten, ein schwieriges Thema. Sind Sie deshalb in Bochum anders an die Fans herangetreten?

Közle: Absolut. Die Sachen, die ich in Duisburg gemacht habe, wollte ich nicht mehr machen. Also habe ich mich anders verhalten.

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SPOX: Was meinen Sie?

Közle: Wenn du verloren hast, bleibst du gefälligst mit deinem Arsch zu Hause und gibst den Leuten nicht das Gefühl, dass es dir scheißegal ist. Wenn du 0:3 gegen Bayern verlierst, schlecht spielst und danach in die Stadt gehst und ein Bier trinken willst, musst du dich nicht wundern, wenn sie dir auf die Fresse hauen. Das habe ich vermieden. Ich war auch im Umgang mit den Medien zurückhaltender.

SPOX: Inwiefern?

Közle: Ich habe nicht zu jedem Thema etwas gesagt und auch mal die Schnauze gehalten. Ich hatte das ja nie gemacht, weil ich mich besonders toll oder wichtig fand. Ich war einfach immer geradeaus. Wenn mir irgendwas nicht gepasst hat, habe ich es gesagt.

SPOX: Hatte dieses defensivere Verhalten eine größere Anerkennung zur Folge?

Közle: Ich war zwar kein Publikumsliebling wie lange Zeit in Duisburg, aber die Fans haben mich akzeptiert und es gab keine Reibungspunkte.

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