The Legend of Michael S.

Von Jan-Hendrik Böhmer
Auch heute noch holen sich Ferrari-Fans ein Autogramm bei Michael Schumacher
© Getty
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Die rote Gurke: "Schumi, was willst Du mit der roten Gurke?", titelte die "Bild", als Schumacher 1996 zu Ferrari wechselte. Lachnummer Schumi war ein anderes geflügeltes Wort. Der Weltmeister, der an Pfennigartikeln verzweifelt. Denn das Debüt bei der Scuderia ist ein Desaster. Beim Saisonstart in Australien versagen die Bremsen, in Argentinien bricht der Heckflügel, in Imola explodiert eine Bremsscheibe und in Frankreich und England übersteht Schumacher nicht einmal die Einführungsrunde. Dennoch holt er gleich in seinem ersten Ferrari-Jahr drei Siege und WM-Platz drei. Das beste Ergebnis der Scuderia seit 1990. Und noch viel wichtiger: Er gibt nicht auf. Er kämpft sich aus der Krise und macht weiter. Am Ende ist man sich sicher: Es steht Großes bevor.

Der Beinbruch der Nation: Endlich. Schumacher und Ferrari sind 1999 reif für den Titel, die im Jahr zuvor überlegenen McLaren scheinen in Reichweite. Bis zum Rennen in Silverstone. Schumacher rast mit versagenden Bremsen in die Reifenstapel und bricht sich den Unterschenkel. Das Ergebnis: Sechs Rennen Pause. Als er drei Wochen später in Hockenheim erstmals nach dem schweren Unfall in aller Öffentlichkeit auf die Videoleinwände zuschalten lässt, ist das so, als würde der Papst Audienz halten. Mitreißend. So mitreißend, dass eine Nation von Schumi-Fans anschließend mehr oder weniger insgeheim auf ein Versagen von Eddie Irvine hofft. Auf keinen Fall darf Schumachers Teamkollege den ersten Ferrari-Fahrer-Titel seit 20 Jahren einfahren.

Die Prägung einer Ära: Fünf WM-Titel in Folge. Alleine die nackten Zahlen wären genug Stoff für eine Legende. Doch es geht um mehr. Es geht darum, wie Schumacher aus dem Gurken-Team Ferrari (das nicht einmal die richtige Anzahl Reifen beim Boxenstopp bereit stellt), eine scheinbar unbesiegbare Formel-1-Macht formt. Wie er ein Team, das in den Jahren zuvor technisch und organisatorisch den Anschluss verpasst hatte, komplett umkrempelt, auch in mageren Jahren nicht hinschmeißt und aus der Scuderia einen Vorreiter in nahezu allen Belangen des Sports macht. Wie er genau die Leute um sich schart, die er für den Erfolg braucht; wie konsequent - einige sagen skrupellos - er seine Ziele verfolg. Die Stallorder beim Großen Preis von Österreich, Schumis Revanche wenig später in den USA (als er Barrichello beim Foto-Finish-Versuch passieren ließ) oder die Farce beim Reifen-Desaster-Rennen von Indianapolis 2005: Schumacher verspielt in dieser Zeit viele Sympathien, doch er hat Erfolg. Weil er alles seinem großen Ziel unterordnet. Und egal, ob man Schumacher nun liebt oder hasst, seine Verdienste kann man nicht abstreiten. Sich trotz teilweise harter Kritik und Anfeindungen komplett seiner Sache zu verschreiben, auch das macht eine Legende aus.

Das Comeback: "Ich fühle mich gerade wie ein Zwölfjähriger, der durch die Gegend hüpft wie ein kleiner Junge", sagt Michael Schumacher, als er am 23. Dezember 2009 seinen Dreijahresvertrag bei Mercedes unterschreibt. Durch die Gegend hüpfen. Das trifft an diesem Vormittag (es war 11.30 Uhr, als Mercedes die Verpflichtung des siebenfachen Weltmeisters offiziell bestätigte) vermutlich auch auf Millionen von Schumi-Fans zu. Es ist D-A-S! Weihnachtsgeschenk für alle Formel-1-Fans. Nach dem aus gesundheitlichen Gründen gescheiterten Ferrari-Comeback als Ersatz für den verletzten Felipe Massa kurz zuvor ist es jetzt doch noch passiert. Der Rekord-Mann ist zurück. So wie einige andere Formel-1-Größen vor ihm. Niki Lauda, Mario Andretti, Alain Prost - allesamt Legenden. Und auch wenn Schumacher mit Mercedes aktuell weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurückbleibt, rüttelt das nicht an seinem Denkmal. Ganz im Gegenteil: Schumacher muss nur das tun, was er bisher immer getan hat: nie aufgeben. Dann hat seine Legende Bestand.

Die Krönung: Zum Abschluss gibt es Dinge, die normalerweise so nicht vorgesehen sind. Normalerweise fahren Rennfahrer zum Beispiel nicht durch die nach ihnen benannten Kurven. Normalerweise sind sie dann nämlich schon in Rente - oder sogar tot. Nicht so bei Michael Schumacher. Der war zwar schonmal in Rente, darf jetzt aber trotzdem im Renntempo durch seine eigene Kurve jagen: Das Schumacher-S am Nürburgring. "Ich freue mich riesig, durch meine Kurve zu düsen. Das werde ich sicher genießen", sagt Schumacher. Es ist der vorläufige Höhepunkt: Mit Vollgas im Mercedes durch die eigene Kurve beim Heim-GP - viel mehr Legende geht nicht.

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